der Form betrifft, bis zur Bedenklichkeit ungebunden und volks- mäßig derb ist. So ist anbeulen, den Kameraden oder Vor- gesetzten zum besten haben, heimlich chicaniren; Schindler, der Angeber; schuften gehen, verrathen, angeben, ansetzen; Blech- seppel (der gaunerische Hautz, Hauhns), Einfaltspinsel; Spinn- hase, Feigling; Fleischhacker oder Trampelthier, der Ca- valerist; Lakenpatscher oder Sandhase, der Jnfanterist; Spinatwächter, Polizeisoldat, Landjäger; Grünspecht, Laub- frosch, Heckensch -- r, Jäger. Die Geliebte des Soldaten (aller Waffengattungen) ist Haut, Fell, Schwarte neben unzähligen andern nicht füglich aufzuführenden Varianten über den Begriff des Aufgehens und Umstricktseins in Liebe. Gleich wichtig wie die "Haut" ist der Selcher, die Tabackspfeife, davon selchen, Taback rauchen. Der Regiments- oder Bataillonscommandeur ist, "so weit die deutsche Zunge klingt", der Alte, Olle, Ohl, Vadder. Je mehr sich der Offiziersgrad dem Soldaten nähert, je derber sind die Spitznamen. Meistens waltet der travestirte Vorname des Offiziers vor, wie Hinnik, Jochen u. s. w., und besonders irgendein auffällig vorgebrachtes Commandowort, z. B. Haupt- mann "Rrrrührt-euch"; Lieutenant "Hutt" (Halt); Wacht- meister "Zuppenich" (zupfe nicht, beim Zügelführen). Aehn- liche Benennungen finden sich auch im Französischen; so nennt der Franzose clarinette seine Flinte, aber auch den Offizier, der ihn heißt, seine Waffe "claire et nette" zu halten. Auch Körper- lichkeiten bleiben nicht unbeachtet, und der norddeutsche Soldat be- zeichnet mit besonderer Vorliebe jede aristokratisch geröthete Nase und ihren Träger mit Köhmsnut; daneben kommt Weep- steert1), Scheefbehn, Krallog, Kniepog, Piepklas u. s. w. vor. Der verhaßte Arrestverwalter ist der Rattenkönig, Rotten- vadder, Wanzencaptein, der Lazarethverwalter Matratzen- könig, Klystircaptein u. s. w. So entschieden persönlich die letzterwähnten Ausdrücke sind, so werden doch auch sie mit den allgemeinen Ausdrücken der Soldatensprache bei dem Rücktritt aus dem Soldatendienst in das Volk zurückgetragen, in welchem
1) d. h. Wippschwanz, niederd. Bezeichnung für die Bachstelze, Motacilla alba.
der Form betrifft, bis zur Bedenklichkeit ungebunden und volks- mäßig derb iſt. So iſt anbeulen, den Kameraden oder Vor- geſetzten zum beſten haben, heimlich chicaniren; Schindler, der Angeber; ſchuften gehen, verrathen, angeben, anſetzen; Blech- ſeppel (der gauneriſche Hautz, Hauhns), Einfaltspinſel; Spinn- haſe, Feigling; Fleiſchhacker oder Trampelthier, der Ca- valeriſt; Lakenpatſcher oder Sandhaſe, der Jnfanteriſt; Spinatwächter, Polizeiſoldat, Landjäger; Grünſpecht, Laub- froſch, Heckenſch — r, Jäger. Die Geliebte des Soldaten (aller Waffengattungen) iſt Haut, Fell, Schwarte neben unzähligen andern nicht füglich aufzuführenden Varianten über den Begriff des Aufgehens und Umſtricktſeins in Liebe. Gleich wichtig wie die „Haut“ iſt der Selcher, die Tabackspfeife, davon ſelchen, Taback rauchen. Der Regiments- oder Bataillonscommandeur iſt, „ſo weit die deutſche Zunge klingt“, der Alte, Olle, Ohl, Vadder. Je mehr ſich der Offiziersgrad dem Soldaten nähert, je derber ſind die Spitznamen. Meiſtens waltet der traveſtirte Vorname des Offiziers vor, wie Hinnik, Jochen