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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Druck der Ladenwände sich lehnt, scheint ein ziemlich sicheres
Schutzmittel gegen diese neuauftauchende Methode zu sein. 1)

Die vorstehend genannten Geräthschafte werden unter dem
Collectivnamen Schränkzeug begriffen. Wahl und Gebrauch
des Schränkzeugs nach der dargestellten Methode wird schon bei
dem Baldowern bestimmt, und besonders auch noch wenn die
Blinde gemacht wird,
das heißt, wenn kurz vor der Ausfüh-
rung des Diebstahls eine nochmalige specielle Uebersicht und
Durchforschung der ganzen Oertlichkeit und Gelegenheit durch eins
oder durch mehrere Mitglieder der Chawrusse genommen wird
(s. oben Baldowern, S. 111).

Oft wird das Schränkzeug nur wenig, oder gar nicht ge-
braucht, je nachdem sich eine andere günstige Gelegenheit dar-
bietet. Die Katzenlöcher in den Thüren, besonders auf dem Lande,
sparen den Schränkern manche Lewone, da durch diese Löcher
mittels eines Stocks die hinderlichen Knebel, Riegel und Haken
leicht weggeschoben werden können. Die Schränker finden auch
auf dem Lande vielfach Gelegenheit, mit Wagenleitern oder andern
Bodenleitern in offenstehende oder schlecht verwahrte Fenster und
Speicherluchten einzudringen, oder auf Dachrinnen zwischen Ge-
bäuden zu gelangen, von welchen sie, durch Zurückschieben oder
Aufheben der innern Knebel und Haken der gewöhnlich schlecht
und lose schließenden Luchten mit dem Kaut oder Schabber, in
die Gebäude dringen 2), somit Arbeit und Zeit sparen, und dabei
auch der Gefahr der Entdeckung leichter entgehen. Oft werden
von den Dachrinnen aus Dachziegel zum Einsteigen ausgenommen.

1) Eine solche trefflich construirte Geldlade findet man auf Tafel 37 des
Atlas zu Joh. König's "Grundriß der Schlosserkunst" (Weimar 1856) dar-
gestellt.
2) Jn dieser Weise gerieth ein Jndividuum hier in Untersuchung, das
einen ganzen Winter hindurch mittels einer Wagenleiter auf einen Korn-
speicher gestiegen war, und durch die Windenluchte mittels Zurückschiebung des
Knebels mit dem Messer den Weg auf den Speicher gefunden hatte, von
welchem das Korn sackweise gestohlen wurde. Die Wagenleiter hing beständig
an der nahen Scheunenwand.

Druck der Ladenwände ſich lehnt, ſcheint ein ziemlich ſicheres
Schutzmittel gegen dieſe neuauftauchende Methode zu ſein. 1)

Die vorſtehend genannten Geräthſchafte werden unter dem
Collectivnamen Schränkzeug begriffen. Wahl und Gebrauch
des Schränkzeugs nach der dargeſtellten Methode wird ſchon bei
dem Baldowern beſtimmt, und beſonders auch noch wenn die
Blinde gemacht wird,
das heißt, wenn kurz vor der Ausfüh-
rung des Diebſtahls eine nochmalige ſpecielle Ueberſicht und
Durchforſchung der ganzen Oertlichkeit und Gelegenheit durch eins
oder durch mehrere Mitglieder der Chawruſſe genommen wird
(ſ. oben Baldowern, S. 111).

Oft wird das Schränkzeug nur wenig, oder gar nicht ge-
braucht, je nachdem ſich eine andere günſtige Gelegenheit dar-
bietet. Die Katzenlöcher in den Thüren, beſonders auf dem Lande,
ſparen den Schränkern manche Lewone, da durch dieſe Löcher
mittels eines Stocks die hinderlichen Knebel, Riegel und Haken
leicht weggeſchoben werden können. Die Schränker finden auch
auf dem Lande vielfach Gelegenheit, mit Wagenleitern oder andern
Bodenleitern in offenſtehende oder ſchlecht verwahrte Fenſter und
Speicherluchten einzudringen, oder auf Dachrinnen zwiſchen Ge-
bäuden zu gelangen, von welchen ſie, durch Zurückſchieben oder
Aufheben der innern Knebel und Haken der gewöhnlich ſchlecht
und loſe ſchließenden Luchten mit dem Kaut oder Schabber, in
die Gebäude dringen 2), ſomit Arbeit und Zeit ſparen, und dabei
auch der Gefahr der Entdeckung leichter entgehen. Oft werden
von den Dachrinnen aus Dachziegel zum Einſteigen ausgenommen.

