Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.raubend seinem bunten Heere voranzogen, und dies Heer, dem 1) Der schwedische Feldherr Banner selbst gestand: "Es wäre kein Wun-
der, wenn sich die Erde öffnete und durch Gottes gerechtes Verhängniß solche ehrvergessene Frevel verschlänge." Dittmar, a. a. O. raubend ſeinem bunten Heere voranzogen, und dies Heer, dem 1) Der ſchwediſche Feldherr Bannér ſelbſt geſtand: „Es wäre kein Wun-
der, wenn ſich die Erde öffnete und durch Gottes gerechtes Verhängniß ſolche ehrvergeſſene Frevel verſchlänge.“ Dittmar, a. a. O. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0090" n="74"/> raubend ſeinem bunten Heere voranzogen, und dies Heer, dem<lb/> auch die Söhne der Bürger und Bauern aus allen Gauen Deutſch-<lb/> lands zuſtrömten, war meiſtens zuſammengelaufenes Geſindel,<lb/> mindeſtens ein arges Gemiſch aller Confeſſionen und meiſtens<lb/> nur um Wallenſtein’s Fahnen geſchart, um Beute und hohen<lb/> Sold zu gewinnen. Als Wallenſtein, nach der Einnahme von<lb/> Prag durch die Sachſen, zum zweiten mal ein Heer warb, führte<lb/> ihm Terzka 4000 Koſacken aus Rußland, Merode einen Haufen<lb/> Wallonen aus den Niederlanden, und der Kroatenoberſt Jſolani<lb/> einen Heerhaufen aus Ungarn zu. Mit dieſen heillos vergriffenen<lb/> Mitteln zur Stützung der Kaiſergewalt hatte Wallenſtein einen<lb/> Geiſt heraufbeſchworen, dem er ſelbſt zum Opfer fiel und dem<lb/> auch die Macht des deutſchen Reichs nach außen und das geiſtige<lb/> und materielle Wohl deſſelben im Jnnern geopfert wurde. Furcht-<lb/> bar iſt die Schilderung, welche Dittmar (a. a. O., S. 692) von<lb/> dem Zuſtande des durch Habſucht und Zerſtörungswuth, Grau-<lb/> ſamkeit und Wolluſt, Mord und Willkürlaune der ſtets hin- und<lb/> herziehenden Soldateska auf das entſetzlichſte verwüſteten und von<lb/> den ſchrecklichen Greuelthaten befleckten deutſchen Reichs <note place="foot" n="1)">Der ſchwediſche Feldherr Bannér ſelbſt geſtand: „Es wäre kein Wun-<lb/> der, wenn ſich die Erde öffnete und durch Gottes gerechtes Verhängniß ſolche<lb/> ehrvergeſſene Frevel verſchlänge.“ Dittmar, a. a. O.</note> ent-<lb/> wirft. Theils die Klageſchriften der Landſtände an ihre Regie-<lb/> rungen oder an Kaiſer und Reich, theils verſchiedene den Noth-<lb/> ſtand Deutſchlands ſchildernde Druckſchriften jener Zeit geben von<lb/> dem damals allenthalben herrſchenden Elend eine nur zu traurige<lb/> Veranſchaulichung. Faſt allenthalben, wo der Krieg wüthete,<lb/> blieb das Feld unangebaut, weil es an Saatkorn, Zugvieh und<lb/> Menſchenhänden fehlte; die Dörfer ſtanden leer, weil Alles in die<lb/> Städte flüchtete oder das Kriegshandwerk ergriff, das noch am<lb/> erſten nährte. Der Hunger trieb ſie zu der unnatürlichſten Nah-<lb/> rung: man verzehrte Aas, ſelbſt menſchliche Leichname, ja im<lb/> Magdeburgiſchen ſollen hier und da Menſchen getödtet und gegeſſen<lb/> worden ſein. Jahrelang aufgehäufter Unrath in den Häuſern<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0090]
raubend ſeinem bunten Heere voranzogen, und dies Heer, dem
auch die Söhne der Bürger und Bauern aus allen Gauen Deutſch-
lands zuſtrömten, war meiſtens zuſammengelaufenes Geſindel,
mindeſtens ein arges Gemiſch aller Confeſſionen und meiſtens
nur um Wallenſtein’s Fahnen geſchart, um Beute und hohen
Sold zu gewinnen. Als Wallenſtein, nach der Einnahme von
Prag durch die Sachſen, zum zweiten mal ein Heer warb, führte
ihm Terzka 4000 Koſacken aus Rußland, Merode einen Haufen
Wallonen aus den Niederlanden, und der Kroatenoberſt Jſolani
einen Heerhaufen aus Ungarn zu. Mit dieſen heillos vergriffenen
Mitteln zur Stützung der Kaiſergewalt hatte Wallenſtein einen
Geiſt heraufbeſchworen, dem er ſelbſt zum Opfer fiel und dem
auch die Macht des deutſchen Reichs nach außen und das geiſtige
und materielle Wohl deſſelben im Jnnern geopfert wurde. Furcht-
bar iſt die Schilderung, welche Dittmar (a. a. O., S. 692) von
dem Zuſtande des durch Habſucht und Zerſtörungswuth, Grau-
ſamkeit und Wolluſt, Mord und Willkürlaune der ſtets hin- und
herziehenden Soldateska auf das entſetzlichſte verwüſteten und von
den ſchrecklichen Greuelthaten befleckten deutſchen Reichs 1) ent-
wirft. Theils die Klageſchriften der Landſtände an ihre Regie-
rungen oder an Kaiſer und Reich, theils verſchiedene den Noth-
ſtand Deutſchlands ſchildernde Druckſchriften jener Zeit geben von
dem damals allenthalben herrſchenden Elend eine nur zu traurige
Veranſchaulichung. Faſt allenthalben, wo der Krieg wüthete,
blieb das Feld unangebaut, weil es an Saatkorn, Zugvieh und
Menſchenhänden fehlte; die Dörfer ſtanden leer, weil Alles in die
Städte flüchtete oder das Kriegshandwerk ergriff, das noch am
erſten nährte. Der Hunger trieb ſie zu der unnatürlichſten Nah-
rung: man verzehrte Aas, ſelbſt menſchliche Leichname, ja im
Magdeburgiſchen ſollen hier und da Menſchen getödtet und gegeſſen
worden ſein. Jahrelang aufgehäufter Unrath in den Häuſern
1) Der ſchwediſche Feldherr Bannér ſelbſt geſtand: „Es wäre kein Wun-
der, wenn ſich die Erde öffnete und durch Gottes gerechtes Verhängniß ſolche
ehrvergeſſene Frevel verſchlänge.“ Dittmar, a. a. O.
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