u. ſ. w., und beſonders irgendein auffällig vorgebrachtes Commandowort, z. B. Haupt- mann „Rrrrührt-euch“; Lieutenant „Hutt“ (Halt); Wacht- meiſter „Zuppenich“ (zupfe nicht, beim Zügelführen). Aehn- liche Benennungen finden ſich auch im Franzöſiſchen; ſo nennt der Franzoſe clarinette ſeine Flinte, aber auch den Offizier, der ihn heißt, ſeine Waffe „claire et nette“ zu halten. Auch Körper- lichkeiten bleiben nicht unbeachtet, und der norddeutſche Soldat be- zeichnet mit beſonderer Vorliebe jede ariſtokratiſch geröthete Naſe und ihren Träger mit Köhmſnut; daneben kommt Weep- ſteert1), Scheefbehn, Krallog, Kniepog, Piepklas u. ſ. w. vor. Der verhaßte Arreſtverwalter iſt der Rattenkönig, Rotten- vadder, Wanzencaptein, der Lazarethverwalter Matratzen- könig, Klyſtircaptein u. ſ. w. So entſchieden perſönlich die letzterwähnten Ausdrücke ſind, ſo werden doch auch ſie mit den allgemeinen Ausdrücken der Soldatenſprache bei dem Rücktritt aus dem Soldatendienſt in das Volk zurückgetragen, in welchem
1) d. h. Wippſchwanz, niederd. Bezeichnung für die Bachſtelze, Motacilla alba.
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Angeber; ſchuften gehen, verrathen, angeben, anſetzen; Blech-
ſeppel (der gauneriſche Hautz, Hauhns), Einfaltspinſel; Spinn-
haſe, Feigling; Fleiſchhacker oder Trampelthier, der Ca-
valeriſt; Lakenpatſcher oder Sandhaſe, der Jnfanteriſt;
Spinatwächter, Polizeiſoldat, Landjäger; Grünſpecht, Laub-
froſch, Heckenſch — r, Jäger. Die Geliebte des Soldaten (aller
Waffengattungen) iſt Haut, Fell, Schwarte neben unzähligen
andern nicht füglich aufzuführenden Varianten über den Begriff
des Aufgehens und Umſtricktſeins in Liebe. Gleich wichtig wie die
„Haut“ iſt der Selcher, die Tabackspfeife, davon ſelchen, Taback
rauchen. Der Regiments- oder Bataillonscommandeur iſt, „ſo
weit die deutſche Zunge klingt“, der Alte, Olle, Ohl, Vadder.
Je mehr ſich der Offiziersgrad dem Soldaten nähert, je derber
ſind die Spitznamen. Meiſtens waltet der traveſtirte Vorname
des Offiziers vor, wie Hinnik, Jochen u. ſ. w., und beſonders
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mann „Rrrrührt-euch“; Lieutenant „Hutt“ (Halt); Wacht-
meiſter „Zuppenich“ (zupfe nicht, beim Zügelführen). Aehn-
liche Benennungen finden ſich auch im Franzöſiſchen; ſo nennt
der Franzoſe clarinette ſeine Flinte, aber auch den Offizier, der
ihn heißt, ſeine Waffe „claire et nette“ zu halten. Auch Körper-
lichkeiten bleiben nicht unbeachtet, und der norddeutſche Soldat be-
zeichnet mit beſonderer Vorliebe jede ariſtokratiſch geröthete Naſe
und ihren Träger mit Köhmſnut; daneben kommt Weep-
ſteert 1), Scheefbehn, Krallog, Kniepog, Piepklas u. ſ. w.
vor. Der verhaßte Arreſtverwalter iſt der Rattenkönig, Rotten-
vadder, Wanzencaptein, der Lazarethverwalter Matratzen-
könig, Klyſtircaptein u. ſ. w. So entſchieden perſönlich
die letzterwähnten Ausdrücke ſind, ſo werden doch auch ſie mit
den allgemeinen Ausdrücken der Soldatenſprache bei dem Rücktritt
aus dem Soldatendienſt in das Volk zurückgetragen, in welchem
1) d. h. Wippſchwanz, niederd. Bezeichnung für die Bachſtelze, Motacilla alba.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/160>, abgerufen am 16.02.2025.
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