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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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gegen den Bischof Waldrich von Laon, gegen den Grafen von
Amiens, die Aufstände zu Rheims und Sens, und viele andere
Meutereien der Art gaben bald ein lautes Zeugniß von dem
wesentlich durch Vernichtung des Adels heraufbeschworenen Geiste.
Der rohen Masse fehlte bei dem Wegfall der Adelsmacht die ver-
mittelnde Verbindung mit dem Königthum. Jn der unmittel-
baren
Berührung der Volksmasse mit dem Königthum bilde-
ten sich beide Factoren zum Gegensatze aus. Das Volk mit den
Waffen in der Hand war sich seiner physischen Uebermacht als
Masse bewußt geworden, und somit war die Ordnung verfallen,
der innere Friede gestört. Mit unerhörter Frechheit hausten sowol auf
dem Lande als auch sogar in den Städten mächtige Räuberbanden,
wie die sogenannten Dreißigtausend Teufel, die Funfzehntausend
Teufel, die Wegelagerer, die Menschenschinder u. s. w., zum großen
Theil unter Führung von Hauptleuten aus dem früher ersten Adel des
Landes, wie z. B. Jourdain Dufaiti um 1325, welcher mitten
in Paris ungestraft mit seiner Bande die frechsten Verbrechen be-
ging, und die wildesten Orgien in seinem Hotel mit seinen Spieß-
gesellen feierte. 1) Jn Laon, dem Hoflager des Königs, hatte
der Haufe es gewagt, den in die Häuser gelockten Landleuten
mit Gewalt die Baarschaft abzunehmen, ja sogar den königlichen
Stallknechten die zur Tränke geführten Pferde unter körperlichen
Mishandlungen zu rauben. 2) Die Entsittlichung und die Un-
sicherheit des Eigenthums wuchs im Verlaufe der Zeit mehr und
mehr. Nicht einmal Ludwig IX., einer der edelsten Herrscher,
konnte auch nur einigermaßen die innere Ordnung und Sicherheit
wiederherstellen. Ludwig XI. hatte den Generalprofoß, seinen
"Gevatter", beständig in seiner Begleitung, und suchte unter der
Schar der (von ihm massenhaft gehenkten) Zigeuner und Räu-

1) Ein anderer Räuberanführer, Aimerigor, der Schwarze, um 1418,
welcher mehrere Schlösser in Limoufin und in der Auvergne besaß, hauste in
der nächsten Umgebung von Paris und machte die frechsten Einfälle in die
Stadt.
2) Vgl. Hüllmann, a. a. O., III, 6.

gegen den Biſchof Waldrich von Laon, gegen den Grafen von
Amiens, die Aufſtände zu Rheims und Sens, und viele andere
Meutereien der Art gaben bald ein lautes Zeugniß von dem
weſentlich durch Vernichtung des Adels heraufbeſchworenen Geiſte.
Der rohen Maſſe fehlte bei dem Wegfall der Adelsmacht die ver-
mittelnde Verbindung mit dem Königthum. Jn der unmittel-
baren
Berührung der Volksmaſſe mit dem Königthum bilde-
ten ſich beide Factoren zum Gegenſatze aus. Das Volk mit den
Waffen in der Hand war ſich ſeiner phyſiſchen Uebermacht als
Maſſe bewußt geworden, und ſomit war die Ordnung verfallen,
der innere Friede geſtört. Mit unerhörter Frechheit hauſten ſowol auf
dem Lande als auch ſogar in den Städten mächtige Räuberbanden,
wie die ſogenannten Dreißigtauſend Teufel, die Funfzehntauſend
Teufel, die Wegelagerer, die Menſchenſchinder u. ſ. w., zum großen
Theil unter Führung von Hauptleuten aus dem früher erſten Adel des
Landes, wie z. B. Jourdain Dufaiti um 1325, welcher mitten
in Paris ungeſtraft mit ſeiner Bande die frechſten Verbrechen be-
ging, und die wildeſten Orgien in ſeinem Hotel mit ſeinen Spieß-
geſellen feierte. 1) Jn Laon, dem Hoflager des Königs, hatte
der Haufe es gewagt, den in die Häuſer gelockten Landleuten
mit Gewalt die Baarſchaft abzunehmen, ja ſogar den königlichen
Stallknechten die zur Tränke geführten Pferde unter körperlichen
Mishandlungen zu rauben. 2) Die Entſittlichung und die Un-
ſicherheit des Eigenthums wuchs im Verlaufe der Zeit mehr und
mehr. Nicht einmal Ludwig IX., einer der edelſten Herrſcher,
konnte auch nur einigermaßen die innere Ordnung und Sicherheit
wiederherſtellen. Ludwig XI. hatte den Generalprofoß, ſeinen
„Gevatter“, beſtändig in ſeiner Begleitung, und ſuchte unter der
Schar der (von ihm maſſenhaft gehenkten) Zigeuner und Räu-