1) Eine ſolche trefflich conſtruirte Geldlade findet man auf Tafel 37 des
Atlas zu Joh. König’s „Grundriß der Schloſſerkunſt“ (Weimar 1856) dar-
geſtellt.
2) Jn dieſer Weiſe gerieth ein Jndividuum hier in Unterſuchung, das
einen ganzen Winter hindurch mittels einer Wagenleiter auf einen Korn-
ſpeicher geſtiegen war, und durch die Windenluchte mittels Zurückſchiebung des
Knebels mit dem Meſſer den Weg auf den Speicher gefunden hatte, von
welchem das Korn ſackweiſe geſtohlen wurde. Die Wagenleiter hing beſtändig
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[135/0147] Druck der Ladenwände ſich lehnt, ſcheint ein ziemlich ſicheres Schutzmittel gegen dieſe neuauftauchende Methode zu ſein. 1) Die vorſtehend genannten Geräthſchafte werden unter dem Collectivnamen Schränkzeug begriffen. Wahl und Gebrauch des Schränkzeugs nach der dargeſtellten Methode wird ſchon bei dem Baldowern beſtimmt, und beſonders auch noch wenn die Blinde gemacht wird, das heißt, wenn kurz vor der Ausfüh- rung des Diebſtahls eine nochmalige ſpecielle Ueberſicht und Durchforſchung der ganzen Oertlichkeit und Gelegenheit durch eins oder durch mehrere Mitglieder der Chawruſſe genommen wird (ſ. oben Baldowern, S. 111). Oft wird das Schränkzeug nur wenig, oder gar nicht ge- braucht, je nachdem ſich eine andere günſtige Gelegenheit dar- bietet. Die Katzenlöcher in den Thüren, beſonders auf dem Lande, ſparen den Schränkern manche Lewone, da durch dieſe Löcher mittels eines Stocks die hinderlichen Knebel, Riegel und Haken leicht weggeſchoben werden können. Die Schränker finden auch auf dem Lande vielfach Gelegenheit, mit Wagenleitern oder andern Bodenleitern in offenſtehende oder ſchlecht verwahrte Fenſter und Speicherluchten einzudringen, oder auf Dachrinnen zwiſchen Ge- bäuden zu gelangen, von welchen ſie, durch Zurückſchieben oder Aufheben der innern Knebel und Haken der gewöhnlich ſchlecht und loſe ſchließenden Luchten mit dem Kaut oder Schabber, in die Gebäude dringen 2), ſomit Arbeit und Zeit ſparen, und dabei auch der Gefahr der Entdeckung leichter entgehen. Oft werden von den Dachrinnen aus Dachziegel zum Einſteigen ausgenommen. 1) Eine ſolche trefflich conſtruirte Geldlade findet man auf Tafel 37 des Atlas zu Joh. König’s „Grundriß der Schloſſerkunſt“ (Weimar 1856) dar- geſtellt. 2) Jn dieſer Weiſe gerieth ein Jndividuum hier in Unterſuchung, das einen ganzen Winter hindurch mittels einer Wagenleiter auf einen Korn- ſpeicher geſtiegen war, und durch die Windenluchte mittels Zurückſchiebung des Knebels mit dem Meſſer den Weg auf den Speicher gefunden hatte, von welchem das Korn ſackweiſe geſtohlen wurde. Die Wagenleiter hing beſtändig an der nahen Scheunenwand.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/147>, abgerufen am 02.05.2024.