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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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daß ein jeder repräsentationsfähige oder dafür gehaltene Staats-
beamte auch Polizeichef sein könne, während in entgegengesetzter
Hinsicht die ernste Wahrheit nicht immer genügend berücksichtigt
wird, daß mit dem tüchtigen, gründlich gebildeten Polizeichef,
welcher mehr ist als Figurant, der Behörde die Seele genommen
und der Organismus des ganzen Körpers zerstört wird.



Achtundneunzigstes Kapitel.
d) Die Modification der militärischen Organisation
der Polizei
.

Als ein ganz seltsamer Fehlgriff erscheint die durchgehende
militärische Organisation der Polizei, welche schon als Civilbe-
hörde ja doch nicht einmal unter Militärinstanzen, sondern unter
Civilinstanzen steht. Die doppelbündige hemmende Form flößt
schon in der äußern Erscheinung nicht nur dem Bürgerthum, son-
dern auch ganz besonders dem als eigenthümlichen Ehrenstand
ausgezeichneten Soldatenstande eine so tiefe Abneigung ein, daß
man zu Gunsten beider wünschen muß, die Polizei mit dem Sol-
datenthum und das Soldatenthum mit der Polizei zu verschonen. 1)
Sie ist eine entschieden unfruchtbare Zwitterform, die man in
keinem andern Verwaltungszweige auch nur ähnlich findet. Sie
verdankt ihren Ursprung dem Princip der figuranten Repräsenta-
tion, das in dem Streben nach Darlegung polizeilichen Vermög-
nisses, und in Ermangelung eines innern lebendigen und kräftigen
Organismus die glänzende äußere soldatische Form und Disciplin
wählte, dabei aber die Staatsdienstkleidung nicht von dem Militär-

1) Ueber das Verhältniß beider wesentlich verschiedener Factoren ver-
gleiche man: "Der Soldat als Beistand der Polizei" u. s. w., von einem
königlich preußischen Offizier (Weimar 1802); ferner die vortreffliche preu-
ßische "Jnstruction für die Wachen in Hinsicht der von ihnen vorzunehmen-
den vorläufigen Ergreifungen und förmlichen Verhaftungen" vom 27. Juli
1850; Simon und Rönne, "Polizeirecht des Preußischen Staats", Supple-
mentband 2, S. 231 fg.

daß ein jeder repräſentationsfähige oder dafür gehaltene Staats-
beamte auch Polizeichef ſein könne, während in entgegengeſetzter
Hinſicht die ernſte Wahrheit nicht immer genügend berückſichtigt
wird, daß mit dem tüchtigen, gründlich gebildeten Polizeichef,
welcher mehr iſt als Figurant, der Behörde die Seele genommen
und der Organismus des ganzen Körpers zerſtört wird.



Achtundneunzigſtes Kapitel.
d) Die Modification der militäriſchen Organiſation
der Polizei
.

Als ein ganz ſeltſamer Fehlgriff erſcheint die durchgehende
militäriſche Organiſation der Polizei, welche ſchon als Civilbe-
hörde ja doch nicht einmal unter Militärinſtanzen, ſondern unter
Civilinſtanzen ſteht. Die doppelbündige hemmende Form flößt
ſchon in der äußern Erſcheinung nicht nur dem Bürgerthum, ſon-
dern auch ganz beſonders dem als eigenthümlichen Ehrenſtand
ausgezeichneten Soldatenſtande eine ſo tiefe Abneigung ein, daß
man zu Gunſten beider wünſchen muß, die Polizei mit dem Sol-
datenthum und das Soldatenthum mit der Polizei zu verſchonen. 1)
Sie iſt eine entſchieden unfruchtbare Zwitterform, die man in
keinem andern Verwaltungszweige auch nur ähnlich findet. Sie
verdankt ihren Urſprung dem Princip der figuranten Repräſenta-
tion, das in dem Streben nach Darlegung polizeilichen Vermög-
niſſes, und in Ermangelung eines innern lebendigen und kräftigen
Organismus die glänzende äußere ſoldatiſche Form und Disciplin
wählte, dabei aber die Staatsdienſtkleidung nicht von dem Militär-

1) Ueber das Verhältniß beider weſentlich verſchiedener Factoren ver-
gleiche man: „Der Soldat als Beiſtand der Polizei“ u. ſ. w., von einem
königlich preußiſchen Offizier (Weimar 1802); ferner die vortreffliche preu-
ßiſche „Jnſtruction für die Wachen in Hinſicht der von ihnen vorzunehmen-
den vorläufigen Ergreifungen und förmlichen Verhaftungen“ vom 27. Juli
1850; Simon und Rönne, „Polizeirecht des Preußiſchen Staats“, Supple-
mentband 2, S. 231 fg.
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[360/0372] daß ein jeder repräſentationsfähige oder dafür gehaltene Staats- beamte auch Polizeichef ſein könne, während in entgegengeſetzter Hinſicht die ernſte Wahrheit nicht immer genügend berückſichtigt wird, daß mit dem tüchtigen, gründlich gebildeten Polizeichef, welcher mehr iſt als Figurant, der Behörde die Seele genommen und der Organismus des ganzen Körpers zerſtört wird. Achtundneunzigſtes Kapitel. d) Die Modification der militäriſchen Organiſation der Polizei. Als ein ganz ſeltſamer Fehlgriff erſcheint die durchgehende militäriſche Organiſation der Polizei, welche ſchon als Civilbe- hörde ja doch nicht einmal unter Militärinſtanzen, ſondern unter Civilinſtanzen ſteht. Die doppelbündige hemmende Form flößt ſchon in der äußern Erſcheinung nicht nur dem Bürgerthum, ſon- dern auch ganz beſonders dem als eigenthümlichen Ehrenſtand ausgezeichneten Soldatenſtande eine ſo tiefe Abneigung ein, daß man zu Gunſten beider wünſchen muß, die Polizei mit dem Sol- datenthum und das Soldatenthum mit der Polizei zu verſchonen. 1) Sie iſt eine entſchieden unfruchtbare Zwitterform, die man in keinem andern Verwaltungszweige auch nur ähnlich findet. Sie verdankt ihren Urſprung dem Princip der figuranten Repräſenta- tion, das in dem Streben nach Darlegung polizeilichen Vermög- niſſes, und in Ermangelung eines innern lebendigen und kräftigen Organismus die glänzende äußere ſoldatiſche Form und Disciplin wählte, dabei aber die Staatsdienſtkleidung nicht von dem Militär- 1) Ueber das Verhältniß beider weſentlich verſchiedener Factoren ver- gleiche man: „Der Soldat als Beiſtand der Polizei“ u. ſ. w., von einem königlich preußiſchen Offizier (Weimar 1802); ferner die vortreffliche preu- ßiſche „Jnſtruction für die Wachen in Hinſicht der von ihnen vorzunehmen- den vorläufigen Ergreifungen und förmlichen Verhaftungen“ vom 27. Juli 1850; Simon und Rönne, „Polizeirecht des Preußiſchen Staats“, Supple- mentband 2, S. 231 fg.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/372>, abgerufen am 24.11.2024.