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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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gespielt wird, überredet oder von Gewinnsucht verlockt, das an-
gebliche Kleinod zu kaufen, oder gegen Darlehn in Pfand zu
nehmen, wobei er zu spät, wenn die Ermittelung des davonge-
reisten Gauners schwer oder unmöglich ist, seine thörichte Leicht-
gläubigkeit bereuen lernt. Dieses Manöver, der Viaschma-
handel
1), kam besonders seit den französischen Kriegen dieses
Jahrhunderts in Schwung. Die Viaschmahändler traten beson-
ders als polnische Offiziere oder Edelleute auf, und wurden des-
halb Polenhändler oder Polengänger genannt. Nach Stuhl-
müller, a. a. O., S. xxiii u. 85, soll der in der Plassenburger Unter-
suchung figurirende Baruch Benjamin der Erfinder oder Haupt-
verbreiter des Viaschmahandels gewesen sein, wie denn auch
Stuhlmüller sogar das Costüm beschreibt, in welchem die Viaschma-
händler besonders in Baiern und Würtemberg aufzutreten und zu
prellen pflegten. 2) Einen interessanten Viaschmahandel erzählt
Thiele, "Jüdische Gauner", II, 1, aus dem Bericht des Polizei-
departements des Cantons Thurgau zu Frauenfeld in der Schweiz.



Zweiundsechzigstes Kapitel.
b) Das Werammemoossmelochnen oder Linkemesumme-
melochnen.

Die Falschmünzerei als Jnbegriff mehrerer Verbrechen gegen
das Münzregal oder gegen öffentliche Treue und Glauben 3) ist,

1) Das Wort Viaschma oder richtiger Viatzma ist polnischen Ur-
sprungs und bedeutet Zeugniß, Bescheinigung.
2) Einen solchen Betrug, sagt Stuhlmüller, a. a. O., S. xxiv, nennt
man eine Viaschma, oder auch eine Neppe; den, welcher den Kaufmann spielt,
den Chaium (Juden); den, welcher mit ihm ist, seinen Meschores (Knecht),
und denjenigen, welcher den Deserteur spielt, und dazu einen eigenen Anzug,
nämlich gewöhnlich eine weißwollene Jacke, eine Gattien von ungebleichter oder
gebleichter Leinwand, eine Holzkappe hat, und einen leinenen Bündel unter
dem Arme oder auf dem Rücken trägt, in welchem seine andern Kleider sich
befinden, nennt man den Balmachonen (Soldaten).
3) Den neuern Gesetzgebungen liegt wol durchgehends die Jdee des
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geſpielt wird, überredet oder von Gewinnſucht verlockt, das an-
gebliche Kleinod zu kaufen, oder gegen Darlehn in Pfand zu
nehmen, wobei er zu ſpät, wenn die Ermittelung des davonge-
reiſten Gauners ſchwer oder unmöglich iſt, ſeine thörichte Leicht-
gläubigkeit bereuen lernt. Dieſes Manöver, der Viaſchma-
handel
1), kam beſonders ſeit den franzöſiſchen Kriegen dieſes
Jahrhunderts in Schwung. Die Viaſchmahändler traten beſon-
ders als polniſche Offiziere oder Edelleute auf, und wurden des-
halb Polenhändler oder Polengänger genannt. Nach Stuhl-
müller, a. a. O., S. xxiii u. 85, ſoll der in der Plaſſenburger Unter-
ſuchung figurirende Baruch Benjamin der Erfinder oder Haupt-
verbreiter des Viaſchmahandels geweſen ſein, wie denn auch
Stuhlmüller ſogar das Coſtüm beſchreibt, in welchem die Viaſchma-
händler beſonders in Baiern und Würtemberg aufzutreten und zu
prellen pflegten. 2) Einen intereſſanten Viaſchmahandel erzählt
Thiele, „Jüdiſche Gauner“, II, 1, aus dem Bericht des Polizei-
departements des Cantons Thurgau zu Frauenfeld in der Schweiz.



