Das durch das waldheimer Lexikon einmal angeregte Jnteresse für die Gaunersprache gab sich nach wenigen Jahren auf eine recht originelle und überraschende Weise kund in der coburger Designation, welche der Vorläufer des 1737 erschienenen, be- reits in der Literatur Th. I, S. 232 angeführten "Jüdischen Bal- dobers", in dritter Auflage vom 12. Dec. 1735 datirt und mit einem "Actenmäßigen Supplementum" versehen ist. Auf dem dritt- letzten und folgenden Blatte findet sich eine auserlesene Sammlung Gaunerwörter, welche mit sehr geringer Ausnahme jüdischdeutsch und daher leicht aus dem Wörterbuche zu erkennen sind. Alle Vocabeln sind noch bis zur Stunde im Brauch und Mund des Gaunerthums. Der durchaus vorherrschende jüdischdeutsche Typus befremdet nicht, wenn man bedenkt, daß die ganze Untersuchung eine durchweg aus Juden bestehende Gaunerbande betraf, in wel- cher Hoyum Moses, Joseph Samuel und Emanuel Heinemann (Mendel Carbe) die Koryphäen waren. Das starke jüdische Co- lorit, welches diese ganze Untersuchung durch die, ohnehin zum ersten male mit besonderer Aufmerksamkeit hervorgehobenen, jüdischen sprachlichen und andern specifischen Typen erhielt, hat weit mehr als die innere Tüchtigkeit der in vieler Hinsicht nachlässig und flach geführten Untersuchung selbst dem "Jüdischen Baldober", der dazu noch an Eisenmenger's "Entdecktem Judenthum" eine grelle Unterlage fand, ein überaus großes Ansehen verschafft und auch neuerlich wieder dem versessenen Glauben an ein specifisch jüdi- sches Gaunerthum als Grundlage gedient. Dennoch hat von Anbeginn an das kleine treffliche correcte Wörterbuch am Schluß der Designation bei weitem nicht die Aufmerksamkeit gefunden, welche es verdient und welche schon damals zu einer tiefern Er- forschung und Kenntniß des Gaunerthums hätte führen müssen. Die Flut jener elend schlechten Wörterbücher der Meschummodim (vgl. Th. III, S. 230 fg.), welche schon um jene Zeit erschienen
Das durch das waldheimer Lexikon einmal angeregte Jntereſſe für die Gaunerſprache gab ſich nach wenigen Jahren auf eine recht originelle und überraſchende Weiſe kund in der coburger Deſignation, welche der Vorläufer des 1737 erſchienenen, be- reits in der Literatur Th. I, S. 232 angeführten „Jüdiſchen Bal- dobers“, in dritter Auflage vom 12. Dec. 1735 datirt und mit einem „Actenmäßigen Supplementum“ verſehen iſt. Auf dem dritt- letzten und folgenden Blatte findet ſich eine auserleſene Sammlung Gaunerwörter, welche mit ſehr geringer Ausnahme jüdiſchdeutſch und daher leicht aus dem Wörterbuche zu erkennen ſind. Alle Vocabeln ſind noch bis zur Stunde im Brauch und Mund des Gaunerthums. Der durchaus vorherrſchende jüdiſchdeutſche Typus befremdet nicht, wenn man bedenkt, daß die ganze Unterſuchung eine durchweg aus Juden beſtehende Gaunerbande betraf, in wel- cher Hoyum Moſes, Joſeph Samuel und Emanuel Heinemann (Mendel Carbe) die Koryphäen waren. Das ſtarke jüdiſche Co- lorit, welches dieſe ganze Unterſuchung durch die, ohnehin zum erſten male mit beſonderer Aufmerkſamkeit hervorgehobenen, jüdiſchen ſprachlichen und andern ſpecifiſchen Typen erhielt, hat weit mehr als die innere Tüchtigkeit der in vieler Hinſicht nachläſſig und flach geführten Unterſuchung ſelbſt dem „Jüdiſchen Baldober“, der dazu noch an Eiſenmenger’s „Entdecktem Judenthum“ eine grelle Unterlage fand, ein überaus großes Anſehen verſchafft und auch neuerlich wieder dem verſeſſenen Glauben an ein ſpecifiſch jüdi- ſches Gaunerthum als Grundlage gedient. Dennoch hat von Anbeginn an das kleine treffliche correcte Wörterbuch am Schluß der Deſignation bei weitem nicht die Aufmerkſamkeit gefunden, welche es verdient und welche ſchon damals zu einer tiefern Er- forſchung und Kenntniß des Gaunerthums hätte führen müſſen. Die Flut jener elend ſchlechten Wörterbücher der Meſchummodim (vgl. Th. III, S. 230 fg.), welche ſchon um jene Zeit erſchienen
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[124/0136]
Dreiundzwanzigſtes Kapitel.
q) Die coburger Deſignation.
Das durch das waldheimer Lexikon einmal angeregte Jntereſſe
für die Gaunerſprache gab ſich nach wenigen Jahren auf eine
recht originelle und überraſchende Weiſe kund in der coburger
Deſignation, welche der Vorläufer des 1737 erſchienenen, be-
reits in der Literatur Th. I, S. 232 angeführten „Jüdiſchen Bal-
dobers“, in dritter Auflage vom 12. Dec. 1735 datirt und mit
einem „Actenmäßigen Supplementum“ verſehen iſt. Auf dem dritt-
letzten und folgenden Blatte findet ſich eine auserleſene Sammlung
Gaunerwörter, welche mit ſehr geringer Ausnahme jüdiſchdeutſch
und daher leicht aus dem Wörterbuche zu erkennen ſind. Alle
Vocabeln ſind noch bis zur Stunde im Brauch und Mund des
Gaunerthums. Der durchaus vorherrſchende jüdiſchdeutſche Typus
befremdet nicht, wenn man bedenkt, daß die ganze Unterſuchung
eine durchweg aus Juden beſtehende Gaunerbande betraf, in wel-
cher Hoyum Moſes, Joſeph Samuel und Emanuel Heinemann
(Mendel Carbe) die Koryphäen waren. Das ſtarke jüdiſche Co-
lorit, welches dieſe ganze Unterſuchung durch die, ohnehin zum
erſten male mit beſonderer Aufmerkſamkeit hervorgehobenen, jüdiſchen
ſprachlichen und andern ſpecifiſchen Typen erhielt, hat weit mehr
als die innere Tüchtigkeit der in vieler Hinſicht nachläſſig und
flach geführten Unterſuchung ſelbſt dem „Jüdiſchen Baldober“, der
dazu noch an Eiſenmenger’s „Entdecktem Judenthum“ eine grelle
Unterlage fand, ein überaus großes Anſehen verſchafft und auch
neuerlich wieder dem verſeſſenen Glauben an ein ſpecifiſch jüdi-
ſches Gaunerthum als Grundlage gedient. Dennoch hat von
Anbeginn an das kleine treffliche correcte Wörterbuch am Schluß
der Deſignation bei weitem nicht die Aufmerkſamkeit gefunden,
welche es verdient und welche ſchon damals zu einer tiefern Er-
forſchung und Kenntniß des Gaunerthums hätte führen müſſen.
Die Flut jener elend ſchlechten Wörterbücher der Meſchummodim
(vgl. Th. III, S. 230 fg.), welche ſchon um jene Zeit erſchienen
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/136>, abgerufen am 21.11.2024.
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