Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.sentlich auf das Gaunerthum in Wien beschränkt worden zu sein, Wie in London mit rowdy, in Paris mit coupeur, goue- 1) Der Klingberg in Lübeck ist ein Marktplatz auf dem südlichen Theile
der Stadt, wo besonders Obst, Gemüse und Brennmaterial von den Land- leuten feilgeboten werden, und eine Anzahl träger und verkommener Subjecte zu finden ist, welche feste Arbeit scheuen und hier die Gelegenheit zu einzelnen Dienstleistungen suchen, um das verdiente Geld sogleich in den umliegenden Schenkhäusern zu verthun. Deshalb ist die Bezeichnung Klingberger eine verrufene und schimpfliche. Die übrigen Marktplätze sind durchaus nicht in ähnlicher Weise. verrufen. ſentlich auf das Gaunerthum in Wien beſchränkt worden zu ſein, Wie in London mit rowdy, in Paris mit coupeur, goue- 1) Der Klingberg in Lübeck iſt ein Marktplatz auf dem ſüdlichen Theile
der Stadt, wo beſonders Obſt, Gemüſe und Brennmaterial von den Land- leuten feilgeboten werden, und eine Anzahl träger und verkommener Subjecte zu finden iſt, welche feſte Arbeit ſcheuen und hier die Gelegenheit zu einzelnen Dienſtleiſtungen ſuchen, um das verdiente Geld ſogleich in den umliegenden Schenkhäuſern zu verthun. Deshalb iſt die Bezeichnung Klingberger eine verrufene und ſchimpfliche. Die übrigen Marktplätze ſind durchaus nicht in ähnlicher Weiſe. verrufen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0178" n="144"/> ſentlich auf das Gaunerthum in Wien beſchränkt worden zu ſein,<lb/> woſelbſt es als Collectivausdruck für den Abſchaum des Pöbels<lb/> gebraucht und als gleichbedeutend mit <hi rendition="#g">Wieſener</hi> verwechſelt wor-<lb/> den iſt. Doch läßt ſchon das Alter und die ausgedehnte Volks-<lb/> bräuchlichkeit des Wortes auf ſeinen weiten Gebrauch in der<lb/> Gaunerſprache ſchließen und <hi rendition="#g">Fiſelſprache</hi> ſich wol am tref-<lb/> fendſten mit „Sprache der Kerle“ überſetzen.</p><lb/> <p>Wie in London mit <hi rendition="#aq">rowdy</hi>, in Paris mit <hi rendition="#aq">coupeur, goue-<lb/> peur (gouâpeur)</hi>, in Berlin mit <hi rendition="#g">Junge, Bummler,</hi> in Ham-<lb/> burg mit <hi rendition="#g">Buttje</hi> (vom holl. <hi rendition="#aq">bot</hi>, ſtumpf, plump, roh), in Lübeck<lb/> mit Bruder, Brenner, Klingberger<note place="foot" n="1)">Der Klingberg in Lübeck iſt ein Marktplatz auf dem ſüdlichen Theile<lb/> der Stadt, wo beſonders Obſt, Gemüſe und Brennmaterial von den Land-<lb/> leuten feilgeboten werden, und eine Anzahl träger und verkommener Subjecte<lb/> zu finden iſt, welche feſte Arbeit ſcheuen und hier die Gelegenheit zu einzelnen<lb/> Dienſtleiſtungen ſuchen, um das verdiente Geld ſogleich in den umliegenden<lb/> Schenkhäuſern zu verthun. Deshalb iſt die Bezeichnung Klingberger eine<lb/> verrufene und ſchimpfliche. Die übrigen Marktplätze ſind durchaus nicht in<lb/> ähnlicher Weiſe. verrufen.