Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.Theil mit schamlosen Holzschnitten illustrirt, in großer Fülle bei 1) Adelung, II, 392, hat: "Das Galimatias (spr. Galimatia) plur. ut
nom. sing. aus dem französischen galimatias, in den schönen Wissenschaften eine ungeschickte Verbindung widereinander laufender Begriffe und Bilder, welche keinen vernünftigen Verstand gewähren, Unsinn; bei den Engländern Nonsense." Noch kürzer fertigt Heinsius, II, 268, das Wort ab: "Galimathias, Wortge- wirre. Unsinn." Schwenck hat S. 204: "Das, der Galimatias, Unsinn, unsin- niges Geschwätz, frz. galimatias (engl. galimaufrey, gallimafry, Mischmasch, gallimatia, galimatias)." Das Wort Galimatias scheint wirklich erst zu Ende des 17. Jahrhunderts gebildet zu sein, da von Stieker, "Sprachschatz", das Wort gar nicht kennt. Es fehlt überall die Etymologie. Shakspeare gebraucht gallimaufrey für woman. Jn der englischen Volkssprache ist gallimaufrey für hodge-podge Gemenge von zusammengekochten Jngredienzen (remnants and scraps of the larder), und ganz in das Französische übergegangen, wo gali- matree ein Gericht von übriggebliebenen Stückchen Fleisch, Fricassee, bedeutet. Eine Beziehung des Gali auf walisc, welsch, scheint kaum angenommen wer- Theil mit ſchamloſen Holzſchnitten illuſtrirt, in großer Fülle bei 1) Adelung, II, 392, hat: „Das Galimatias (ſpr. Galimatià) plur. ut
nom. sing. aus dem franzöſiſchen galimatias, in den ſchönen Wiſſenſchaften eine ungeſchickte Verbindung widereinander laufender Begriffe und Bilder, welche keinen vernünftigen Verſtand gewähren, Unſinn; bei den Engländern Nonsense.“ Noch kürzer fertigt Heinſius, II, 268, das Wort ab: „Galimathias, Wortge- wirre. Unſinn.“ Schwenck hat S. 204: „Das, der Galimatias, Unſinn, unſin- niges Geſchwätz, frz. galimatias (engl. galimaufrey, gallimafry, Miſchmaſch, gallimatia, galimatias).“ Das Wort Galimatias ſcheint wirklich erſt zu Ende des 17. Jahrhunderts gebildet zu ſein, da von Stieker, „Sprachſchatz“, das Wort gar nicht kennt. Es fehlt überall die Etymologie. Shakſpeare gebraucht gallimaufrey für woman. Jn der engliſchen Volksſprache iſt gallimaufrey für hodge-podge Gemenge von zuſammengekochten Jngredienzen (remnants and scraps of the larder), und ganz in das Franzöſiſche übergegangen, wo gali- matrée ein Gericht von übriggebliebenen Stückchen Fleiſch, Fricaſſée, bedeutet. Eine Beziehung des Gali auf walisc, welſch, ſcheint kaum angenommen wer- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0212" n="178"/> Theil mit ſchamloſen Holzſchnitten illuſtrirt, in großer Fülle bei<lb/> Tabourot findet. Der deutſche Sinn und der Geiſt der deutſchen<lb/> Sprache widerſtand eine Zeit lang dieſem ſchlecht candirten Zoten-<lb/> weſen, bis man gegen Ende des 16. Jahrhunderts die franzöſiſche<lb/> Sprache in Deutſchland zu begünſtigen anfing und damit auch<lb/> alle Leichtfertigkeit und die <hi rendition="#aq">équivoques</hi> kennen lernte und reci-<lb/> pirte. Dazu verirrte ſich der deutſche Fleiß der iſolirten Gelehrten<lb/> tief in die zaubermyſtiſchen Studien, die nicht einmal den Namen<lb/> der kabbaliſtiſchen Forſchung verdienen. Die Kenntniß der hebräi-<lb/> ſchen Sprache war mit wenig Ausnahmen ſo dürftig, wie der<lb/> Haß gegen das Judenthum zu groß war, als daß ſich das Ge-<lb/> lehrtenthum mit gründlichen Studien der ſchwierigen, ſpecifiſch<lb/> jüdiſchen Kabbala hätte befaſſen ſollen. Die Zaubermyſtiker ſtie-<lb/> ßen nur gelegentlich auf rohe Aphorismen der Kabbala, welche<lb/> ſie nicht begriffen, an deren geheime Wirkung ſie aber glaubten<lb/> und welche ſie zu den größten Sprachtollheiten verſetzten und ver-<lb/> größerten. Die Sprache der Zauberbücher des 16. und 17. Jahr-<lb/> hunderts iſt nur in dieſer Weiſe möglich geworden, obſchon ſie in<lb/> keiner ſyſtematiſchen Weiſe zu erklären, ſondern immer nur als<lb/> kahle Maſſe verſeſſener, wüſter und idioter Willkür der ſpecifiſchen<lb/> Subjectivität aufzufaſſen iſt. Die Zeit der Zauberbücher war ſchon<lb/> das goldene Zeitalter des Galimatias <note xml:id="seg2pn_23_1" next="#seg2pn_23_2" place="foot" n="1)">Adelung, <hi rendition="#aq">II</hi>, 392, hat: „Das Galimatias (ſpr. Galimatià) <hi rendition="#aq">plur. ut<lb/> nom. sing.