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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Thüre aufhängt, dem möchte es eine nicht unverdiente Strafe
seiner Nachlässigkeit sein, wenn er bestohlen wird. Die erfahrenen
Schottenfeller wenden solchen bis zur Thür drapirten Läden mit
besonderer Vorliebe ihre Aufmerksamkeit zu, nicht so sehr um die
draußen hängenden, oft unbedeutenden Waaren zu stehlen, als
darum, weil sie in dieser Ausstellung, oft wol nicht mit Un-
grund, einen sorglosen Verkäufer erblicken, bei dem schon etwas
zu unternehmen ist. Jn der Messen- und Jahrmarktszeit, oder
wo ein lebhafter Ladenverkauf ist, lohnt sich die Anstellung eines
Portiers und anderer Bedienung im Laden, zur Aufbewahrung
von Schirmen und zu sonstigen Handreichungen auf der Käufer-
stelle überreichlich, wie mir das auch schon mit Dank für den
gegebenen Rath ausgesprochen ist.

Auch in Gold- und Silberläden, Conditorläden, Delicqtessen-
läden 1) u. s. w. wird der Verkäufer hinter seinem Ladentische als
"Schaute" behandelt und mit derselben Frivolität und Virtuosi-
tät bestohlen, wie in den Ausschnittläden. Gewöhnlich bietet
dabei des Abends die helle Erleuchtung der Läden Gelegenheit,
den günstigen Moment von außen durch das Fenster zu erspähen,
bevor der Schottenfeller in den Laden tritt.



Achtundfunfzigstes Kapitel.
e) Das Chalfenen.

Chalfenen 2), oder Chilfen und Chillefen, jüdisch-deut-
scher Ausdruck für wechseln im gewöhnlichen guten Sinne, ist in

1) Namentlich von jungen Burschen und Dirnen wird besonders abends
in der Messen-, Jahrmarkt- und Weihnachtzeit außerordentlich viel Naschwerk
gestohlen, während mehrere zugleich in die Läden treten und für eine Kleinig-
keit, dieser das und jener etwas anderes, zu kaufen begehren. Mir sind
ganze Banden von Burschen dieser Art vorgekommen, die auch in die Jahr-
marktsbuden geschickt um die Ecken langen konnten, während der Genosse den
Verkäufer mit dem Ankauf einer Kleinigkeit beschäftigte.
2) Vom hebräischen [fremdsprachliches Material - fehlt] (chalaf), er hat gewechselt, vertauscht, von Klei-

Thüre aufhängt, dem möchte es eine nicht unverdiente Strafe
ſeiner Nachläſſigkeit ſein, wenn er beſtohlen wird. Die erfahrenen
Schottenfeller wenden ſolchen bis zur Thür drapirten Läden mit
beſonderer Vorliebe ihre Aufmerkſamkeit zu, nicht ſo ſehr um die
draußen hängenden, oft unbedeutenden Waaren zu ſtehlen, als
darum, weil ſie in dieſer Ausſtellung, oft wol nicht mit Un-
grund, einen ſorgloſen Verkäufer erblicken, bei dem ſchon etwas
zu unternehmen iſt. Jn der Meſſen- und Jahrmarktszeit, oder
wo ein lebhafter Ladenverkauf iſt, lohnt ſich die Anſtellung eines
Portiers und anderer Bedienung im Laden, zur Aufbewahrung
von Schirmen und zu ſonſtigen Handreichungen auf der Käufer-
ſtelle überreichlich, wie mir das auch ſchon mit Dank für den
gegebenen Rath ausgeſprochen iſt.

Auch in Gold- und Silberläden, Conditorläden, Delicqteſſen-
läden 1) u. ſ. w. wird der Verkäufer hinter ſeinem Ladentiſche als
„Schaute“ behandelt und mit derſelben Frivolität und Virtuoſi-
tät beſtohlen, wie in den Ausſchnittläden. Gewöhnlich bietet
dabei des Abends die helle Erleuchtung der Läden Gelegenheit,
den günſtigen Moment von außen durch das Fenſter zu erſpähen,
bevor der Schottenfeller in den Laden tritt.



