aus welcher ihn nichts erlösen kann, um seiner sittlichen und amt- lichen Niederlage aufzuhelfen. So mag denn mit allem Nachdruck nochmals darauf verwiesen werden, was Th. II, Kap. 31, S. 93 und 94 über das Schreiben von Briefen in Gefängnissen gesagt worden ist. Nicht einmal die Adresse eines Briefs darf der Ge- fangene eigenhändig schreiben. Ueber die eigenthümliche Abfassung jüdischer Briefe und Briefadressen mit den üblichen Abbreviaturen vgl. unten Kap. 85.
Zweiundsiebzigstes Kapitel. 5) Formenlehre.
Der Umstand, daß das Judendeutsch als eine durchaus deut- sche Volkssprachweise niemals hinlänglich erkannt wurde, bringt in die Formenlehre und Wortfügung der jüdischdeutschen Grammatik große Verwirrung, deren Aufklärung kein Grammatiker unternom- men hat. Selbst Callenberg, der Gründer des Jüdischen Jnstituts zu Halle, welchem man eine sehr genaue Kenntniß der jüdisch- deutschen Sprache nicht absprechen kann und welcher das erste, auch jetzt noch immer brauchbare jüdischdeutsche Wörterbuch her- ausgab, hat in seiner Grammatik nur eine dürftige, bei weitem nicht ausreichende Anleitung zum Lesen geliefert und in der Vor- rede seines Wörterbuchs, S. 2, sich auf eine höchst kümmerliche Erklärung über die Bedeutsamkeit der einem Worte vorgesetzten Buchstaben [fremdsprachliches Material] und [fremdsprachliches Material] beschränkt. "Wenn man", heißt es dort, "ein von den buchstaben [fremdsprachliches Material] sich anfangendes wort im register vergeblich suchet, so darf man nur solche buch- staben weglassen: so wird man das wort am gehörigen ort an- treffen. Z. e. wenn sich [fremdsprachliches Material] nicht finden will, so suchet man [fremdsprachliches Material] auf. Jn solchem fall gehören aber vorgemeldte buchstaben nicht eigentlich zum wort, ob sie wohl desselben bedeutung etwas bey- legen. [fremdsprachliches Material] bedeutet insgemein in, an, durch, mit; [fremdsprachliches Material] der, die, das, des; [fremdsprachliches Material] nach, wie; [fremdsprachliches Material] zu, nach; [fremdsprachliches Material] aus, von, vor; [fremdsprachliches Material] wel-
Ave-Lallemant, Gaunerthum. III. 23
aus welcher ihn nichts erlöſen kann, um ſeiner ſittlichen und amt- lichen Niederlage aufzuhelfen. So mag denn mit allem Nachdruck nochmals darauf verwieſen werden, was Th. II, Kap. 31, S. 93 und 94 über das Schreiben von Briefen in Gefängniſſen geſagt worden iſt. Nicht einmal die Adreſſe eines Briefs darf der Ge- fangene eigenhändig ſchreiben. Ueber die eigenthümliche Abfaſſung jüdiſcher Briefe und Briefadreſſen mit den üblichen Abbreviaturen vgl. unten Kap. 85.
Zweiundſiebzigſtes Kapitel. 5) Formenlehre.
Der Umſtand, daß das Judendeutſch als eine durchaus deut- ſche Volksſprachweiſe niemals hinlänglich erkannt wurde, bringt in die Formenlehre und Wortfügung der jüdiſchdeutſchen Grammatik große Verwirrung, deren Aufklärung kein Grammatiker unternom- men hat. Selbſt Callenberg, der Gründer des Jüdiſchen Jnſtituts zu Halle, welchem man eine ſehr genaue Kenntniß der jüdiſch- deutſchen Sprache nicht abſprechen kann und welcher das erſte, auch jetzt noch immer brauchbare jüdiſchdeutſche Wörterbuch her- ausgab, hat in ſeiner Grammatik nur eine dürftige, bei weitem nicht ausreichende Anleitung zum Leſen geliefert und in der Vor- rede ſeines Wörterbuchs, S. 2, ſich auf eine höchſt kümmerliche Erklärung über die Bedeutſamkeit der einem Worte vorgeſetzten Buchſtaben [fremdsprachliches Material] und [fremdsprachliches Material] beſchränkt. „Wenn man“, heißt es dort, „ein von den buchſtaben [fremdsprachliches Material] ſich anfangendes wort im regiſter vergeblich ſuchet, ſo darf man nur ſolche buch- ſtaben weglaſſen: ſo wird man das wort am gehörigen ort an- treffen. Z. e. wenn ſich [fremdsprachliches Material] nicht finden will, ſo ſuchet man [fremdsprachliches Material] auf. Jn ſolchem fall gehören aber vorgemeldte buchſtaben nicht eigentlich zum wort, ob ſie wohl deſſelben bedeutung etwas bey- legen. [fremdsprachliches Material] bedeutet insgemein in, an, durch, mit; [fremdsprachliches Material] der, die, das, des; [fremdsprachliches Material] nach, wie; [fremdsprachliches Material] zu, nach; [fremdsprachliches Material] aus, von, vor; [fremdsprachliches Material] wel-
Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 23
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aus welcher ihn nichts erlöſen kann, um ſeiner ſittlichen und amt-
lichen Niederlage aufzuhelfen. So mag denn mit allem Nachdruck
nochmals darauf verwieſen werden, was Th. II, Kap. 31, S. 93
und 94 über das Schreiben von Briefen in Gefängniſſen geſagt
worden iſt. Nicht einmal die Adreſſe eines Briefs darf der Ge-
fangene eigenhändig ſchreiben. Ueber die eigenthümliche Abfaſſung
jüdiſcher Briefe und Briefadreſſen mit den üblichen Abbreviaturen
vgl. unten Kap. 85.
Zweiundſiebzigſtes Kapitel.
5) Formenlehre.
Der Umſtand, daß das Judendeutſch als eine durchaus deut-
ſche Volksſprachweiſe niemals hinlänglich erkannt wurde, bringt in
die Formenlehre und Wortfügung der jüdiſchdeutſchen Grammatik
große Verwirrung, deren Aufklärung kein Grammatiker unternom-
men hat. Selbſt Callenberg, der Gründer des Jüdiſchen Jnſtituts
zu Halle, welchem man eine ſehr genaue Kenntniß der jüdiſch-
deutſchen Sprache nicht abſprechen kann und welcher das erſte,
auch jetzt noch immer brauchbare jüdiſchdeutſche Wörterbuch her-
ausgab, hat in ſeiner Grammatik nur eine dürftige, bei weitem
nicht ausreichende Anleitung zum Leſen geliefert und in der Vor-
rede ſeines Wörterbuchs, S. 2, ſich auf eine höchſt kümmerliche
Erklärung über die Bedeutſamkeit der einem Worte vorgeſetzten
Buchſtaben _ und _ beſchränkt. „Wenn man“, heißt
es dort, „ein von den buchſtaben _ ſich anfangendes
wort im regiſter vergeblich ſuchet, ſo darf man nur ſolche buch-
ſtaben weglaſſen: ſo wird man das wort am gehörigen ort an-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/387>, abgerufen am 22.11.2024.
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