Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.liches Eigenthum einer gesonderten Gruppe im Volke glauben Die erste Entdeckung dieser Art nach und aus dem Dreißig- 1) Niemals habe ich von dieser Untersuchung irgendeine Spur gefunden,
bis erst am Ende des Jahres 1859 ein glücklicher Zufall die sehr merkwürdige Specificatio in meine Hände brachte. Der Titel ist: "Specificatio | Derer, von denen allhier gefänglich sitzenden Inqvisiten, | Andreas Hempeln und Au- gustin Nollen, angegebenen | Diebes-Wirthe". Sie ist auf funfzehn Großfolio- blättern mit schönen großen Lettern gedruckt und zerfällt eigentlich in zwei Spe- cificationen, von denen die erste Fol. 1--6 die von Hempel und Nolle ange- gebenen Diebswirthe und Schärfenspieler aufführt, während die zweite Fol. 7 --11 eine ausführliche Gaunerliste nach Hempel's Angaben enthält. Die vier letzten Blätter 12--15 enthalten die "Spitzbuben-Sprache, oder Wahlerey und Roth-Welsch, Wie solche von dem inhafftirten Andreas Hempeln angegeben worden". Ein besonderes Titelblatt fehlt. Ungeachtet der Genauigkeit der Re- gistraturen, von denen die letzte auf Fol. 11 b vom 23. Mai 1687 datirt ist, findet man weder den Ort, wo, noch die Behörde, von welcher die Untersuchung geführt ist, sodaß man völlig zweifelhaft darüber bleibt, obschon eine Menge Ortschaften um Leipzig, besonders nach Dresden hinüber, genannt werden, wo die Bande ganz besonders gehaust hat. liches Eigenthum einer geſonderten Gruppe im Volke glauben Die erſte Entdeckung dieſer Art nach und aus dem Dreißig- 1) Niemals habe ich von dieſer Unterſuchung irgendeine Spur gefunden,
bis erſt am Ende des Jahres 1859 ein glücklicher Zufall die ſehr merkwürdige Specificatio in meine Hände brachte. Der Titel iſt: „Specificatio | Derer, von denen allhier gefänglich ſitzenden Inqvisiten, | Andreas Hempeln und Au- guſtin Nollen, angegebenen | Diebes-Wirthe“. Sie iſt auf funfzehn Großfolio- blättern mit ſchönen großen Lettern gedruckt und zerfällt eigentlich in zwei Spe- cificationen, von denen die erſte Fol. 1—6 die von Hempel und Nolle ange- gebenen Diebswirthe und Schärfenſpieler aufführt, während die zweite Fol. 7 —11 eine ausführliche Gaunerliſte nach Hempel’s Angaben enthält. Die vier letzten Blätter 12—15 enthalten die „Spitzbuben-Sprache, oder Wahlerey und Roth-Welſch, Wie ſolche von dem inhafftirten Andreas Hempeln angegeben worden“. Ein beſonderes Titelblatt fehlt. Ungeachtet der Genauigkeit der Re- giſtraturen, von denen die letzte auf Fol. 11 b vom 23. Mai 1687 datirt iſt, findet man weder den Ort, wo, noch die Behörde, von welcher die Unterſuchung geführt iſt, ſodaß man völlig zweifelhaft darüber bleibt, obſchon eine Menge Ortſchaften um Leipzig, beſonders nach Dresden hinüber, genannt werden, wo die Bande ganz beſonders gehauſt hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0104" n="92"/> liches Eigenthum einer geſonderten Gruppe im Volke glauben<lb/> mochte, wie er im Gaunerthum eine ganze Erſcheinung zu erken-<lb/> nen verſtand, wenn auch das Volk ſchon längſt mit unbefangenem<lb/> Blicke das Gaunerthum und ſeine Sprache, ohne es vollſtändig<lb/> zu erkennen, geahnt und ſogar arglos mit den einzelnen Typen<lb/> geſpielt hatte. Es war ſchon ein großer Gewinn, daß die Juſtiz<lb/> fortan die Gaunerſprache nicht mehr verleugnen konnte, wenn ſie<lb/> auch weit entfernt war, ſie in ihrem Weſen und in ihrer Bedeut-<lb/> ſamkeit von Grund aus zu erkennen.</p><lb/> <p>Die erſte Entdeckung dieſer Art nach und aus dem Dreißig-<lb/> jährigen Kriege wurde im Jahre 1687 in Kurſachſen bei der wider<lb/> den Gauner Andreas Hempel und ſeine Bande geführten Unter-<lb/> ſuchung <note place="foot" n="1)">Niemals habe ich von dieſer Unterſuchung irgendeine Spur gefunden,<lb/> bis erſt am Ende des Jahres 1859 ein glücklicher Zufall die ſehr merkwürdige<lb/><hi rendition="#aq">Specificatio</hi> in meine Hände brachte. Der Titel iſt: „<hi rendition="#aq">Specificatio</hi> | Derer,<lb/> von denen allhier gefänglich ſitzenden <hi rendition="#aq">Inqvisi</hi>ten, | Andreas Hempeln und Au-<lb/> guſtin Nollen, angegebenen | Diebes-Wirthe“. Sie iſt auf funfzehn