Zweiundſechzigſtes Kapitel.
β) Das Werammemooſſmelochnen oder Linkemeſumme-
melochnen.

Die Falſchmünzerei als Jnbegriff mehrerer Verbrechen gegen
das Münzregal oder gegen öffentliche Treue und Glauben 3) iſt,

1) Das Wort Viaſchma oder richtiger Viatzma iſt polniſchen Ur-
ſprungs und bedeutet Zeugniß, Beſcheinigung.
2) Einen ſolchen Betrug, ſagt Stuhlmüller, a. a. O., S. xxiv, nennt
man eine Viaſchma, oder auch eine Neppe; den, welcher den Kaufmann ſpielt,
den Chaium (Juden); den, welcher mit ihm iſt, ſeinen Meſchores (Knecht),
und denjenigen, welcher den Deſerteur ſpielt, und dazu einen eigenen Anzug,
nämlich gewöhnlich eine weißwollene Jacke, eine Gattien von ungebleichter oder
gebleichter Leinwand, eine Holzkappe hat, und einen leinenen Bündel unter
dem Arme oder auf dem Rücken trägt, in welchem ſeine andern Kleider ſich
befinden, nennt man den Balmachonen (Soldaten).
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[211/0223] geſpielt wird, überredet oder von Gewinnſucht verlockt, das an- gebliche Kleinod zu kaufen, oder gegen Darlehn in Pfand zu nehmen, wobei er zu ſpät, wenn die Ermittelung des davonge- reiſten Gauners ſchwer oder unmöglich iſt, ſeine thörichte Leicht- gläubigkeit bereuen lernt. Dieſes Manöver, der Viaſchma- handel 1), kam beſonders ſeit den franzöſiſchen Kriegen dieſes Jahrhunderts in Schwung. Die Viaſchmahändler traten beſon- ders als polniſche Offiziere oder Edelleute auf, und wurden des- halb Polenhändler oder Polengänger genannt. Nach Stuhl- müller, a. a. O., S. xxiii u. 85, ſoll der in der Plaſſenburger Unter- ſuchung figurirende Baruch Benjamin der Erfinder oder Haupt- verbreiter des Viaſchmahandels geweſen ſein, wie denn auch Stuhlmüller ſogar das Coſtüm beſchreibt, in welchem die Viaſchma- händler beſonders in Baiern und Würtemberg aufzutreten und zu prellen pflegten. 2) Einen intereſſanten Viaſchmahandel erzählt Thiele, „Jüdiſche Gauner“, II, 1, aus dem Bericht des Polizei- departements des Cantons Thurgau zu Frauenfeld in der Schweiz. Zweiundſechzigſtes Kapitel. β) Das Werammemooſſmelochnen oder Linkemeſumme- melochnen. Die Falſchmünzerei als Jnbegriff mehrerer Verbrechen gegen das Münzregal oder gegen öffentliche Treue und Glauben 3) iſt, 1) Das Wort Viaſchma oder richtiger Viatzma iſt polniſchen Ur- ſprungs und bedeutet Zeugniß, Beſcheinigung. 2) Einen ſolchen Betrug, ſagt Stuhlmüller, a. a. O., S. xxiv, nennt man eine Viaſchma, oder auch eine Neppe; den, welcher den Kaufmann ſpielt, den Chaium (Juden); den, welcher mit ihm iſt, ſeinen Meſchores (Knecht), und denjenigen, welcher den Deſerteur ſpielt, und dazu einen eigenen Anzug, nämlich gewöhnlich eine weißwollene Jacke, eine Gattien von ungebleichter oder gebleichter Leinwand, eine Holzkappe hat, und einen leinenen Bündel unter dem Arme oder auf dem Rücken trägt, in welchem ſeine andern Kleider ſich befinden, nennt man den Balmachonen (Soldaten). 3) Den neuern Geſetzgebungen liegt wol durchgehends die Jdee des 14*

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/223>, abgerufen am 28.03.2024.