</hi> aus dem franzöſiſchen <hi rendition="#aq">galimatias,</hi> in den ſchönen Wiſſenſchaften<lb/> eine ungeſchickte Verbindung widereinander laufender Begriffe und Bilder, welche<lb/> keinen vernünftigen Verſtand gewähren, Unſinn; bei den Engländern <hi rendition="#aq">Nonsense.</hi>“<lb/> Noch kürzer fertigt Heinſius, <hi rendition="#aq">II</hi>, 268, das Wort ab: „Galimathias, Wortge-<lb/> wirre. Unſinn.“ Schwenck hat S. 204: „Das, der Galimatias, Unſinn, unſin-<lb/> niges Geſchwätz, frz. <hi rendition="#aq">galimatias</hi> (engl. <hi rendition="#aq">galimaufrey, gallimafry,</hi> Miſchmaſch,<lb/><hi rendition="#aq">gallimatia, galimatias</hi>).“ Das Wort Galimatias ſcheint wirklich erſt zu Ende<lb/> des 17. Jahrhunderts gebildet zu ſein, da von Stieker, „Sprachſchatz“, das<lb/> Wort gar nicht kennt. Es fehlt überall die Etymologie. Shakſpeare gebraucht<lb/><hi rendition="#aq">gallimaufrey</hi> für <hi rendition="#aq">woman.</hi> Jn der engliſchen Volksſprache iſt <hi rendition="#aq">gallimaufrey</hi> für<lb/><hi rendition="#aq">hodge-podge</hi> Gemenge von zuſammengekochten Jngredienzen (<hi rendition="#aq">remnants and<lb/> scraps of the larder</hi>), und ganz in das Franzöſiſche übergegangen, wo <hi rendition="#aq">gali-<lb/> matrée</hi> ein Gericht von übriggebliebenen Stückchen Fleiſch, Fricaſſée, bedeutet.<lb/> Eine Beziehung des Gali auf <hi rendition="#aq">walisc,</hi> welſch, ſcheint kaum angenommen wer-</note>, obſchon dieſer brandmar-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0212]
Theil mit ſchamloſen Holzſchnitten illuſtrirt, in großer Fülle bei
Tabourot findet. Der deutſche Sinn und der Geiſt der deutſchen
Sprache widerſtand eine Zeit lang dieſem ſchlecht candirten Zoten-
weſen, bis man gegen Ende des 16. Jahrhunderts die franzöſiſche
Sprache in Deutſchland zu begünſtigen anfing und damit auch
alle Leichtfertigkeit und die équivoques kennen lernte und reci-
pirte. Dazu verirrte ſich der deutſche Fleiß der iſolirten Gelehrten
tief in die zaubermyſtiſchen Studien, die nicht einmal den Namen
der kabbaliſtiſchen Forſchung verdienen. Die Kenntniß der hebräi-
ſchen Sprache war mit wenig Ausnahmen ſo dürftig, wie der
Haß gegen das Judenthum zu groß war, als daß ſich das Ge-
lehrtenthum mit gründlichen Studien der ſchwierigen, ſpecifiſch
jüdiſchen Kabbala hätte befaſſen ſollen. Die Zaubermyſtiker ſtie-
ßen nur gelegentlich auf rohe Aphorismen der Kabbala, welche
ſie nicht begriffen, an deren geheime Wirkung ſie aber glaubten
und welche ſie zu den größten Sprachtollheiten verſetzten und ver-
größerten. Die Sprache der Zauberbücher des 16. und 17. Jahr-
hunderts iſt nur in dieſer Weiſe möglich geworden, obſchon ſie in
keiner ſyſtematiſchen Weiſe zu erklären, ſondern immer nur als
kahle Maſſe verſeſſener, wüſter und idioter Willkür der ſpecifiſchen
Subjectivität aufzufaſſen iſt. Die Zeit der Zauberbücher war ſchon
das goldene Zeitalter des Galimatias 1), obſchon dieſer brandmar-
1) Adelung, II, 392, hat: „Das Galimatias (ſpr. Galimatià) plur. ut
nom. sing. aus dem franzöſiſchen galimatias, in den ſchönen Wiſſenſchaften
eine ungeſchickte Verbindung widereinander laufender Begriffe und Bilder, welche
keinen vernünftigen Verſtand gewähren, Unſinn; bei den Engländern Nonsense.“
Noch kürzer fertigt Heinſius, II, 268, das Wort ab: „Galimathias, Wortge-
wirre. Unſinn.“ Schwenck hat S. 204: „Das, der Galimatias, Unſinn, unſin-
niges Geſchwätz, frz. galimatias (engl. galimaufrey, gallimafry, Miſchmaſch,
gallimatia, galimatias).“ Das Wort Galimatias ſcheint wirklich erſt zu Ende
des 17. Jahrhunderts gebildet zu ſein, da von Stieker, „Sprachſchatz“, das
Wort gar nicht kennt. Es fehlt überall die Etymologie. Shakſpeare gebraucht
gallimaufrey für woman. Jn der engliſchen Volksſprache iſt gallimaufrey für
hodge-podge Gemenge von zuſammengekochten Jngredienzen (remnants and
scraps of the larder), und ganz in das Franzöſiſche übergegangen, wo gali-
matrée ein Gericht von übriggebliebenen Stückchen Fleiſch, Fricaſſée, bedeutet.
Eine Beziehung des Gali auf walisc, welſch, ſcheint kaum angenommen wer-
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