</note> u. ſ. w., ſo bezeichnet man<lb/> in Wien allgemein mit <hi rendition="#g">Fieſel</hi> den Strichbuben, Straßter, Freier<lb/> (vgl. Sprache der Freudenmädchen), Dieb, Stromer, Kappelbuben,<lb/> Kappler, Kurzkrämpler, Strizi, Strichler, Straves, Straveszünder,<lb/> Radibuben, Beißer, Hacker, Strotter, Lerchenfelder Buben, Wie-<lb/> ſener u. ſ. w., um den niedrigſten Pöbel damit zu bezeichnen. Die<lb/> wiener Fieſel zeichnen ſich durch auffallend kecke Kleidertracht aus,<lb/> beſonders durch ihre Hüte mit einer nur daumenbreiten Krämpe,<lb/> daher <hi rendition="#g">Kurzkrämpler,</hi> oder durch ihre verwegen auf den Kopf<lb/> geſetzten Kappen, daher <hi rendition="#g">Kappelbuben,</hi> ſowie durch ihre eigen-<lb/> thümliche Sprache (in Wien vorzugsweiſe vor der Fieſel-<lb/> ſprache <hi rendition="#g">Wieſenerſprache</hi> genannt, von der „Wieſe“, einer<lb/> übelberüchtigten Gegend der wiener Vorſtädte), welche mit auto-<lb/> krater Gewalt in die ganze Gaunerſprache eingreift, ſehr vielen<lb/> allgemein geläufigen Gaunerausdrücken noch eine ſpecielle Be-<lb/> deutung aufdringt und deshalb in hohem Grade bemerkenswerth<lb/> iſt. Wegen der Kühnheit, mit welcher jene ihre Diebſtähle aus-<lb/> führen, ſind ſie allgemein gefürchtet. Auch Beiſpiele von Raub-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0178]
ſentlich auf das Gaunerthum in Wien beſchränkt worden zu ſein,
woſelbſt es als Collectivausdruck für den Abſchaum des Pöbels
gebraucht und als gleichbedeutend mit Wieſener verwechſelt wor-
den iſt. Doch läßt ſchon das Alter und die ausgedehnte Volks-
bräuchlichkeit des Wortes auf ſeinen weiten Gebrauch in der
Gaunerſprache ſchließen und Fiſelſprache ſich wol am tref-
fendſten mit „Sprache der Kerle“ überſetzen.
Wie in London mit rowdy, in Paris mit coupeur, goue-
peur (gouâpeur), in Berlin mit Junge, Bummler, in Ham-
burg mit Buttje (vom holl. bot, ſtumpf, plump, roh), in Lübeck
mit Bruder, Brenner, Klingberger 1) u. ſ. w., ſo bezeichnet man
in Wien allgemein mit Fieſel den Strichbuben, Straßter, Freier
(vgl. Sprache der Freudenmädchen), Dieb, Stromer, Kappelbuben,
Kappler, Kurzkrämpler, Strizi, Strichler, Straves, Straveszünder,
Radibuben, Beißer, Hacker, Strotter, Lerchenfelder Buben, Wie-
ſener u. ſ. w., um den niedrigſten Pöbel damit zu bezeichnen. Die
wiener Fieſel zeichnen ſich durch auffallend kecke Kleidertracht aus,
beſonders durch ihre Hüte mit einer nur daumenbreiten Krämpe,
daher Kurzkrämpler, oder durch ihre verwegen auf den Kopf
geſetzten Kappen, daher Kappelbuben, ſowie durch ihre eigen-
thümliche Sprache (in Wien vorzugsweiſe vor der Fieſel-
ſprache Wieſenerſprache genannt, von der „Wieſe“, einer
übelberüchtigten Gegend der wiener Vorſtädte), welche mit auto-
krater Gewalt in die ganze Gaunerſprache eingreift, ſehr vielen
allgemein geläufigen Gaunerausdrücken noch eine ſpecielle Be-
deutung aufdringt und deshalb in hohem Grade bemerkenswerth
iſt. Wegen der Kühnheit, mit welcher jene ihre Diebſtähle aus-
führen, ſind ſie allgemein gefürchtet. Auch Beiſpiele von Raub-
1) Der Klingberg in Lübeck iſt ein Marktplatz auf dem ſüdlichen Theile
der Stadt, wo beſonders Obſt, Gemüſe und Brennmaterial von den Land-
leuten feilgeboten werden, und eine Anzahl träger und verkommener Subjecte
zu finden iſt, welche feſte Arbeit ſcheuen und hier die Gelegenheit zu einzelnen
Dienſtleiſtungen ſuchen, um das verdiente Geld ſogleich in den umliegenden
Schenkhäuſern zu verthun. Deshalb iſt die Bezeichnung Klingberger eine
verrufene und ſchimpfliche. Die übrigen Marktplätze ſind durchaus nicht in
ähnlicher Weiſe. verrufen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |