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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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"Liebe Herren, es wird übermorgen frühe ein Schiff mit vie-
len Wahren, großer Bahrschafft und Leutten von hinnen nach
Trier gehen, daß können sie alles haben; zur Sicherheit hab ich
ihnen meinen Sohn zum Pfand geschickt."

Moscherosch ist überhaupt der erste Schriftsteller des 17. Jahr-
hunderts, welcher sich über die eitle Satisfaction erhebt, bloße pikante
Anekdoten von Gaunern zu geben, und welcher in der Schilderung
des sittlichen Elends seiner Zeit ernst bleibt. Er zeigt überhaupt
eine tiefere Kenntniß des Gaunerthums und seiner Sprache, wie
er denn das Vocabular der Rotwelschen Grammatik durchweg cor-
rect wiedergibt und sogar als Doppellexikon bearbeitet hat. Seine
sehr discrete Benutzung der steganographischen Methode zeigt ge-
rade auch, wie sehr er erkannt hat, daß die Gaunersprache jede
schwerfällige Methode von sich weist und, getreu der mündlichen
Tradition des regsamen Volkslebens folgend, sich nur an den
behenden Wortlaut hält und damit flüchtig in alle Verstecke des
Verkehrslebens schlüpft. Jedenfalls ist aber der in dieser Weise
nur dies eine mal in der Gaunerliteratur vorkommende Gauner-
brief von Moscherosch selbst componirt 1), wenn es auch nicht un-
möglich ist, daß eine ähnliche leichte Methode unter irgendeiner
Gaunergruppe verabredet und im Schwange gewesen sein mag.

Der ärgste Galimatias und das entschiedenste Hohnsprechen
aller Gaunerlinguistik ist aber die in von Train's "Chochemer
Loschen", S. 256, so unbegreiflich eigenmächtig wie unwissend als
"unter den Gaunern fast allgemein herrschende Schrift" bezeich-
nete, höchstens nur als specifisch steganographisch denkbare Me-
thode nach dem Schlüssel ma, le, fi, so, hu, wonach also ge-
setzt wird:

m für a,
a - m,
1) Jm Originalabdruck verstößt Moscherosch selbst mehrfach gegen seine
Regel; so schreibt er Trier, welches nach der gewählten Methode, wie auch
oben verbessert ist, Tliel geschrieben werden muß; so auch and statt amd für
und u. s. w., zum Beweise, daß er in dieser Methode selbst nicht geübt war
und überhaupt wol nicht viel Briefe derart ihm vorgekommen sein konnten.

„Liebe Herren, es wird übermorgen frühe ein Schiff mit vie-
len Wahren, großer Bahrſchafft und Leutten von hinnen nach
Trier gehen, daß können ſie alles haben; zur Sicherheit hab ich
ihnen meinen Sohn zum Pfand geſchickt.“

Moſcheroſch iſt überhaupt der erſte Schriftſteller des 17. Jahr-
hunderts, welcher ſich über die eitle Satisfaction erhebt, bloße pikante
Anekdoten von Gaunern zu geben, und welcher in der Schilderung
des ſittlichen Elends ſeiner Zeit ernſt bleibt. Er zeigt überhaupt
eine tiefere Kenntniß des Gaunerthums und ſeiner Sprache, wie
er denn das Vocabular der Rotwelſchen Grammatik durchweg cor-
rect wiedergibt und ſogar als Doppellexikon bearbeitet hat. Seine
ſehr discrete Benutzung der ſteganographiſchen Methode zeigt ge-
rade auch, wie ſehr er erkannt hat, daß die Gaunerſprache jede
ſchwerfällige Methode von ſich weiſt und, getreu der mündlichen
Tradition des regſamen Volkslebens folgend, ſich nur an den
behenden Wortlaut hält und damit flüchtig in alle Verſtecke des
Verkehrslebens ſchlüpft. Jedenfalls iſt aber der in dieſer Weiſe
nur dies eine mal in der Gaunerliteratur vorkommende Gauner-
brief von Moſcheroſch ſelbſt componirt 1), wenn es auch nicht un-
möglich iſt, daß eine ähnliche leichte Methode unter irgendeiner
Gaunergruppe verabredet und im Schwange geweſen ſein mag.