Achtundfunfzigſtes Kapitel.
e) Das Chalfenen.

Chalfenen 2), oder Chilfen und Chillefen, jüdiſch-deut-
ſcher Ausdruck für wechſeln im gewöhnlichen guten Sinne, iſt in

1) Namentlich von jungen Burſchen und Dirnen wird beſonders abends
in der Meſſen-, Jahrmarkt- und Weihnachtzeit außerordentlich viel Naſchwerk
geſtohlen, während mehrere zugleich in die Läden treten und für eine Kleinig-
keit, dieſer das und jener etwas anderes, zu kaufen begehren. Mir ſind
ganze Banden von Burſchen dieſer Art vorgekommen, die auch in die Jahr-
marktsbuden geſchickt um die Ecken langen konnten, während der Genoſſe den
Verkäufer mit dem Ankauf einer Kleinigkeit beſchäftigte.
2) Vom hebräiſchen [fremdsprachliches Material – fehlt] (chalaf), er hat gewechſelt, vertauſcht, von Klei-
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[200/0212] Thüre aufhängt, dem möchte es eine nicht unverdiente Strafe ſeiner Nachläſſigkeit ſein, wenn er beſtohlen wird. Die erfahrenen Schottenfeller wenden ſolchen bis zur Thür drapirten Läden mit beſonderer Vorliebe ihre Aufmerkſamkeit zu, nicht ſo ſehr um die draußen hängenden, oft unbedeutenden Waaren zu ſtehlen, als darum, weil ſie in dieſer Ausſtellung, oft wol nicht mit Un- grund, einen ſorgloſen Verkäufer erblicken, bei dem ſchon etwas zu unternehmen iſt. Jn der Meſſen- und Jahrmarktszeit, oder wo ein lebhafter Ladenverkauf iſt, lohnt ſich die Anſtellung eines Portiers und anderer Bedienung im Laden, zur Aufbewahrung von Schirmen und zu ſonſtigen Handreichungen auf der Käufer- ſtelle überreichlich, wie mir das auch ſchon mit Dank für den gegebenen Rath ausgeſprochen iſt. Auch in Gold- und Silberläden, Conditorläden, Delicqteſſen- läden 1) u. ſ. w. wird der Verkäufer hinter ſeinem Ladentiſche als „Schaute“ behandelt und mit derſelben Frivolität und Virtuoſi- tät beſtohlen, wie in den Ausſchnittläden. Gewöhnlich bietet dabei des Abends die helle Erleuchtung der Läden Gelegenheit, den günſtigen Moment von außen durch das Fenſter zu erſpähen, bevor der Schottenfeller in den Laden tritt. Achtundfunfzigſtes Kapitel. e) Das Chalfenen. Chalfenen 2), oder Chilfen und Chillefen, jüdiſch-deut- ſcher Ausdruck für wechſeln im gewöhnlichen guten Sinne, iſt in 1) Namentlich von jungen Burſchen und Dirnen wird beſonders abends in der Meſſen-, Jahrmarkt- und Weihnachtzeit außerordentlich viel Naſchwerk geſtohlen, während mehrere zugleich in die Läden treten und für eine Kleinig- keit, dieſer das und jener etwas anderes, zu kaufen begehren. Mir ſind ganze Banden von Burſchen dieſer Art vorgekommen, die auch in die Jahr- marktsbuden geſchickt um die Ecken langen konnten, während der Genoſſe den Verkäufer mit dem Ankauf einer Kleinigkeit beſchäftigte. 2) Vom hebräiſchen _ (chalaf), er hat gewechſelt, vertauſcht, von Klei-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/212>, abgerufen am 25.04.2024.