Großfolio-<lb/> blättern mit ſchönen großen Lettern gedruckt und zerfällt eigentlich in zwei Spe-<lb/> cificationen, von denen die erſte Fol. 1—6 die von Hempel und Nolle ange-<lb/> gebenen Diebswirthe und Schärfenſpieler aufführt, während die zweite Fol. 7<lb/> —11 eine ausführliche Gaunerliſte nach Hempel’s Angaben enthält. Die vier<lb/> letzten Blätter 12—15 enthalten die „Spitzbuben-Sprache, oder Wahlerey und<lb/> Roth-Welſch, Wie ſolche von dem inhafftirten Andreas Hempeln angegeben<lb/> worden“. Ein beſonderes Titelblatt fehlt. Ungeachtet der Genauigkeit der Re-<lb/> giſtraturen, von denen die letzte auf Fol. 11 <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">b</hi></hi> vom 23. Mai 1687 datirt iſt,<lb/> findet man weder den Ort, wo, noch die Behörde, von welcher die Unterſuchung<lb/> geführt iſt, ſodaß man völlig zweifelhaft darüber bleibt, obſchon eine Menge<lb/> Ortſchaften um Leipzig, beſonders nach Dresden hinüber, genannt werden, wo<lb/> die Bande ganz beſonders gehauſt hat.</note> gemacht. Die unter der Bezeichnung „<hi rendition="#aq">Specificatio</hi>“<lb/> gedruckten Nachweiſe einer Menge von „Diebsherbergen, Schär-<lb/> fenſpieler, Schwartz-Bauern, Weißkäufern und Freyers-Schuppern“<lb/> ſind ſehr werthvoll und ſchließen mit einem ſehr wichtigen und<lb/> intereſſanten Gaunerwörterbuch von 199 Vocabeln, hinter welchen<lb/> wieder eine Anzahl geläufiger Redensarten mit der Ueberſetzung<lb/> und Erläuterung angefügt iſt. Das Wörterbuch iſt durchaus ori-<lb/> ginell und, wenn auch in willkürlicher Folge durcheinander ohne<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0104]
liches Eigenthum einer geſonderten Gruppe im Volke glauben
mochte, wie er im Gaunerthum eine ganze Erſcheinung zu erken-
nen verſtand, wenn auch das Volk ſchon längſt mit unbefangenem
Blicke das Gaunerthum und ſeine Sprache, ohne es vollſtändig
zu erkennen, geahnt und ſogar arglos mit den einzelnen Typen
geſpielt hatte. Es war ſchon ein großer Gewinn, daß die Juſtiz
fortan die Gaunerſprache nicht mehr verleugnen konnte, wenn ſie
auch weit entfernt war, ſie in ihrem Weſen und in ihrer Bedeut-
ſamkeit von Grund aus zu erkennen.
Die erſte Entdeckung dieſer Art nach und aus dem Dreißig-
jährigen Kriege wurde im Jahre 1687 in Kurſachſen bei der wider
den Gauner Andreas Hempel und ſeine Bande geführten Unter-
ſuchung 1) gemacht. Die unter der Bezeichnung „Specificatio“
gedruckten Nachweiſe einer Menge von „Diebsherbergen, Schär-
fenſpieler, Schwartz-Bauern, Weißkäufern und Freyers-Schuppern“
ſind ſehr werthvoll und ſchließen mit einem ſehr wichtigen und
intereſſanten Gaunerwörterbuch von 199 Vocabeln, hinter welchen
wieder eine Anzahl geläufiger Redensarten mit der Ueberſetzung
und Erläuterung angefügt iſt. Das Wörterbuch iſt durchaus ori-
ginell und, wenn auch in willkürlicher Folge durcheinander ohne
1) Niemals habe ich von dieſer Unterſuchung irgendeine Spur gefunden,
bis erſt am Ende des Jahres 1859 ein glücklicher Zufall die ſehr merkwürdige
Specificatio in meine Hände brachte. Der Titel iſt: „Specificatio | Derer,
von denen allhier gefänglich ſitzenden Inqvisiten, | Andreas Hempeln und Au-
guſtin Nollen, angegebenen | Diebes-Wirthe“. Sie iſt auf funfzehn Großfolio-
blättern mit ſchönen großen Lettern gedruckt und zerfällt eigentlich in zwei Spe-
cificationen, von denen die erſte Fol. 1—6 die von Hempel und Nolle ange-
gebenen Diebswirthe und Schärfenſpieler aufführt, während die zweite Fol. 7
—11 eine ausführliche Gaunerliſte nach Hempel’s Angaben enthält. Die vier
letzten Blätter 12—15 enthalten die „Spitzbuben-Sprache, oder Wahlerey und
Roth-Welſch, Wie ſolche von dem inhafftirten Andreas Hempeln angegeben
worden“. Ein beſonderes Titelblatt fehlt. Ungeachtet der Genauigkeit der Re-
giſtraturen, von denen die letzte auf Fol. 11 b vom 23. Mai 1687 datirt iſt,
findet man weder den Ort, wo, noch die Behörde, von welcher die Unterſuchung
geführt iſt, ſodaß man völlig zweifelhaft darüber bleibt, obſchon eine Menge
Ortſchaften um Leipzig, beſonders nach Dresden hinüber, genannt werden, wo
die Bande ganz beſonders gehauſt hat.
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