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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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sachen und mehrere Goldrollen handelt, sehr lucrativ, und wird
weit mehr als das Chalfenen von Frauenzimmern und zwar
immer in sehr eleganter Toilette und fast jedesmal mit Anwen-
dung von Siegelringen, auf welchen adeliche Wappen gravirt sind,
besonders in Gold und Silberhandlungen ausgeübt. Die Enne-
votennemacher führen im Reisekoffer oft ganze Sätze von Käst-
chen oder Schachteln (jüdisch-deutsch Schkedele), in Doubletten
bei sich, deren Besitz bei einer Recherche immer mit der Benutzung
zum Aufbewahren von Seide, Nadeln, Band u. dgl. von Wei-
bern gerechtfertigt wird, während die Kasten von Männern ge-
wöhnlich für Probekasten ausgegeben werden.

Stiehlt der Ennevotennemacher baares Geld in dieser Weise,
so wird dieser Handel mit dem Ausdruck Chassime chalfenen
bezeichnet, da er ja auch mit dem Chalfenen viel Aehnlichkeit hat.
Abgezählte Gold- und Silberrollen sind während des Geschäfts
am geschicktesten zu chalfenen. Nicht selten sind aber Gauner,
namentlich wenn sie von einem Vertusser gut unterstützt werden,
verwegen genug, ziemlich schwere Geldbeutel mit Silbergeld gegen
gleichgesiegelte mit Kupfergeld zu verwechseln.

Auch andere Privatpersonen, namentlich Wirthe, welche sich
in argloser Gutmüthigkeit dazu hergeben, Geld als Depositum
aufzubewahren, werden auf diese Weise oft um bedeutende Sum-
men geprellt, wenn sie über die ihnen zugestellten Geldbeträge
Empfangscheine ausgestellt haben, da der verübte Betrug natür-
lich vom Gauner sogleich bei der Rücklieferung dem Depositar
zugeschoben, und die vollwichtige Valuta nach dem Empfangschein
gefordert wird. Man thut daher am besten, sich in keiner Weise
zum Depositar eines Fremden herzugeben, ohne das deponirte
Geld selbst genau nachzuzählen, zu prüfen und in Gegenwart von
Zeugen oder mit einem Beamtensiegel oder aber auch mit des
Fremden Siegel, jedoch immer nur selbst zu versiegeln und sofort
sicher zu verwahren, niemals aber dem Fremden das Siegeln zu
überlassen, und niemals nach der Versiegelung ihm das Versiegelte
in die Hand zu geben.



ſachen und mehrere Goldrollen handelt, ſehr lucrativ, und wird
weit mehr als das Chalfenen von Frauenzimmern und zwar
immer in ſehr eleganter Toilette und faſt jedesmal mit Anwen-
dung von Siegelringen, auf welchen adeliche Wappen gravirt ſind,
beſonders in Gold und Silberhandlungen ausgeübt. Die Enne-
votennemacher führen im Reiſekoffer oft ganze Sätze von Käſt-
chen oder Schachteln (jüdiſch-deutſch Schkedele), in Doubletten
bei ſich, deren Beſitz bei einer Recherche immer mit der Benutzung
zum Aufbewahren von Seide, Nadeln, Band u. dgl. von Wei-
bern gerechtfertigt wird, während die Kaſten von Männern ge-
wöhnlich für Probekaſten ausgegeben werden.

Stiehlt der Ennevotennemacher baares Geld in dieſer Weiſe,
ſo wird dieſer Handel mit dem Ausdruck Chaſſime chalfenen
bezeichnet, da er ja auch mit dem Chalfenen viel Aehnlichkeit hat.
Abgezählte Gold- und Silberrollen ſind während des Geſchäfts
am geſchickteſten zu chalfenen. Nicht ſelten ſind aber Gauner,
namentlich wenn ſie von einem Vertuſſer gut unterſtützt werden,
verwegen genug, ziemlich ſchwere Geldbeutel mit Silbergeld gegen
gleichgeſiegelte mit Kupfergeld zu verwechſeln.

