Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

Gaunereien zu begehen, theils solche mindestens zu Gunsten ver-
trauter Genossen zu befördern und vom gemachten Gewinn seinen
Vortheil zu ziehen. Schon längst hat die Polizei durch scharfe
Fahrordnungen die frechen Zollschmuggeleien, die vielfachen Be-
trügereien, mit welchen die Agler1) ihre Dienstherren wie die
Passagiere durch Unterschlagung und Taxenübersetzung zu hinter-
gehen wissen, zu beseitigen gesucht. Doch ist das verkappte Gauner-
thum, welches durch die Agler auf den Kutschböcken repräsentirt
wird, noch lange nicht genug beachtet und durch genügende Maß-
regeln gebändigt worden. Der Agler, welcher von früh morgens
bis spät abends in Schnee, Sturm, Regen und Sonnenhitze auf
den Straßen und öffentlichen Plätzen zubringt, hat eher den Schein
gutmüthiger Harmlosigkeit für sich, als jedes andere verdächtige
Ansehen. Doch ist die Verbindung der Agler unter sich so wenig
zu leugnen wie die mit den ärgsten Gaunern. Das Unwesen
findet sich besonders in großen Städten. Die Agler beschränken
sich nicht allein auf die Beförderung ihrer diebischen Genossen,
Kuppler und Gelegenheitsmacher von einer Stelle zur andern,
sie geben ihren gaunerischen Verbündeten von ihrem Sitze, von
dem aus sie das dichte Gedränge öffentlicher Plätze und belebter
Straßen am besten übersehen können, geheime Zinken mit Blicken,
Zuruf, Handbewegungen und vor allem mit der Peitsche, welche
eins der merkwürdigsten und behendesten Mittel zum Zinkenen ist.
So ist z. B. das spielende Knippen mit der Peitsche, während
das Pferd steht, ein Warnungszinken zur Vorsicht. Starkes Klat-
schen gegen eine Seite des Pferdes, wobei dieses eine rasche Be-
wegung macht, bedeutet eine von dieser Seite drohende nahe
Gefahr. Vor allem sind die Agler die gesuchtesten Vertusser, in-
dem sie nach Verabredung ihr Pferd scharf strafen und wild machen,
um die Aufmerksamkeit der Menge von den handelnden Torf-
drückern oder Schottenfellern abzulenken. Sie sind mit ihren
Fahrzeugen die besten Wandmacher (Th. II, S. 230) und

1) [fremdsprachliches Material], aglon, oder [fremdsprachliches Material], agler, Kutscher, Fuhrmann; [fremdsprachliches Material], agole, Wagen.
Vgl. Th. II, S. 37, 90, 237 und das Wörterbuch.

Gaunereien zu begehen, theils ſolche mindeſtens zu Gunſten ver-
trauter Genoſſen zu befördern und vom gemachten Gewinn ſeinen
Vortheil zu ziehen. Schon längſt hat die Polizei durch ſcharfe
Fahrordnungen die frechen Zollſchmuggeleien, die vielfachen Be-
trügereien, mit welchen die Agler1) ihre Dienſtherren wie die
Paſſagiere durch Unterſchlagung und Taxenüberſetzung zu hinter-
gehen wiſſen, zu beſeitigen geſucht. Doch iſt das verkappte Gauner-
thum, welches durch die Agler auf den Kutſchböcken repräſentirt
wird, noch lange nicht genug beachtet und durch genügende Maß-
regeln gebändigt worden. Der Agler, welcher von früh morgens
bis ſpät abends in Schnee, Sturm, Regen und Sonnenhitze auf
den Straßen und öffentlichen Plätzen zubringt, hat eher den Schein
gutmüthiger Harmloſigkeit für ſich, als jedes andere verdächtige
Anſehen. Doch iſt die Verbindung der Agler unter ſich ſo wenig
zu leugnen wie die mit den ärgſten Gaunern. Das Unweſen
findet ſich beſonders in großen Städten. Die Agler beſchränken
ſich nicht allein auf die Beförderung ihrer diebiſchen Genoſſen,
Kuppler und Gelegenheitsmacher von einer Stelle zur andern,
ſie geben ihren gauneriſchen Verbündeten von ihrem Sitze, von
dem aus ſie das dichte Gedränge öffentlicher Plätze und belebter
Straßen am beſten überſehen können, geheime Zinken mit Blicken,
Zuruf, Handbewegungen und vor allem mit der Peitſche, welche
eins der merkwürdigſten und behendeſten Mittel zum Zinkenen iſt.
