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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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Weitere Regeln über Bildung der Abbreviaturen oder über
die besondere Berechtigung oder Befähigung einzelner Wörter und
Begriffe zum Abbreviren gibt es nicht. Es herrscht hierin große
Willkür und daher auch manche Unverständlichkeit. Deshalb kön-
nen nur die hauptsächlichsten und gebräuchlichsten einzeln bemerkt
und in das Wörterbuch verwiesen werden, woselbst sie nach alpha-
betischer Ordnung Aufnahme gefunden haben.



Achtundsechzigstes Kapitel.
a. Das phonetische Element der Abbreviaturen.

Die viele Jahrhunderte hindurch in derselben starren graphi-
schen Form hingestellten Abbreviaturen sind aber nicht durchaus
ein bloßes graphisches Ganzes geblieben, sie sind auch oft ein
phonetisches Ganzes mit einem bestimmten logischen Begriff ge-
worden. Jm Hebräischen wurden neue, aus Abbreviaturen pho-
netisch belebte Wortbildungen besonders bei Eigennamen einge-
führt, z. B.: [fremdsprachliches Material], Raschi, für [fremdsprachliches Material], Rabbi Salomo
Jsaak; [fremdsprachliches Material], Rambam 1), für [fremdsprachliches Material], Rabbi Moses
Ben Maimon; [fremdsprachliches Material], Radak, für [fremdsprachliches Material], Rabbi David
Kimchi u. s. w. Als aber durch die jüdischen Gelehrten die Ab-
breviaturen in überaus großer Menge vervielfacht und auf die
mannichfaltigsten Begriffswörter übergeführt waren, drangen diese
statuirten eigenthümlichen neuen Wortbildungen als Begriffsbezeich-
nungen in fast alle Verhältnisse des bürgerlichen Lebens ein und
gaben gerade mittels der jüdischdeutschen Sprache sogar ganz deut-
schen Wörtern eine analoge neue, verkürzte, aber dadurch auch recht
wunderliche und recht eigentlich contracte Gestalt, und zwar ge-
schah das mit solcher absoluten Sicherheit, daß diese deutschen

1) Daher die unzähligemal vorkommende Rede: Ein herber Rambam,
eine schwierige Stelle aus den Schriften des Maimonides; überhaupt im ge-
meinen Leben eine Schwierigkeit, wie man scherzweise zu sagen pflegt: Das ist
ein casus criticus.

Weitere Regeln über Bildung der Abbreviaturen oder über
die beſondere Berechtigung oder Befähigung einzelner Wörter und
Begriffe zum Abbreviren gibt es nicht. Es herrſcht hierin große
Willkür und daher auch manche Unverſtändlichkeit. Deshalb kön-
nen nur die hauptſächlichſten und gebräuchlichſten einzeln bemerkt
und in das Wörterbuch verwieſen werden, woſelbſt ſie nach alpha-
betiſcher Ordnung Aufnahme gefunden haben.



Achtundſechzigſtes Kapitel.
α. Das phonetiſche Element der Abbreviaturen.

Die viele Jahrhunderte hindurch in derſelben ſtarren graphi-
ſchen Form hingeſtellten Abbreviaturen ſind aber nicht durchaus
ein bloßes graphiſches Ganzes geblieben, ſie ſind auch oft ein
phonetiſches Ganzes mit einem beſtimmten logiſchen Begriff ge-
worden. Jm Hebräiſchen wurden neue, aus Abbreviaturen pho-
netiſch belebte Wortbildungen beſonders bei Eigennamen einge-
führt, z. B.: [fremdsprachliches Material], Raschi, für [fremdsprachliches Material], Rabbi Salomo
Jſaak; [fremdsprachliches Material], Rambam 1), für [fremdsprachliches Material], Rabbi Moſes
Ben Maimon; [fremdsprachliches Material], Radak, für [fremdsprachliches Material], Rabbi David
Kimchi u. ſ. w. Als aber durch die jüdiſchen Gelehrten die Ab-
breviaturen in überaus großer Menge vervielfacht und auf die
mannichfaltigſten Begriffswörter übergeführt waren, drangen dieſe
ſtatuirten eigenthümlichen neuen Wortbildungen als Begriffsbezeich-
nungen in faſt alle Verhältniſſe des bürgerlichen Lebens ein und
gaben gerade mittels der jüdiſchdeutſchen Sprache ſogar ganz deut-
ſchen Wörtern eine analoge neue, verkürzte, aber dadurch auch recht
wunderliche und recht eigentlich contracte Geſtalt, und zwar ge-
ſchah das mit ſolcher abſoluten Sicherheit, daß dieſe deutſchen

1) Daher die unzähligemal vorkommende Rede: Ein herber Rambam,
eine ſchwierige Stelle aus den Schriften des Maimonides; überhaupt im ge-
meinen Leben eine Schwierigkeit, wie man ſcherzweiſe zu ſagen pflegt: Das iſt
ein casus criticus.
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[331/0365] Weitere Regeln über Bildung der Abbreviaturen oder über die beſondere Berechtigung oder Befähigung einzelner Wörter und Begriffe zum Abbreviren gibt es nicht. Es herrſcht hierin große Willkür und daher auch manche Unverſtändlichkeit. Deshalb kön- nen nur die hauptſächlichſten und gebräuchlichſten einzeln bemerkt und in das Wörterbuch verwieſen werden, woſelbſt ſie nach alpha- betiſcher Ordnung Aufnahme gefunden haben. Achtundſechzigſtes Kapitel. α. Das phonetiſche Element der Abbreviaturen. Die viele Jahrhunderte hindurch in derſelben ſtarren graphi- ſchen Form hingeſtellten Abbreviaturen ſind aber nicht durchaus ein bloßes graphiſches Ganzes geblieben, ſie ſind auch oft ein phonetiſches Ganzes mit einem beſtimmten logiſchen Begriff ge- worden. Jm Hebräiſchen wurden neue, aus Abbreviaturen pho- netiſch belebte Wortbildungen beſonders bei Eigennamen einge- führt, z. B.: _ , Raschi, für _ , Rabbi Salomo Jſaak; _ , Rambam 1), für _ , Rabbi Moſes Ben Maimon; _ , Radak, für _ , Rabbi David Kimchi u. ſ. w. Als aber durch die jüdiſchen Gelehrten die Ab- breviaturen in überaus großer Menge vervielfacht und auf die mannichfaltigſten Begriffswörter übergeführt waren, drangen dieſe ſtatuirten eigenthümlichen neuen Wortbildungen als Begriffsbezeich- nungen in faſt alle Verhältniſſe des bürgerlichen Lebens ein und gaben gerade mittels der jüdiſchdeutſchen Sprache ſogar ganz deut- ſchen Wörtern eine analoge neue, verkürzte, aber dadurch auch recht wunderliche und recht eigentlich contracte Geſtalt, und zwar ge- ſchah das mit ſolcher abſoluten Sicherheit, daß dieſe deutſchen 1) Daher die unzähligemal vorkommende Rede: Ein herber Rambam, eine ſchwierige Stelle aus den Schriften des Maimonides; überhaupt im ge- meinen Leben eine Schwierigkeit, wie man ſcherzweiſe zu ſagen pflegt: Das iſt ein casus criticus.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/365>, abgerufen am 22.11.2024.