Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

die koburger Designation gibt: "Der Mann von der Sache, An-
weiser, Angeber, welcher denen Dieben die Gelegenheit zum Dieb-
stahl anweiset, und deswegen wenigstens einen Diebs-Antheil,
öffter auch doppelte Portion bekommt", und welche Th. II, S. 106
beim Baldowern ausführlich dargelegt ist. Niemals ist aber mit
Baldowern die Bedeutung des Sprechens verbunden gewesen, und
der von Bischoff so falsch gewählte Titel hat vielleicht als eine
Copie des berühmten Jüdischen Baldobers gelten und gleiches
Aufsehen erregen sollen, wie dieser erlangt hat. 1)

Außer den schon erwähnten Ausdrücken dabbern, dibbern,
medabbern, medabber sein, dawern, diwern,
sind noch die
Zeitwörter schmusen, von [fremdsprachliches Material], schama, er hat gehört, gehor-
samt, und kohlen, von [fremdsprachliches Material], kol, Stimme, die gebräuchlichsten
für sprechen, sodaß für das Reden in der Gaunersprache gesagt
wird: kochem schmusen, kochem dibbern u. s. w.

Ueber Loschon hakaudesch, worüber der sprachunkundige
Thiele I, 206 seiner "Jüdischen Gauner" durchaus Verkehrtes vor-
bringt, Loschon iwri, Loschon aschkenas, Loschon tome,
Loschon hanotzrim
und Jwriteutsch wird im Abschnitt von
der jüdischdeutschen Sprache und im Wörterbuch weiter die Rede
sein.



Sechzehntes Kapitel.
2) Wesen und Stoff der Gaunersprache.

Jndem die Gaunersprache als deutsche Volkssprache mit dem
Zuge des Mundartigen in dessen Zusammenfluß zur deutschen
Schriftsprache dieser Hauptströmung folgte, hat sie auch alle Wan-

1) Auch nicht einmal das kann man zur Entschuldigung Bischoff's anfüh-
ren, daß Waldiwerei für Baldowerei im richtigen Sinne des Baldowern habe
genommen und daß damit das Gesammttreiben der Gauner in Reuß habe dar-
gestellt werden sollen. Einen solchen Namen verdient jedoch die kümmerliche
Darstellung auf den ersten 25 Seiten schwerlich. Auch wird S. 31 Baldo-
wer,
Auskundschafter, deutlich unterschieden von dem Waldiwern, sagen
3 *

die koburger Deſignation gibt: „Der Mann von der Sache, An-
weiſer, Angeber, welcher denen Dieben die Gelegenheit zum Dieb-
ſtahl anweiſet, und deswegen wenigſtens einen Diebs-Antheil,
öffter auch doppelte Portion bekommt“, und welche Th. II, S. 106
beim Baldowern ausführlich dargelegt iſt. Niemals iſt aber mit
Baldowern die Bedeutung des Sprechens verbunden geweſen, und
der von Biſchoff ſo falſch gewählte Titel hat vielleicht als eine
Copie des berühmten Jüdiſchen Baldobers gelten und gleiches
Aufſehen erregen ſollen, wie dieſer erlangt hat. 1)

Außer den ſchon erwähnten Ausdrücken dabbern, dibbern,
medabbern, medabber ſein, dawern, diwern,
ſind noch die
Zeitwörter ſchmuſen, von [fremdsprachliches Material], schama, er hat gehört, gehor-
ſamt, und kohlen, von [fremdsprachliches Material], kol, Stimme, die gebräuchlichſten
für ſprechen, ſodaß für das Reden in der Gaunerſprache geſagt
wird: kochem ſchmuſen, kochem dibbern u. ſ. w.

Ueber Loſchon hakaudeſch, worüber der ſprachunkundige
Thiele I, 206 ſeiner „Jüdiſchen Gauner“ durchaus Verkehrtes vor-
bringt, Loſchon iwri, Loſchon aſchkenas, Loſchon tome,
Loſchon hanotzrim
und Jwriteutſch wird im Abſchnitt von
der jüdiſchdeutſchen Sprache und im Wörterbuch weiter die Rede
ſein.