So iſt z. B. das ſpielende Knippen mit der Peitſche, während
das Pferd ſteht, ein Warnungszinken zur Vorſicht. Starkes Klat-
ſchen gegen eine Seite des Pferdes, wobei dieſes eine raſche Be-
wegung macht, bedeutet eine von dieſer Seite drohende nahe
Gefahr. Vor allem ſind die Agler die geſuchteſten Vertuſſer, in-
dem ſie nach Verabredung ihr Pferd ſcharf ſtrafen und wild machen,
um die Aufmerkſamkeit der Menge von den handelnden Torf-
drückern oder Schottenfellern abzulenken. Sie ſind mit ihren
Fahrzeugen die beſten Wandmacher (Th. II, S. 230) und

1) [fremdsprachliches Material], aglon, oder [fremdsprachliches Material], agler, Kutſcher, Fuhrmann; [fremdsprachliches Material], agole, Wagen.
Vgl. Th. II, S. 37, 90, 237 und das Wörterbuch.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0170" n="136"/>
Gaunereien zu begehen, theils &#x017F;olche minde&#x017F;tens zu Gun&#x017F;ten ver-<lb/>
trauter Geno&#x017F;&#x017F;en zu befördern und vom gemachten Gewinn &#x017F;einen<lb/>
Vortheil zu ziehen. Schon läng&#x017F;t hat die Polizei durch &#x017F;charfe<lb/>
Fahrordnungen die frechen Zoll&#x017F;chmuggeleien, die vielfachen Be-<lb/>
trügereien, mit welchen die <hi rendition="#g">Agler</hi><note place="foot" n="1)"><gap reason="fm"/>, <hi rendition="#aq">aglon</hi>, oder <gap reason="fm"/>, <hi rendition="#aq">agler</hi>, Kut&#x017F;cher, Fuhrmann; <gap reason="fm"/>, <hi rendition="#aq">agole</hi>, Wagen.<lb/>
Vgl. Th. <hi rendition="#aq">II</hi>, S. 37, 90, 237 und das Wörterbuch.</note> ihre Dien&#x017F;therren wie die<lb/>
Pa&#x017F;&#x017F;agiere durch Unter&#x017F;chlagung und Taxenüber&#x017F;etzung zu hinter-<lb/>
gehen wi&#x017F;&#x017F;en, zu be&#x017F;eitigen ge&#x017F;ucht. Doch i&#x017F;t das verkappte Gauner-<lb/>
thum, welches durch die Agler auf den Kut&#x017F;chböcken reprä&#x017F;entirt<lb/>
wird, noch lange nicht genug beachtet und durch genügende Maß-<lb/>
regeln gebändigt worden. Der Agler, welcher von früh morgens<lb/>
bis &#x017F;pät abends in Schnee, Sturm, Regen und Sonnenhitze auf<lb/>
den Straßen und öffentlichen Plätzen zubringt, hat eher den Schein<lb/>
gutmüthiger Harmlo&#x017F;igkeit für &#x017F;ich, als jedes andere verdächtige<lb/>
An&#x017F;ehen. Doch i&#x017F;t die Verbindung der Agler unter &#x017F;ich &#x017F;o wenig<lb/>
zu leugnen wie die mit den ärg&#x017F;ten Gaunern. Das Unwe&#x017F;en<lb/>
findet &#x017F;ich be&#x017F;onders in großen Städten. Die Agler be&#x017F;chränken<lb/>
&#x017F;ich nicht allein auf die Beförderung ihrer diebi&#x017F;chen Geno&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Kuppler und Gelegenheitsmacher von einer Stelle zur andern,<lb/>
&#x017F;ie geben ihren gauneri&#x017F;chen Verbündeten von ihrem Sitze, von<lb/>
dem aus &#x017F;ie das dichte Gedränge öffentlicher Plätze und belebter<lb/>
Straßen am be&#x017F;ten über&#x017F;ehen können, geheime Zinken mit Blicken,<lb/>
Zuruf, Handbewegungen und vor allem mit der Peit&#x017F;che, welche<lb/>
eins der merkwürdig&#x017F;ten und behende&#x017F;ten Mittel zum Zinkenen i&#x017F;t.<lb/>
