Calvör's Vorrede zu dessen "Gloria Christi" die Bemerkungen aufgenommen hat, in welchen dieser sich über die Schwierigkeiten der mund- und schreibartigen Verschiedenheit der jüdischdeutschen Sprache ausläßt und dadurch unfreiwillig bezeugt, daß er das vorherrschende deutsche Sprachelement des Jüdischdeutschen mis- kannt hat und sich auf diesem Sprachgebiete wie auf einem fremd- sprachlichen Gebiete bewegt. Das deutsch-jüdischdeutsche Wörter- buch Callenberg's ist mit jüdischdeutschen (deutschrabbinischen) Let- tern gedruckt und mit einem ebenso gedruckten jüdischdeutschen Re- gister versehen. Es ist der erste Versuch dieser Art und namentlich als solcher beachtenswerth und nicht ohne Verdienst, obschon es nicht über die bloße Vocabulatur hinausgeht und tieferer kritischer Be- arbeitung ermangelt, auch sehr viel Fehlerhaftes enthält.
Die bedeutendste Erscheinung unter den christlichen Missions- grammatikern ist wol unzweifelhaft W. J. Chrysander in seiner "Jüdisch-Teutschen Grammatik" (Leipzig und Wolfenbüttel 1750), namentlich wenn man die davon in der That nicht zu trennende Abhandlung Chrysander's vom "Nutzen des Juden-Teutschen" 1) mit dieser Grammatik in Verbindung bringt, welche er selbst als Prolegomena zur Grammatik bezeichnet. Außer einer vollständigen Anleitung zum Lesen gibt Chrysander noch interessante, wenn auch nur aphoristische, doch treffende etymologische und syntaktische Be- merkungen. Die Grammatik ist unvollständig geblieben. Das Jn- haltsverzeichniß unmittelbar nach dem Vorbericht verhieß noch einen zweiten Theil: Gespräche, Briefe, Erläuterung der Abbreviaturen, Leseübungen und ein Wörterbuch. Doch fehlt dies alles und der erste Theil schließt §. 10 (S. 10--15) mit einem kleinen Wörter- buche. Sorgfältig angestellte Nachforschungen ergeben, daß Chry-
Jüdischen Jnstituto edirten Schriften colligirt und dem Gebrauch derer welche solche Schriften verstehen lernen Und die christliche Wahrheit unter den Juden sowohl mündlich als schriftlich bekannt machen helfen wollen Gewidmet wor- den" u. s. w. (Halle 1736).
1) "Unterricht vom Nutzen des Juden-Teutschen, der besonders Studiosos Theologiae anreitzen kan, sich dasselbe bekannt zu machen" (Wolfenbüttel 1750).
Calvör’s Vorrede zu deſſen „Gloria Christi“ die Bemerkungen aufgenommen hat, in welchen dieſer ſich über die Schwierigkeiten der mund- und ſchreibartigen Verſchiedenheit der jüdiſchdeutſchen Sprache ausläßt und dadurch unfreiwillig bezeugt, daß er das vorherrſchende deutſche Sprachelement des Jüdiſchdeutſchen mis- kannt hat und ſich auf dieſem Sprachgebiete wie auf einem fremd- ſprachlichen Gebiete bewegt. Das deutſch-jüdiſchdeutſche Wörter- buch Callenberg’s iſt mit jüdiſchdeutſchen (deutſchrabbiniſchen) Let- tern gedruckt und mit einem ebenſo gedruckten jüdiſchdeutſchen Re- giſter verſehen. Es iſt der erſte Verſuch dieſer Art und namentlich als ſolcher beachtenswerth und nicht ohne Verdienſt, obſchon es nicht über die bloße Vocabulatur hinausgeht und tieferer kritiſcher Be- arbeitung ermangelt, auch ſehr viel Fehlerhaftes enthält.
