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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Wegen der Uebelstände, welche das Radiren mit sich bringt,
wählen die Fleppenmelochner zur Vertilgung der betreffenden
Stellen viel lieber chemische Agentien, besonders die javelli-
sche Lauge
(den gasförmigen Grundstoff Chlor, das vom Wasser
imbibirt wird), Salzsäure (chemische Verbindung von Chlor und
Wasserstoff), und Oxalsäure oder Kleesäure (die Säure des
Sauerkleesalzes, welches sich, natürlich gebildet, im Safte der
oxalis acetosella findet), mit welchen Flüssigkeiten sich die Tinte
gänzlich wegwaschen läßt, sodaß sogar auch ganze beschriebene
Stempelbogen, mit Schonung des darauf befindlichen Stempels,
durchaus frei von der Schrift gewaschen und als neue Stempel-
bogen verkauft werden.

Zunächst kommt es hier zur Entdeckung der Fälschung, wie
bei dem Radiren, ebenfalls auf die genaue Untersuchung an, ob
die Schriftzüge vollkommen gleich, frei, unverflossen und rein sind.
Vorzüglich wichtig ist aber hier die Untersuchung des Papiers,
ob es sich an Farbe überall gleich ist. 1) Ungleichfarbige Stellen,
Flecke mit gefärbten oder mit weißer als das übrige Papier her-
vortretenden Rändern oder Höfen deuten schon auf eine Anwen-
dung solcher chemischer Mittel

Zur Entdeckung dieser Betrugsweise hat die Wissenschaft eine
Reihe von Hülfsmitteln in Bereitschaft, von denen mindestens die
einfachern, deren Anwendung leicht und behende ist, Erwähnung
verdienen. Eine starke Erwärmung des verdächtigen Papiers
führt schon meistens mit Sicherheit auf die Entdeckung der Fäl-
schung. Legt man das verdächtige Papier zwischen zwei Bogen
Löschpapier und fährt mit einem wie zum gewöhnlichen Plätten
mäßig stark erhitzten Plätt- oder Bügeleisen darüber hin, so kom-
men, wenn auch das Papier ein noch so weißes Ansehen hat,

1) Wenn das Stempelpapier eine bestimmte gesetzliche Größe hat, so ist
auch auf die Größe des verdächtigen Documents zu sehen, ob es nicht etwa
beschnitten oder verwaschen ist. Durch das Waschen leidet sehr oft der
beschnittene Rand des Documents, sodaß er in Fasern ausläuft und neu be-
schnitten werden muß.

Wegen der Uebelſtände, welche das Radiren mit ſich bringt,
wählen die Fleppenmelochner zur Vertilgung der betreffenden
Stellen viel lieber chemiſche Agentien, beſonders die javelli-
ſche Lauge
(den gasförmigen Grundſtoff Chlor, das vom Waſſer
imbibirt wird), Salzſäure (chemiſche Verbindung von Chlor und
Waſſerſtoff), und Oxalſäure oder Kleeſäure (die Säure des
Sauerkleeſalzes, welches ſich, natürlich gebildet, im Safte der
oxalis acetosella findet), mit welchen Flüſſigkeiten ſich die Tinte
gänzlich wegwaſchen läßt, ſodaß ſogar auch ganze beſchriebene
Stempelbogen, mit Schonung des darauf befindlichen Stempels,
durchaus frei von der Schrift gewaſchen und als neue Stempel-
bogen verkauft werden.