So i&#x017F;t z. B. das &#x017F;pielende Knippen mit der Peit&#x017F;che, während<lb/>
das Pferd &#x017F;teht, ein Warnungszinken zur Vor&#x017F;icht. Starkes Klat-<lb/>
&#x017F;chen gegen eine Seite des Pferdes, wobei die&#x017F;es eine ra&#x017F;che Be-<lb/>
wegung macht, bedeutet eine von die&#x017F;er Seite drohende nahe<lb/>
Gefahr. Vor allem &#x017F;ind die Agler die ge&#x017F;uchte&#x017F;ten Vertu&#x017F;&#x017F;er, in-<lb/>
dem &#x017F;ie nach Verabredung ihr Pferd &#x017F;charf &#x017F;trafen und wild machen,<lb/>
um die Aufmerk&#x017F;amkeit der Menge von den handelnden Torf-<lb/>
drückern oder Schottenfellern abzulenken. Sie &#x017F;ind mit ihren<lb/>
Fahrzeugen die be&#x017F;ten <hi rendition="#g">Wandmacher</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II</hi>, S. 230) und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0170] Gaunereien zu begehen, theils ſolche mindeſtens zu Gunſten ver- trauter Genoſſen zu befördern und vom gemachten Gewinn ſeinen Vortheil zu ziehen. Schon längſt hat die Polizei durch ſcharfe Fahrordnungen die frechen Zollſchmuggeleien, die vielfachen Be- trügereien, mit welchen die Agler 1) ihre Dienſtherren wie die Paſſagiere durch Unterſchlagung und Taxenüberſetzung zu hinter- gehen wiſſen, zu beſeitigen geſucht. Doch iſt das verkappte Gauner- thum, welches durch die Agler auf den Kutſchböcken repräſentirt wird, noch lange nicht genug beachtet und durch genügende Maß- regeln gebändigt worden. Der Agler, welcher von früh morgens bis ſpät abends in Schnee, Sturm, Regen und Sonnenhitze auf den Straßen und öffentlichen Plätzen zubringt, hat eher den Schein gutmüthiger Harmloſigkeit für ſich, als jedes andere verdächtige Anſehen. Doch iſt die Verbindung der Agler unter ſich ſo wenig zu leugnen wie die mit den ärgſten Gaunern. Das Unweſen findet ſich beſonders in großen Städten. Die Agler beſchränken ſich nicht allein auf die Beförderung ihrer diebiſchen Genoſſen, Kuppler und Gelegenheitsmacher von einer Stelle zur andern, ſie geben ihren gauneriſchen Verbündeten von ihrem Sitze, von dem aus ſie das dichte Gedränge öffentlicher Plätze und belebter Straßen am beſten überſehen können, geheime Zinken mit Blicken, Zuruf, Handbewegungen und vor allem mit der Peitſche, welche eins der merkwürdigſten und behendeſten Mittel zum Zinkenen iſt. So iſt z. B. das ſpielende Knippen mit der Peitſche, während das Pferd ſteht, ein Warnungszinken zur Vorſicht. Starkes Klat- ſchen gegen eine Seite des Pferdes, wobei dieſes eine raſche Be- wegung macht, bedeutet eine von dieſer Seite drohende nahe Gefahr. Vor allem ſind die Agler die geſuchteſten Vertuſſer, in- dem ſie nach Verabredung ihr Pferd ſcharf ſtrafen und wild machen, um die Aufmerkſamkeit der Menge von den handelnden Torf- drückern oder Schottenfellern abzulenken. Sie ſind mit ihren Fahrzeugen die beſten Wandmacher (Th. II, S. 230) und 1) _ , aglon, oder _ , agler, Kutſcher, Fuhrmann; _ , agole, Wagen. Vgl. Th. II, S. 37, 90, 237 und das Wörterbuch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/170
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/170>, abgerufen am 24.11.2024.