Auch andere Privatperſonen, namentlich Wirthe, welche ſich
in argloſer Gutmüthigkeit dazu hergeben, Geld als Depoſitum
aufzubewahren, werden auf dieſe Weiſe oft um bedeutende Sum-
men geprellt, wenn ſie über die ihnen zugeſtellten Geldbeträge
Empfangſcheine ausgeſtellt haben, da der verübte Betrug natür-
lich vom Gauner ſogleich bei der Rücklieferung dem Depoſitar
zugeſchoben, und die vollwichtige Valuta nach dem Empfangſchein
gefordert wird. Man thut daher am beſten, ſich in keiner Weiſe
zum Depoſitar eines Fremden herzugeben, ohne das deponirte
Geld ſelbſt genau nachzuzählen, zu prüfen und in Gegenwart von
Zeugen oder mit einem Beamtenſiegel oder aber auch mit des
Fremden Siegel, jedoch immer nur ſelbſt zu verſiegeln und ſofort
ſicher zu verwahren, niemals aber dem Fremden das Siegeln zu
überlaſſen, und niemals nach der Verſiegelung ihm das Verſiegelte
in die Hand zu geben.



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[206/0218] ſachen und mehrere Goldrollen handelt, ſehr lucrativ, und wird weit mehr als das Chalfenen von Frauenzimmern und zwar immer in ſehr eleganter Toilette und faſt jedesmal mit Anwen- dung von Siegelringen, auf welchen adeliche Wappen gravirt ſind, beſonders in Gold und Silberhandlungen ausgeübt. Die Enne- votennemacher führen im Reiſekoffer oft ganze Sätze von Käſt- chen oder Schachteln (jüdiſch-deutſch Schkedele), in Doubletten bei ſich, deren Beſitz bei einer Recherche immer mit der Benutzung zum Aufbewahren von Seide, Nadeln, Band u. dgl. von Wei- bern gerechtfertigt wird, während die Kaſten von Männern ge- wöhnlich für Probekaſten ausgegeben werden. Stiehlt der Ennevotennemacher baares Geld in dieſer Weiſe, ſo wird dieſer Handel mit dem Ausdruck Chaſſime chalfenen bezeichnet, da er ja auch mit dem Chalfenen viel Aehnlichkeit hat. Abgezählte Gold- und Silberrollen ſind während des Geſchäfts am geſchickteſten zu chalfenen. Nicht ſelten ſind aber Gauner, namentlich wenn ſie von einem Vertuſſer gut unterſtützt werden, verwegen genug, ziemlich ſchwere Geldbeutel mit Silbergeld gegen gleichgeſiegelte mit Kupfergeld zu verwechſeln. Auch andere Privatperſonen, namentlich Wirthe, welche ſich in argloſer Gutmüthigkeit dazu hergeben, Geld als Depoſitum aufzubewahren, werden auf dieſe Weiſe oft um bedeutende Sum- men geprellt, wenn ſie über die ihnen zugeſtellten Geldbeträge Empfangſcheine ausgeſtellt haben, da der verübte Betrug natür- lich vom Gauner ſogleich bei der Rücklieferung dem Depoſitar zugeſchoben, und die vollwichtige Valuta nach dem Empfangſchein gefordert wird. Man thut daher am beſten, ſich in keiner Weiſe zum Depoſitar eines Fremden herzugeben, ohne das deponirte Geld ſelbſt genau nachzuzählen, zu prüfen und in Gegenwart von Zeugen oder mit einem Beamtenſiegel oder aber auch mit des Fremden Siegel, jedoch immer nur ſelbſt zu verſiegeln und ſofort ſicher zu verwahren, niemals aber dem Fremden das Siegeln zu überlaſſen, und niemals nach der Verſiegelung ihm das Verſiegelte in die Hand zu geben.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/218>, abgerufen am 25.04.2024.