Der ärgſte Galimatias und das entſchiedenſte Hohnſprechen
aller Gaunerlinguiſtik iſt aber die in von Train’s „Chochemer
Loſchen“, S. 256, ſo unbegreiflich eigenmächtig wie unwiſſend als
„unter den Gaunern faſt allgemein herrſchende Schrift“ bezeich-
nete, höchſtens nur als ſpecifiſch ſteganographiſch denkbare Me-
thode nach dem Schlüſſel ma, le, fi, ſo, hu, wonach alſo ge-
ſetzt wird:

m für a,
a - m,
1) Jm Originalabdruck verſtößt Moſcheroſch ſelbſt mehrfach gegen ſeine
Regel; ſo ſchreibt er Trier, welches nach der gewählten Methode, wie auch
oben verbeſſert iſt, Tliel geſchrieben werden muß; ſo auch and ſtatt amd für
und u. ſ. w., zum Beweiſe, daß er in dieſer Methode ſelbſt nicht geübt war
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[190/0224] „Liebe Herren, es wird übermorgen frühe ein Schiff mit vie- len Wahren, großer Bahrſchafft und Leutten von hinnen nach Trier gehen, daß können ſie alles haben; zur Sicherheit hab ich ihnen meinen Sohn zum Pfand geſchickt.“ Moſcheroſch iſt überhaupt der erſte Schriftſteller des 17. Jahr- hunderts, welcher ſich über die eitle Satisfaction erhebt, bloße pikante Anekdoten von Gaunern zu geben, und welcher in der Schilderung des ſittlichen Elends ſeiner Zeit ernſt bleibt. Er zeigt überhaupt eine tiefere Kenntniß des Gaunerthums und ſeiner Sprache, wie er denn das Vocabular der Rotwelſchen Grammatik durchweg cor- rect wiedergibt und ſogar als Doppellexikon bearbeitet hat. Seine ſehr discrete Benutzung der ſteganographiſchen Methode zeigt ge- rade auch, wie ſehr er erkannt hat, daß die Gaunerſprache jede ſchwerfällige Methode von ſich weiſt und, getreu der mündlichen Tradition des regſamen Volkslebens folgend, ſich nur an den behenden Wortlaut hält und damit flüchtig in alle Verſtecke des Verkehrslebens ſchlüpft. Jedenfalls iſt aber der in dieſer Weiſe nur dies eine mal in der Gaunerliteratur vorkommende Gauner- brief von Moſcheroſch ſelbſt componirt 1), wenn es auch nicht un- möglich iſt, daß eine ähnliche leichte Methode unter irgendeiner Gaunergruppe verabredet und im Schwange geweſen ſein mag. Der ärgſte Galimatias und das entſchiedenſte Hohnſprechen aller Gaunerlinguiſtik iſt aber die in von Train’s „Chochemer Loſchen“, S. 256, ſo unbegreiflich eigenmächtig wie unwiſſend als „unter den Gaunern faſt allgemein herrſchende Schrift“ bezeich- nete, höchſtens nur als ſpecifiſch ſteganographiſch denkbare Me- thode nach dem Schlüſſel ma, le, fi, ſo, hu, wonach alſo ge- ſetzt wird: m für a, a - m, 1) Jm Originalabdruck verſtößt Moſcheroſch ſelbſt mehrfach gegen ſeine Regel; ſo ſchreibt er Trier, welches nach der gewählten Methode, wie auch oben verbeſſert iſt, Tliel geſchrieben werden muß; ſo auch and ſtatt amd für und u. ſ. w., zum Beweiſe, daß er in dieſer Methode ſelbſt nicht geübt war und überhaupt wol nicht viel Briefe derart ihm vorgekommen ſein konnten.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/224>, abgerufen am 24.11.2024.