1) Ein anderer Räuberanführer, Aimerigor, der Schwarze, um 1418,
welcher mehrere Schlöſſer in Limoufin und in der Auvergne beſaß, hauſte in
der nächſten Umgebung von Paris und machte die frechſten Einfälle in die
Stadt.
2) Vgl. Hüllmann, a. a. O., III, 6.
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[344/0356] gegen den Biſchof Waldrich von Laon, gegen den Grafen von Amiens, die Aufſtände zu Rheims und Sens, und viele andere Meutereien der Art gaben bald ein lautes Zeugniß von dem weſentlich durch Vernichtung des Adels heraufbeſchworenen Geiſte. Der rohen Maſſe fehlte bei dem Wegfall der Adelsmacht die ver- mittelnde Verbindung mit dem Königthum. Jn der unmittel- baren Berührung der Volksmaſſe mit dem Königthum bilde- ten ſich beide Factoren zum Gegenſatze aus. Das Volk mit den Waffen in der Hand war ſich ſeiner phyſiſchen Uebermacht als Maſſe bewußt geworden, und ſomit war die Ordnung verfallen, der innere Friede geſtört. Mit unerhörter Frechheit hauſten ſowol auf dem Lande als auch ſogar in den Städten mächtige Räuberbanden, wie die ſogenannten Dreißigtauſend Teufel, die Funfzehntauſend Teufel, die Wegelagerer, die Menſchenſchinder u. ſ. w., zum großen Theil unter Führung von Hauptleuten aus dem früher erſten Adel des Landes, wie z. B. Jourdain Dufaiti um 1325, welcher mitten in Paris ungeſtraft mit ſeiner Bande die frechſten Verbrechen be- ging, und die wildeſten Orgien in ſeinem Hotel mit ſeinen Spieß- geſellen feierte. 1) Jn Laon, dem Hoflager des Königs, hatte der Haufe es gewagt, den in die Häuſer gelockten Landleuten mit Gewalt die Baarſchaft abzunehmen, ja ſogar den königlichen Stallknechten die zur Tränke geführten Pferde unter körperlichen Mishandlungen zu rauben. 2) Die Entſittlichung und die Un- ſicherheit des Eigenthums wuchs im Verlaufe der Zeit mehr und mehr. Nicht einmal Ludwig IX., einer der edelſten Herrſcher, konnte auch nur einigermaßen die innere Ordnung und Sicherheit wiederherſtellen. Ludwig XI. hatte den Generalprofoß, ſeinen „Gevatter“, beſtändig in ſeiner Begleitung, und ſuchte unter der Schar der (von ihm maſſenhaft gehenkten) Zigeuner und Räu- 1) Ein anderer Räuberanführer, Aimerigor, der Schwarze, um 1418, welcher mehrere Schlöſſer in Limoufin und in der Auvergne beſaß, hauſte in der nächſten Umgebung von Paris und machte die frechſten Einfälle in die Stadt. 2) Vgl. Hüllmann, a. a. O., III, 6.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/356>, abgerufen am 23.11.2024.