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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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besonders in die Küchen und Domestikenstuben zu gelangen suchen,
um das dort von den Domestiken nach dem Frühstück, Mittags-
oder Abendessen zum Reinigen hingelegte Silbergeräth zu stehlen,
während die Bedienung noch mit dem Abhub in den Speisezim-
mern oder sonst außerhalb der Küche beschäftigt ist. Da offenbar
hier fast immer eine Nachlässigkeit der Bedienung zu Grunde liegt,
so muß darauf gehalten werden, daß der Domestik, dem das
Silbergeräth anvertraut ist, dasselbe nicht aus den Augen läßt,
bis er es gereinigt und an seinen angewiesenen Ort aufbe-
wahrt hat.



Sechsundfunfzigstes Kapitel.
4) Die Merchitzer.

Die verwegenste Art der Kittenschieber sind die Merchitzer
(von Merchaz, das Waschen, die Wäsche, und dies von [fremdsprachliches Material - fehlt]
[rachaz], er hat gewaschen), auch Margitzer, Marchetzer, das
heißt Hauseinschleicher, welche sich durch das ganze Haus hinauf-
schleichen bis auf die Böden, wo sie vorzüglich die zum Trocknen
aufgehängte Wäsche stehlen. Gewöhnlich wird die vorn an der

I, 74 fg., den Begriff Kegler mit speciellem Bezug auf das Einschleichen
in die Küchen richtig aufgefaßt. Der Ausdruck Gackler mag vielleicht auch
der Anlaß sein, daß der Suppenlöffel mit den kleinern Eßlöffeln in der Gauner-
terminologie als "Glucke mit Kücken" (Küchlein) bezeichnet wird. Die Kitten-
schieber jedoch, welche in Cafes, Restaurationen und Wirthshäusern für den
Fall einer Visitation, die von ihnen gestohlenen Löffel, Messer und Gabeln
mit einem Stück weichen Wachses oder einem Streifen Pech- oder Heftpflaster
unter die Tischplatten oder Stuhlpolster kleben, um sie bei späterm Wieder-
kommen mitzunehmen, dürften jedoch wol nicht zu den Keglern zu rechnen sein.
Das Ankleben solcher gestohlenen Sachen kann schon unbesehens durch Rücken
der nicht mit Rollen versehenen Tische, oder durch einen Faustschlag auf den
Tisch entdeckt werden, wobei die angeklebten Sachen leicht herunterfallen.
Ueberhaupt möchten sich aber auch schon in dieser Rücksicht durchsichtige Rohr-
geflechte auf Stühlen und Wandbänken in Cafes empfehlen.

beſonders in die Küchen und Domeſtikenſtuben zu gelangen ſuchen,
um das dort von den Domeſtiken nach dem Frühſtück, Mittags-
oder Abendeſſen zum Reinigen hingelegte Silbergeräth zu ſtehlen,
während die Bedienung noch mit dem Abhub in den Speiſezim-
mern oder ſonſt außerhalb der Küche beſchäftigt iſt. Da offenbar
hier faſt immer eine Nachläſſigkeit der Bedienung zu Grunde liegt,
ſo muß darauf gehalten werden, daß der Domeſtik, dem das
Silbergeräth anvertraut iſt, daſſelbe nicht aus den Augen läßt,
bis er es gereinigt und an ſeinen angewieſenen Ort aufbe-
wahrt hat.



Sechsundfunfzigſtes Kapitel.
4) Die Merchitzer.

Die verwegenſte Art der Kittenſchieber ſind die Merchitzer
(von Merchaz, das Waſchen, die Wäſche, und dies von [fremdsprachliches Material – fehlt]
[rachaz], er hat gewaſchen), auch Margitzer, Marchetzer, das
heißt Hauseinſchleicher, welche ſich durch das ganze Haus hinauf-
ſchleichen bis auf die Böden, wo ſie vorzüglich die zum Trocknen
aufgehängte Wäſche ſtehlen. Gewöhnlich wird die vorn an der