Sechzehntes Kapitel.
2) Weſen und Stoff der Gaunerſprache.

Jndem die Gaunerſprache als deutſche Volksſprache mit dem
Zuge des Mundartigen in deſſen Zuſammenfluß zur deutſchen
Schriftſprache dieſer Hauptſtrömung folgte, hat ſie auch alle Wan-

1) Auch nicht einmal das kann man zur Entſchuldigung Biſchoff’s anfüh-
ren, daß Waldiwerei für Baldowerei im richtigen Sinne des Baldowern habe
genommen und daß damit das Geſammttreiben der Gauner in Reuß habe dar-
geſtellt werden ſollen. Einen ſolchen Namen verdient jedoch die kümmerliche
Darſtellung auf den erſten 25 Seiten ſchwerlich. Auch wird S. 31 Baldo-
wer,
Auskundſchafter, deutlich unterſchieden von dem Waldiwern, ſagen
3 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0069" n="35"/>
die koburger De&#x017F;ignation gibt: &#x201E;Der Mann von der Sache, An-<lb/>
wei&#x017F;er, Angeber, welcher denen Dieben die Gelegenheit zum Dieb-<lb/>
&#x017F;tahl anwei&#x017F;et, und deswegen wenig&#x017F;tens einen Diebs-Antheil,<lb/>
öffter auch doppelte <hi rendition="#aq">Portion</hi> bekommt&#x201C;, und welche Th. <hi rendition="#aq">II</hi>, S. 106<lb/>
beim Baldowern ausführlich dargelegt i&#x017F;t. Niemals i&#x017F;t aber mit<lb/>
Baldowern die Bedeutung des Sprechens verbunden gewe&#x017F;en, und<lb/>
der von Bi&#x017F;choff &#x017F;o fal&#x017F;ch gewählte Titel hat vielleicht als eine<lb/>
Copie des berühmten Jüdi&#x017F;chen Baldobers gelten und gleiches<lb/>
Auf&#x017F;ehen erregen &#x017F;ollen, wie die&#x017F;er erlangt hat. <note xml:id="seg2pn_5_1" next="#seg2pn_5_2" place="foot" n="1)">Auch nicht einmal das kann man zur Ent&#x017F;chuldigung Bi&#x017F;choff&#x2019;s anfüh-<lb/>
ren, daß Waldiwerei für Baldowerei im richtigen Sinne des Baldowern habe<lb/>
genommen und daß damit das Ge&#x017F;ammttreiben der Gauner in Reuß habe dar-<lb/>
ge&#x017F;tellt werden &#x017F;ollen. Einen &#x017F;olchen Namen verdient jedoch die kümmerliche<lb/>
Dar&#x017F;tellung auf den er&#x017F;ten 25 Seiten &#x017F;chwerlich. Auch wird S. 31 <hi rendition="#g">Baldo-<lb/>
wer,</hi> Auskund&#x017F;chafter, deutlich unter&#x017F;chieden von dem <hi rendition="#g">Waldiwern,</hi> &#x017F;agen</note></p><lb/>
            <p>Außer den &#x017F;chon erwähnten Ausdrücken <hi rendition="#g">dabbern, dibbern,<lb/>
medabbern, medabber &#x017F;ein, dawern, diwern,</hi> &#x017F;ind noch die<lb/>
Zeitwörter <hi rendition="#g">&#x017F;chmu&#x017F;en,</hi> von <gap reason="fm"/>, <hi rendition="#aq">schama,</hi> er hat gehört, gehor-<lb/>
&#x017F;amt, und <hi rendition="#g">kohlen,</hi> von <gap reason="fm"/>, <hi rendition="#aq">kol,</hi> Stimme, die gebräuchlich&#x017F;ten<lb/>
für &#x017F;prechen, &#x017F;odaß für das Reden in der Gauner&#x017F;prache ge&#x017F;agt<lb/>
wird: <hi rendition="#g">kochem &#x017F;chmu&#x017F;en, kochem dibbern</hi> u. &#x017F;. w.</p><lb/>
            <p>Ueber <hi rendition="#g">Lo&#x017F;chon hakaude&#x017F;ch,</hi> worüber der &#x017F;prachunkundige<lb/>
