Galimatias sogar zur pädagogischen Methode sich construirt hatte, und wie weit und tief die unselige Erscheinung in das socialpoli- tische Leben eingedrungen war.
Der aus den Zauberbüchern geflohene Geist der Stegano- graphie wurde jedoch vorzüglich durch die feine Kunst des Cardi- nals Richelieu, welcher sich der Geheimschrift zu seinen versteckten Jntriguen besonders bediente, der Staatspolitik dienstbar gemacht und auch in den deutschen Cabineten bis zur höchsten Blüte cul- tivirt. Dem Volke blieb diese Kunst verborgen. Aber wiederum glückte es der so neugierigen wie arbeitslustigen Stubengelehrsam- keit, einige Brocken davon aufzufangen, welche sie nun nach ihrer Weise systematisch zu bearbeiten begann. Sie wußte aber nicht wohin mit ihren müßigen Producten und schob, da das niedrigste Volksleben und in und mit ihm das Gaunerthum mit seiner Kunst und Sprache so frech und sichtbar sich hervordrängte, ihre Stubensprachspielereien geradezu der geheimnißvollen Gaunersprache unter, ohne von Geist und Wesen derselben einen richtigen Be- griff zu haben. So wurde denn dem Gaunerthum jenes wunder- liche Rotwelsch aufgebürdet, welches der wackere Schottelius in seiner "Ausführlichen Arbeit der Teutschen Haubt-Sprache", S. 1265 fg., und in modificirter Weise Moscherosch, II, 601, sechstes Gesicht, dargestellt hat. Alle diese Darstellungen sind Ba- starde der Steganographie, aber trotz des äußern rationellen Scheins so entschiedener Galimatias, daß es schon aus dem oberflächlich- sten Vergleich der Wortfügung mit dem besondern Geist und Bau der Gaunersprache, ja nur der behenden Bewegung des Gauner- thums überhaupt sich ergibt, wie dasselbe sich niemals mit dieser plumpen Ausdrucksweise behelfen konnte, und daß es nicht einmal der Anführung der erwiesenen Thatsache bedarf, wie das Gauner- thum wirklich niemals diese Ausdrucksweise trotz ihrer übermüthi- gen Sprachgewaltthätigkeit auf- und angenommen hat. Doch ist ein näheres Eingehen auf diese Darstellungen um so unabweis- licher, als Thiele, ungeachtet er den allerdings ganz unberufenen von Train über alles Maß geziemender Kritik hinaus schwer ge- tadelt hat, doch ebenso übel wie von Train und mit gleicher Un-
Galimatias ſogar zur pädagogiſchen Methode ſich conſtruirt hatte, und wie weit und tief die unſelige Erſcheinung in das ſocialpoli- tiſche Leben eingedrungen war.
Der aus den Zauberbüchern geflohene Geiſt der Stegano- graphie wurde jedoch vorzüglich durch die feine Kunſt des Cardi- nals Richelieu, welcher ſich der Geheimſchrift zu ſeinen verſteckten Jntriguen beſonders bediente, der Staatspolitik dienſtbar gemacht und auch in den deutſchen Cabineten bis zur höchſten Blüte cul- tivirt. Dem Volke blieb dieſe Kunſt verborgen. Aber wiederum glückte es der ſo neugierigen wie arbeitsluſtigen Stubengelehrſam- keit, einige Brocken davon aufzufangen, welche ſie nun nach ihrer Weiſe ſyſtematiſch zu bearbeiten begann. Sie wußte aber nicht wohin mit ihren müßigen Producten und ſchob, da das niedrigſte Volksleben und in und mit ihm das Gaunerthum mit ſeiner Kunſt und Sprache ſo frech und ſichtbar ſich hervordrängte, ihre Stubenſprachſpielereien geradezu der geheimnißvollen Gaunerſprache unter, ohne von Geiſt und Weſen derſelben einen richtigen Be- griff zu haben. So wurde denn dem Gaunerthum jenes wunder- liche Rotwelſch aufgebürdet, welches der wackere