Die bedeutendſte Erſcheinung unter den chriſtlichen Miſſions- grammatikern iſt wol unzweifelhaft W. J. Chryſander in ſeiner „Jüdiſch-Teutſchen Grammatik“ (Leipzig und Wolfenbüttel 1750), namentlich wenn man die davon in der That nicht zu trennende Abhandlung Chryſander’s vom „Nutzen des Juden-Teutſchen“ 1) mit dieſer Grammatik in Verbindung bringt, welche er ſelbſt als Prolegomena zur Grammatik bezeichnet. Außer einer vollſtändigen Anleitung zum Leſen gibt Chryſander noch intereſſante, wenn auch nur aphoriſtiſche, doch treffende etymologiſche und ſyntaktiſche Be- merkungen. Die Grammatik iſt unvollſtändig geblieben. Das Jn- haltsverzeichniß unmittelbar nach dem Vorbericht verhieß noch einen zweiten Theil: Geſpräche, Briefe, Erläuterung der Abbreviaturen, Leſeübungen und ein Wörterbuch. Doch fehlt dies alles und der erſte Theil ſchließt §. 10 (S. 10—15) mit einem kleinen Wörter- buche. Sorgfältig angeſtellte Nachforſchungen ergeben, daß Chry-
Jüdiſchen Jnſtituto edirten Schriften colligirt und dem Gebrauch derer welche ſolche Schriften verſtehen lernen Und die chriſtliche Wahrheit unter den Juden ſowohl mündlich als ſchriftlich bekannt machen helfen wollen Gewidmet wor- den“ u. ſ. w. (Halle 1736).
1) „Unterricht vom Nutzen des Juden-Teutſchen, der beſonders Studiosos Theologiae anreitzen kan, ſich daſſelbe bekannt zu machen“ (Wolfenbüttel 1750).
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Calvör’s Vorrede zu deſſen „Gloria Christi“ die Bemerkungen
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Sprache ausläßt und dadurch unfreiwillig bezeugt, daß er das
vorherrſchende deutſche Sprachelement des Jüdiſchdeutſchen mis-
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ſprachlichen Gebiete bewegt. Das deutſch-jüdiſchdeutſche Wörter-
buch Callenberg’s iſt mit jüdiſchdeutſchen (deutſchrabbiniſchen) Let-
tern gedruckt und mit einem ebenſo gedruckten jüdiſchdeutſchen Re-
giſter verſehen. Es iſt der erſte Verſuch dieſer Art und namentlich
als ſolcher beachtenswerth und nicht ohne Verdienſt, obſchon es nicht
über die bloße Vocabulatur hinausgeht und tieferer kritiſcher Be-
arbeitung ermangelt, auch ſehr viel Fehlerhaftes enthält.
Die bedeutendſte Erſcheinung unter den chriſtlichen Miſſions-
grammatikern iſt wol unzweifelhaft W. J. Chryſander in ſeiner
„Jüdiſch-Teutſchen Grammatik“ (Leipzig und Wolfenbüttel 1750),
namentlich wenn man die davon in der That nicht zu trennende
Abhandlung Chryſander’s vom „Nutzen des Juden-Teutſchen“ 1)
mit dieſer Grammatik in Verbindung bringt, welche er ſelbſt als
Prolegomena zur Grammatik bezeichnet. Außer einer vollſtändigen
Anleitung zum Leſen gibt Chryſander noch intereſſante, wenn auch
nur aphoriſtiſche, doch treffende etymologiſche und ſyntaktiſche Be-
merkungen. Die Grammatik iſt unvollſtändig geblieben. Das Jn-
haltsverzeichniß unmittelbar nach dem Vorbericht verhieß noch einen
zweiten Theil: Geſpräche, Briefe, Erläuterung der Abbreviaturen,
Leſeübungen und ein Wörterbuch. Doch fehlt dies alles und der
erſte Theil ſchließt §. 10 (S. 10—15) mit einem kleinen Wörter-
buche. Sorgfältig angeſtellte Nachforſchungen ergeben, daß Chry-
1)
1) „Unterricht vom Nutzen des Juden-Teutſchen, der beſonders Studiosos
Theologiae anreitzen kan, ſich daſſelbe bekannt zu machen“ (Wolfenbüttel
1750).
1) Jüdiſchen Jnſtituto edirten Schriften colligirt und dem Gebrauch derer welche
ſolche Schriften verſtehen lernen Und die chriſtliche Wahrheit unter den Juden
ſowohl mündlich als ſchriftlich bekannt machen helfen wollen Gewidmet wor-
den“ u. ſ. w. (Halle 1736).
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/256>, abgerufen am 23.11.2024.
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