Thiele <hi rendition="#aq">I</hi>, 206 &#x017F;einer &#x201E;Jüdi&#x017F;chen Gauner&#x201C; durchaus Verkehrtes vor-<lb/>
bringt, <hi rendition="#g">Lo&#x017F;chon iwri, Lo&#x017F;chon a&#x017F;chkenas, Lo&#x017F;chon tome,<lb/>
Lo&#x017F;chon hanotzrim</hi> und <hi rendition="#g">Jwriteut&#x017F;ch</hi> wird im Ab&#x017F;chnitt von<lb/>
der jüdi&#x017F;chdeut&#x017F;chen Sprache und im Wörterbuch weiter die Rede<lb/>
&#x017F;ein.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head>Sechzehntes Kapitel.<lb/>
2) <hi rendition="#b">We&#x017F;en und Stoff der Gauner&#x017F;prache.</hi></head><lb/>
            <p>Jndem die Gauner&#x017F;prache als deut&#x017F;che Volks&#x017F;prache mit dem<lb/>
Zuge des Mundartigen in de&#x017F;&#x017F;en Zu&#x017F;ammenfluß zur deut&#x017F;chen<lb/>
Schrift&#x017F;prache die&#x017F;er Haupt&#x017F;trömung folgte, hat &#x017F;ie auch alle Wan-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3 *</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0069] die koburger Deſignation gibt: „Der Mann von der Sache, An- weiſer, Angeber, welcher denen Dieben die Gelegenheit zum Dieb- ſtahl anweiſet, und deswegen wenigſtens einen Diebs-Antheil, öffter auch doppelte Portion bekommt“, und welche Th. II, S. 106 beim Baldowern ausführlich dargelegt iſt. Niemals iſt aber mit Baldowern die Bedeutung des Sprechens verbunden geweſen, und der von Biſchoff ſo falſch gewählte Titel hat vielleicht als eine Copie des berühmten Jüdiſchen Baldobers gelten und gleiches Aufſehen erregen ſollen, wie dieſer erlangt hat. 1) Außer den ſchon erwähnten Ausdrücken dabbern, dibbern, medabbern, medabber ſein, dawern, diwern, ſind noch die Zeitwörter ſchmuſen, von _ , schama, er hat gehört, gehor- ſamt, und kohlen, von _ , kol, Stimme, die gebräuchlichſten für ſprechen, ſodaß für das Reden in der Gaunerſprache geſagt wird: kochem ſchmuſen, kochem dibbern u. ſ. w. Ueber Loſchon hakaudeſch, worüber der ſprachunkundige Thiele I, 206 ſeiner „Jüdiſchen Gauner“ durchaus Verkehrtes vor- bringt, Loſchon iwri, Loſchon aſchkenas, Loſchon tome, Loſchon hanotzrim und Jwriteutſch wird im Abſchnitt von der jüdiſchdeutſchen Sprache und im Wörterbuch weiter die Rede ſein. Sechzehntes Kapitel. 2) Weſen und Stoff der Gaunerſprache. Jndem die Gaunerſprache als deutſche Volksſprache mit dem Zuge des Mundartigen in deſſen Zuſammenfluß zur deutſchen Schriftſprache dieſer Hauptſtrömung folgte, hat ſie auch alle Wan- 1) Auch nicht einmal das kann man zur Entſchuldigung Biſchoff’s anfüh- ren, daß Waldiwerei für Baldowerei im richtigen Sinne des Baldowern habe genommen und daß damit das Geſammttreiben der Gauner in Reuß habe dar- geſtellt werden ſollen. Einen ſolchen Namen verdient jedoch die kümmerliche Darſtellung auf den erſten 25 Seiten ſchwerlich. Auch wird S. 31 Baldo- wer, Auskundſchafter, deutlich unterſchieden von dem Waldiwern, ſagen 3 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/69
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/69>, abgerufen am 24.11.2024.