Schottelius in ſeiner „Ausführlichen Arbeit der Teutſchen Haubt-Sprache“, S. 1265 fg., und in modificirter Weiſe Moſcheroſch, II, 601, ſechstes Geſicht, dargeſtellt hat. Alle dieſe Darſtellungen ſind Ba- ſtarde der Steganographie, aber trotz des äußern rationellen Scheins ſo entſchiedener Galimatias, daß es ſchon aus dem oberflächlich- ſten Vergleich der Wortfügung mit dem beſondern Geiſt und Bau der Gaunerſprache, ja nur der behenden Bewegung des Gauner- thums überhaupt ſich ergibt, wie daſſelbe ſich niemals mit dieſer plumpen Ausdrucksweiſe behelfen konnte, und daß es nicht einmal der Anführung der erwieſenen Thatſache bedarf, wie das Gauner- thum wirklich niemals dieſe Ausdrucksweiſe trotz ihrer übermüthi- gen Sprachgewaltthätigkeit auf- und angenommen hat. Doch iſt ein näheres Eingehen auf dieſe Darſtellungen um ſo unabweis- licher, als Thiele, ungeachtet er den allerdings ganz unberufenen von Train über alles Maß geziemender Kritik hinaus ſchwer ge- tadelt hat, doch ebenſo übel wie von Train und mit gleicher Un-
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Galimatias ſogar zur pädagogiſchen Methode ſich conſtruirt hatte,
und wie weit und tief die unſelige Erſcheinung in das ſocialpoli-
tiſche Leben eingedrungen war.
Der aus den Zauberbüchern geflohene Geiſt der Stegano-
graphie wurde jedoch vorzüglich durch die feine Kunſt des Cardi-
nals Richelieu, welcher ſich der Geheimſchrift zu ſeinen verſteckten
Jntriguen beſonders bediente, der Staatspolitik dienſtbar gemacht
und auch in den deutſchen Cabineten bis zur höchſten Blüte cul-
tivirt. Dem Volke blieb dieſe Kunſt verborgen. Aber wiederum
glückte es der ſo neugierigen wie arbeitsluſtigen Stubengelehrſam-
keit, einige Brocken davon aufzufangen, welche ſie nun nach ihrer
Weiſe ſyſtematiſch zu bearbeiten begann. Sie wußte aber nicht
wohin mit ihren müßigen Producten und ſchob, da das niedrigſte
Volksleben und in und mit ihm das Gaunerthum mit ſeiner
Kunſt und Sprache ſo frech und ſichtbar ſich hervordrängte, ihre
Stubenſprachſpielereien geradezu der geheimnißvollen Gaunerſprache
unter, ohne von Geiſt und Weſen derſelben einen richtigen Be-
griff zu haben. So wurde denn dem Gaunerthum jenes wunder-
liche Rotwelſch aufgebürdet, welches der wackere Schottelius in
ſeiner „Ausführlichen Arbeit der Teutſchen Haubt-Sprache“,
S. 1265 fg., und in modificirter Weiſe Moſcheroſch, II, 601,
ſechstes Geſicht, dargeſtellt hat. Alle dieſe Darſtellungen ſind Ba-
ſtarde der Steganographie, aber trotz des äußern rationellen Scheins
ſo entſchiedener Galimatias, daß es ſchon aus dem oberflächlich-
ſten Vergleich der Wortfügung mit dem beſondern Geiſt und Bau
der Gaunerſprache, ja nur der behenden Bewegung des Gauner-
thums überhaupt ſich ergibt, wie daſſelbe ſich niemals mit dieſer
plumpen Ausdrucksweiſe behelfen konnte, und daß es nicht einmal
der Anführung der erwieſenen Thatſache bedarf, wie das Gauner-
thum wirklich niemals dieſe Ausdrucksweiſe trotz ihrer übermüthi-
gen Sprachgewaltthätigkeit auf- und angenommen hat. Doch iſt
ein näheres Eingehen auf dieſe Darſtellungen um ſo unabweis-
licher, als Thiele, ungeachtet er den allerdings ganz unberufenen
von Train über alles Maß geziemender Kritik hinaus ſchwer ge-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/219>, abgerufen am 21.11.2024.
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