Zunächſt kommt es hier zur Entdeckung der Fälſchung, wie
bei dem Radiren, ebenfalls auf die genaue Unterſuchung an, ob
die Schriftzüge vollkommen gleich, frei, unverfloſſen und rein ſind.
Vorzüglich wichtig iſt aber hier die Unterſuchung des Papiers,
ob es ſich an Farbe überall gleich iſt. 1) Ungleichfarbige Stellen,
Flecke mit gefärbten oder mit weißer als das übrige Papier her-
vortretenden Rändern oder Höfen deuten ſchon auf eine Anwen-
dung ſolcher chemiſcher Mittel

Zur Entdeckung dieſer Betrugsweiſe hat die Wiſſenſchaft eine
Reihe von Hülfsmitteln in Bereitſchaft, von denen mindeſtens die
einfachern, deren Anwendung leicht und behende iſt, Erwähnung
verdienen. Eine ſtarke Erwärmung des verdächtigen Papiers
führt ſchon meiſtens mit Sicherheit auf die Entdeckung der Fäl-
ſchung. Legt man das verdächtige Papier zwiſchen zwei Bogen
Löſchpapier und fährt mit einem wie zum gewöhnlichen Plätten
mäßig ſtark erhitzten Plätt- oder Bügeleiſen darüber hin, ſo kom-
men, wenn auch das Papier ein noch ſo weißes Anſehen hat,

1) Wenn das Stempelpapier eine beſtimmte geſetzliche Größe hat, ſo iſt
auch auf die Größe des verdächtigen Documents zu ſehen, ob es nicht etwa
beſchnitten oder verwaſchen iſt. Durch das Waſchen leidet ſehr oft der
beſchnittene Rand des Documents, ſodaß er in Faſern ausläuft und neu be-
ſchnitten werden muß.
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[303/0315] Wegen der Uebelſtände, welche das Radiren mit ſich bringt, wählen die Fleppenmelochner zur Vertilgung der betreffenden Stellen viel lieber chemiſche Agentien, beſonders die javelli- ſche Lauge (den gasförmigen Grundſtoff Chlor, das vom Waſſer imbibirt wird), Salzſäure (chemiſche Verbindung von Chlor und Waſſerſtoff), und Oxalſäure oder Kleeſäure (die Säure des Sauerkleeſalzes, welches ſich, natürlich gebildet, im Safte der oxalis acetosella findet), mit welchen Flüſſigkeiten ſich die Tinte gänzlich wegwaſchen läßt, ſodaß ſogar auch ganze beſchriebene Stempelbogen, mit Schonung des darauf befindlichen Stempels, durchaus frei von der Schrift gewaſchen und als neue Stempel- bogen verkauft werden. Zunächſt kommt es hier zur Entdeckung der Fälſchung, wie bei dem Radiren, ebenfalls auf die genaue Unterſuchung an, ob die Schriftzüge vollkommen gleich, frei, unverfloſſen und rein ſind. Vorzüglich wichtig iſt aber hier die Unterſuchung des Papiers, ob es ſich an Farbe überall gleich iſt. 1) Ungleichfarbige Stellen, Flecke mit gefärbten oder mit weißer als das übrige Papier her- vortretenden Rändern oder Höfen deuten ſchon auf eine Anwen- dung ſolcher chemiſcher Mittel Zur Entdeckung dieſer Betrugsweiſe hat die Wiſſenſchaft eine Reihe von Hülfsmitteln in Bereitſchaft, von denen mindeſtens die einfachern, deren Anwendung leicht und behende iſt, Erwähnung verdienen. Eine ſtarke Erwärmung des verdächtigen Papiers führt ſchon meiſtens mit Sicherheit auf die Entdeckung der Fäl- ſchung. Legt man das verdächtige Papier zwiſchen zwei Bogen Löſchpapier und fährt mit einem wie zum gewöhnlichen Plätten mäßig ſtark erhitzten Plätt- oder Bügeleiſen darüber hin, ſo kom- men, wenn auch das Papier ein noch ſo weißes Anſehen hat, 1) Wenn das Stempelpapier eine beſtimmte geſetzliche Größe hat, ſo iſt auch auf die Größe des verdächtigen Documents zu ſehen, ob es nicht etwa beſchnitten oder verwaſchen iſt. Durch das Waſchen leidet ſehr oft der beſchnittene Rand des Documents, ſodaß er in Faſern ausläuft und neu be- ſchnitten werden muß.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/315>, abgerufen am 25.04.2024.