I, 74 fg., den Begriff Kegler mit ſpeciellem Bezug auf das Einſchleichen
in die Küchen richtig aufgefaßt. Der Ausdruck Gackler mag vielleicht auch
der Anlaß ſein, daß der Suppenlöffel mit den kleinern Eßlöffeln in der Gauner-
terminologie als „Glucke mit Kücken“ (Küchlein) bezeichnet wird. Die Kitten-
ſchieber jedoch, welche in Cafés, Reſtaurationen und Wirthshäuſern für den
Fall einer Viſitation, die von ihnen geſtohlenen Löffel, Meſſer und Gabeln
mit einem Stück weichen Wachſes oder einem Streifen Pech- oder Heftpflaſter
unter die Tiſchplatten oder Stuhlpolſter kleben, um ſie bei ſpäterm Wieder-
kommen mitzunehmen, dürften jedoch wol nicht zu den Keglern zu rechnen ſein.
Das Ankleben ſolcher geſtohlenen Sachen kann ſchon unbeſehens durch Rücken
der nicht mit Rollen verſehenen Tiſche, oder durch einen Fauſtſchlag auf den
Tiſch entdeckt werden, wobei die angeklebten Sachen leicht herunterfallen.
Ueberhaupt möchten ſich aber auch ſchon in dieſer Rückſicht durchſichtige Rohr-
geflechte auf Stühlen und Wandbänken in Cafés empfehlen.
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[190/0202] beſonders in die Küchen und Domeſtikenſtuben zu gelangen ſuchen, um das dort von den Domeſtiken nach dem Frühſtück, Mittags- oder Abendeſſen zum Reinigen hingelegte Silbergeräth zu ſtehlen, während die Bedienung noch mit dem Abhub in den Speiſezim- mern oder ſonſt außerhalb der Küche beſchäftigt iſt. Da offenbar hier faſt immer eine Nachläſſigkeit der Bedienung zu Grunde liegt, ſo muß darauf gehalten werden, daß der Domeſtik, dem das Silbergeräth anvertraut iſt, daſſelbe nicht aus den Augen läßt, bis er es gereinigt und an ſeinen angewieſenen Ort aufbe- wahrt hat. Sechsundfunfzigſtes Kapitel. 4) Die Merchitzer. Die verwegenſte Art der Kittenſchieber ſind die Merchitzer (von Merchaz, das Waſchen, die Wäſche, und dies von _ [rachaz], er hat gewaſchen), auch Margitzer, Marchetzer, das heißt Hauseinſchleicher, welche ſich durch das ganze Haus hinauf- ſchleichen bis auf die Böden, wo ſie vorzüglich die zum Trocknen aufgehängte Wäſche ſtehlen. Gewöhnlich wird die vorn an der 1) 1) I, 74 fg., den Begriff Kegler mit ſpeciellem Bezug auf das Einſchleichen in die Küchen richtig aufgefaßt. Der Ausdruck Gackler mag vielleicht auch der Anlaß ſein, daß der Suppenlöffel mit den kleinern Eßlöffeln in der Gauner- terminologie als „Glucke mit Kücken“ (Küchlein) bezeichnet wird. Die Kitten- ſchieber jedoch, welche in Cafés, Reſtaurationen und Wirthshäuſern für den Fall einer Viſitation, die von ihnen geſtohlenen Löffel, Meſſer und Gabeln mit einem Stück weichen Wachſes oder einem Streifen Pech- oder Heftpflaſter unter die Tiſchplatten oder Stuhlpolſter kleben, um ſie bei ſpäterm Wieder- kommen mitzunehmen, dürften jedoch wol nicht zu den Keglern zu rechnen ſein. Das Ankleben ſolcher geſtohlenen Sachen kann ſchon unbeſehens durch Rücken der nicht mit Rollen verſehenen Tiſche, oder durch einen Fauſtſchlag auf den Tiſch entdeckt werden, wobei die angeklebten Sachen leicht herunterfallen. Ueberhaupt möchten ſich aber auch ſchon in dieſer Rückſicht durchſichtige Rohr- geflechte auf Stühlen und Wandbänken in Cafés empfehlen.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/202>, abgerufen am 25.04.2024.