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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Fünsundsechzigstes Kapitel.
e) Der Pischtimhandel.

Eine der großartigsten und ärgsten Neppen wird namentlich
auf Jahrmärkten und im Hausirhandel, besonders auf dem
Lande mit dem Leinwandhandel, getrieben. Leider verschwin-
det Spinnrad und Webstuhl immer mehr aus der ländlichen
Behausung und der Landmann, der höchstens noch den Flachs
baut, ohne ihn noch selbst zu verarbeiten, hört auch damit auf,
Kenner der Leinwand zu sein, sodaß gerade er jetzt am meisten
mit dem Leinenhandel, Pischtimhandel, betrogen wird. Der Be-
trug geht nicht von den Fabriken aus, welche zur Herstellung
eines billigern Preises Seide, Wolle, Leinen und Baumwolle
miteinander verweben, sondern von den Händlern, welche den
Unkundigen den gemischten Stoff als rein und echt verkaufen und
so absichtlich damit betrügen. Pischte, Pischtim wird von den
Pischtimhändlern die reine Leinwand genannt; Meschi, Me-
schech,
Seide; Zemer die reine Wolle, Zemergefen die Baum-
wolle, und Schaatnes, Schatnes oder Schetnes, Stoffe, die
aus Wolle und Leinen, Wolle und Baumwolle, oder Baumwolle
und Leinen, auch aus Seide mit Baumwolle u. s. w. gewebt,
also gemischt, unrein oder unecht sind. Jn dem Muster und der
Appretur wird auch den Schatnes ein glänzendes und täuschen-
des Aeußere gegeben. Daher geht und gelingt denn auch die
Uebervortheilung hierbei aufs äußerste, sodaß der Pischtimhändler
seine Schatnes oft zum drei- bis vierfachen Preis des wahren
Werths bei dem Unkundigen anbringt. Die Pischtimhändler
haben meistens Fuhrwerk bei sich, und spielen dabei fast immer
die Ausländer, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind,
während sie auf die unverschämteste Weise untereinander kochemer
schmusen und mit eingestreuten holländischen und französischen
Brocken den verdutzten Landleuten die Güte und den Preis der
von ihnen selbst aus den besten Fabriken bezogenen Waare be-
greiflich zu machen wissen. 1) Bei der beständigen Gefahr, wel-

1) So war kürzlich ein Pischtimhändler, ein holsteinischer Jude, am
Fünſundſechzigſtes Kapitel.
ε) Der Piſchtimhandel.

Eine der großartigſten und ärgſten Neppen wird namentlich
auf Jahrmärkten und im Hauſirhandel, beſonders auf dem
Lande mit dem Leinwandhandel, getrieben. Leider verſchwin-
det Spinnrad und Webſtuhl immer mehr aus der ländlichen
Behauſung und der Landmann, der höchſtens noch den Flachs
baut, ohne ihn noch ſelbſt zu verarbeiten, hört auch damit auf,
Kenner der Leinwand zu ſein, ſodaß gerade er jetzt am meiſten
mit dem Leinenhandel, Piſchtimhandel, betrogen wird. Der Be-
trug geht nicht von den Fabriken aus, welche zur Herſtellung
eines billigern Preiſes Seide, Wolle, Leinen und Baumwolle
miteinander verweben, ſondern von den Händlern, welche den
Unkundigen den gemiſchten Stoff als rein und echt verkaufen und
ſo abſichtlich damit betrügen. Piſchte, Piſchtim wird von den
Piſchtimhändlern die reine Leinwand genannt; Meſchi, Me-
ſchech,
Seide; Zemer die reine Wolle, Zemergefen die Baum-
wolle, und Schaatnes, Schatnes oder Schetnes, Stoffe, die
aus Wolle und Leinen, Wolle und Baumwolle, oder Baumwolle
und Leinen, auch aus Seide mit Baumwolle u. ſ. w. gewebt,
alſo gemiſcht, unrein oder unecht ſind. Jn dem Muſter und der
Appretur wird auch den Schatnes ein glänzendes und täuſchen-
des Aeußere gegeben. Daher geht und gelingt denn auch die
Uebervortheilung hierbei aufs äußerſte, ſodaß der Piſchtimhändler
ſeine Schatnes oft zum drei- bis vierfachen Preis des wahren
Werths bei dem Unkundigen anbringt. Die Piſchtimhändler
haben meiſtens Fuhrwerk bei ſich, und ſpielen dabei faſt immer
die Ausländer, welche der deutſchen Sprache nicht mächtig ſind,
während ſie auf die unverſchämteſte Weiſe untereinander kochemer
ſchmuſen und mit eingeſtreuten holländiſchen und franzöſiſchen
Brocken den verdutzten Landleuten die Güte und den Preis der
von ihnen ſelbſt aus den beſten Fabriken bezogenen Waare be-
greiflich zu machen wiſſen. 1) Bei der beſtändigen Gefahr, wel-

1) So war kürzlich ein Piſchtimhändler, ein holſteiniſcher Jude, am
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[219/0231] Fünſundſechzigſtes Kapitel. ε) Der Piſchtimhandel. Eine der großartigſten und ärgſten Neppen wird namentlich auf Jahrmärkten und im Hauſirhandel, beſonders auf dem Lande mit dem Leinwandhandel, getrieben. Leider verſchwin- det Spinnrad und Webſtuhl immer mehr aus der ländlichen Behauſung und der Landmann, der höchſtens noch den Flachs baut, ohne ihn noch ſelbſt zu verarbeiten, hört auch damit auf, Kenner der Leinwand zu ſein, ſodaß gerade er jetzt am meiſten mit dem Leinenhandel, Piſchtimhandel, betrogen wird. Der Be- trug geht nicht von den Fabriken aus, welche zur Herſtellung eines billigern Preiſes Seide, Wolle, Leinen und Baumwolle miteinander verweben, ſondern von den Händlern, welche den Unkundigen den gemiſchten Stoff als rein und echt verkaufen und ſo abſichtlich damit betrügen. Piſchte, Piſchtim wird von den Piſchtimhändlern die reine Leinwand genannt; Meſchi, Me- ſchech, Seide; Zemer die reine Wolle, Zemergefen die Baum- wolle, und Schaatnes, Schatnes oder Schetnes, Stoffe, die aus Wolle und Leinen, Wolle und Baumwolle, oder Baumwolle und Leinen, auch aus Seide mit Baumwolle u. ſ. w. gewebt, alſo gemiſcht, unrein oder unecht ſind. Jn dem Muſter und der Appretur wird auch den Schatnes ein glänzendes und täuſchen- des Aeußere gegeben. Daher geht und gelingt denn auch die Uebervortheilung hierbei aufs äußerſte, ſodaß der Piſchtimhändler ſeine Schatnes oft zum drei- bis vierfachen Preis des wahren Werths bei dem Unkundigen anbringt. Die Piſchtimhändler haben meiſtens Fuhrwerk bei ſich, und ſpielen dabei faſt immer die Ausländer, welche der deutſchen Sprache nicht mächtig ſind, während ſie auf die unverſchämteſte Weiſe untereinander kochemer ſchmuſen und mit eingeſtreuten holländiſchen und franzöſiſchen Brocken den verdutzten Landleuten die Güte und den Preis der von ihnen ſelbſt aus den beſten Fabriken bezogenen Waare be- greiflich zu machen wiſſen. 1) Bei der beſtändigen Gefahr, wel- 1) So war kürzlich ein Piſchtimhändler, ein holſteiniſcher Jude, am

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/231>, abgerufen am 04.12.2024.