in den Handwerkerstand über. Mit der Sitte blieb auch die Sprache rein und deutsch, und das von der Fremde hereingetragene Gute wurde nur zur glücklichen deutschen Analogie und fand stets seine treffende deutsche Bezeichnung, die mit ehrlicher Treue durch Jahr- hunderte beibehalten und nur dann für lächerlich und abgeschmackt erklärt wurde, als man das Alte nicht mehr verstehen konnte und deshalb geringschätzig behandelte. Darum hat erst die neuere Zeit mit dem Wandel und der Zersetzung zünftiger Sitte auch fremde Ausdrücke in die Handwerkersprache gebracht, und bedenklich, nicht mehr komisch erscheint es, wenn, während früher der Hand- werker mit dem Hauptbindestoff seiner zünftigen Arbeit, der Tisch- ler mit "Leim", der Schuhmacher mit "Draht", der Schneider mit "Zwirn" oder "Knöpfen" u. s. w. den nervus rerum bezeichnete, jetzt alle Handwerksburschen verstehen, daß der Gaunerausdruck "Moos" Geld bedeutet. Wie die flutende Beweglichkeit des Gaunerthums die ehrbare Wanderschaft der Zunftgesellen mit sich fortgerissen hat, daß es schwer hält, in der trüben Strömung die lautern Zu- thaten von den unlautern zu unterscheiden, so ist auch die Zunft- sprache in ihren alten Farbigkeit verblichen und mit Gauneraus- drücken durchmischt, sodaß die alte Erkenntniß des Zunftgenossen verloren gegangen, die Controle des Ab- und Zuwanderns in dem Paßbureau die widerlichste, trübste und vergeblichste Arbeit des Polizeimanns geworden ist und zum schweren Nachtheil und Miscredit der Polizei die schlimmsten Fehlgriffe auf den Bureaux und den Vigilanzstationen kaum noch zu vermeiden sind.
Zweiunddreißigstes Kapitel. e. Die Soldatensprache.
Datirt man den Anfang des heutigen stabilen Soldatenthums von dem Auftreten der ersten größern Söldnermassen und nicht erst von den durch Anlehnung an die fürstlichen Leibgarden des 17. Jahrhunderts eingerichteten stehenden Heeren des Dreißig-
in den Handwerkerſtand über. Mit der Sitte blieb auch die Sprache rein und deutſch, und das von der Fremde hereingetragene Gute wurde nur zur glücklichen deutſchen Analogie und fand ſtets ſeine treffende deutſche Bezeichnung, die mit ehrlicher Treue durch Jahr- hunderte beibehalten und nur dann für lächerlich und abgeſchmackt erklärt wurde, als man das Alte nicht mehr verſtehen konnte und deshalb geringſchätzig behandelte. Darum hat erſt die neuere Zeit mit dem Wandel und der Zerſetzung zünftiger Sitte auch fremde Ausdrücke in die Handwerkerſprache gebracht, und bedenklich, nicht mehr komiſch erſcheint es, wenn, während früher der Hand- werker mit dem Hauptbindeſtoff ſeiner zünftigen Arbeit, der Tiſch- ler mit „Leim“, der Schuhmacher mit „Draht“, der Schneider mit „Zwirn“ oder „Knöpfen“ u. ſ. w. den nervus rerum bezeichnete, jetzt alle Handwerksburſchen verſtehen, daß der Gaunerausdruck „Moos“ Geld bedeutet. Wie die flutende Beweglichkeit des Gaunerthums die ehrbare Wanderſchaft der Zunftgeſellen mit ſich fortgeriſſen hat, daß es ſchwer hält, in der trüben Strömung die lautern Zu- thaten von den unlautern zu unterſcheiden, ſo iſt auch die Zunft- ſprache in ihren alten Farbigkeit verblichen und mit Gauneraus- drücken durchmiſcht, ſodaß die alte Erkenntniß des Zunftgenoſſen verloren gegangen, die Controle des Ab- und Zuwanderns in dem Paßbureau die widerlichſte, trübſte und vergeblichſte Arbeit des Polizeimanns geworden iſt und zum ſchweren Nachtheil und Miscredit der Polizei die ſchlimmſten Fehlgriffe auf den Bureaux und den Vigilanzſtationen kaum noch zu vermeiden ſind.
Zweiunddreißigſtes Kapitel. η. Die Soldatenſprache.
Datirt man den Anfang des heutigen ſtabilen Soldatenthums von dem Auftreten der erſten größern Söldnermaſſen und nicht erſt von den durch Anlehnung an die fürſtlichen Leibgarden des 17. Jahrhunderts eingerichteten ſtehenden Heeren des Dreißig-
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in den Handwerkerſtand über. Mit der Sitte blieb auch die Sprache
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wurde nur zur glücklichen deutſchen Analogie und fand ſtets ſeine
treffende deutſche Bezeichnung, die mit ehrlicher Treue durch Jahr-
hunderte beibehalten und nur dann für lächerlich und abgeſchmackt
erklärt wurde, als man das Alte nicht mehr verſtehen konnte
und deshalb geringſchätzig behandelte. Darum hat erſt die neuere
Zeit mit dem Wandel und der Zerſetzung zünftiger Sitte auch
fremde Ausdrücke in die Handwerkerſprache gebracht, und bedenklich,
nicht mehr komiſch erſcheint es, wenn, während früher der Hand-
werker mit dem Hauptbindeſtoff ſeiner zünftigen Arbeit, der Tiſch-
ler mit „Leim“, der Schuhmacher mit „Draht“, der Schneider mit
„Zwirn“ oder „Knöpfen“ u. ſ. w. den nervus rerum bezeichnete, jetzt
alle Handwerksburſchen verſtehen, daß der Gaunerausdruck „Moos“
Geld bedeutet. Wie die flutende Beweglichkeit des Gaunerthums die
ehrbare Wanderſchaft der Zunftgeſellen mit ſich fortgeriſſen hat,
daß es ſchwer hält, in der trüben Strömung die lautern Zu-
thaten von den unlautern zu unterſcheiden, ſo iſt auch die Zunft-
ſprache in ihren alten Farbigkeit verblichen und mit Gauneraus-
drücken durchmiſcht, ſodaß die alte Erkenntniß des Zunftgenoſſen
verloren gegangen, die Controle des Ab- und Zuwanderns in
dem Paßbureau die widerlichſte, trübſte und vergeblichſte Arbeit
des Polizeimanns geworden iſt und zum ſchweren Nachtheil und
Miscredit der Polizei die ſchlimmſten Fehlgriffe auf den Bureaux
und den Vigilanzſtationen kaum noch zu vermeiden ſind.
Zweiunddreißigſtes Kapitel.
η. Die Soldatenſprache.
Datirt man den Anfang des heutigen ſtabilen Soldatenthums
von dem Auftreten der erſten größern Söldnermaſſen und nicht
erſt von den durch Anlehnung an die fürſtlichen Leibgarden des
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/153>, abgerufen am 21.11.2024.
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