lung am Nachmittag desselben Tages beschränkt sich nur auf die Erklärung, "daß die Bande, wozu er gehöre, länger als funfzig Jahre stünde und wohl 150 Mann stark sein möchte. Sie zer- streuete sich bis an den Rhein, in Schwaben, Bayern, Sachsen bis Dreßden, ins Hannöverische und in Hessen, und glaube er nicht, daß sie auszurotten sey, weilen sie an vielen Orten eine starcke Retirade habe. Sein Schwiegervater, der alte Bamberger- Jörg, wäre öffters zu Hirschbach, ohnweit Schleusingen."
Am 26. April 1745 ging der seinem schmählichen Ende näher rückende Verbrecher ganz offen aus sich heraus: "Krummfingers- Balthasar sey der Vornehmste unter der Bande, oder das Haupt und König derselben. Die Diebe wären mehrentheils Befreundete, Pathen und Gevattern von ihm. Seine eigne Familie bestünde aus 50 Personen, welche sowohl als die andern Diebe insgesammt ihm gehorchen und zu Befehl stehen müßten. Die Bande führe auch ein Siegel, welches der Krummfingers-Balthasar hätte. Dieses Siegel sei groß wie ein Kayser-Gulden. Es stünden dar- auf, -- statt der Armaturen, -- Pistolen, Pulver-Horn, Funck- schure, Schoberbartel und dergleichen, in der Mitte aber ein Mann mit einem Diebssack. Die Umschrift wäre: "Bin ein tuaf Cafer, der dem Cafer sein Schura bestieben kan". Welches heisse: "Bin ich nicht ein braver Mann der dem Bauer seine Sach wegtragen kan". Denen Vornehmsten unter der Bande gäbe Krummfingers- Balthasar Titul, und adelte sie, mit Beydruckung des Siegels unter dem Briefe, den er darüber gäbe. Also wäre der zu The- mar justificirte Nicol Beck, Hofrath gewesen, und hätte Herr von Rosenberg geheissen: Der Buchbinders-Christel wäre Herr von Ubenthal genennet worden und Oberamtmann gewesen: Der Bam- berger-Jörg der Herr von Klugheit, Regierungsrath: Er, Schwartz- müller, Herr von Marloffstein: Sein Schwager, Georg Caspar, so jetzo zu Beyersdorf sitze, Cantzley-Bote: Der Kramers-Peterle oder Peter Döll, der eben daselbst sitze, Secretarius: Der Kötzen- Hanns, Schoder oder Knecht, et cet. Die Aeltesten, und wer sich unter der Bande am meisten hervorthue, hätten mit zu befehlen. Diese erlangeten den Adel, und der Krummfingers-Balthasar er-
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lung am Nachmittag deſſelben Tages beſchränkt ſich nur auf die Erklärung, „daß die Bande, wozu er gehöre, länger als funfzig Jahre ſtünde und wohl 150 Mann ſtark ſein möchte. Sie zer- ſtreuete ſich bis an den Rhein, in Schwaben, Bayern, Sachſen bis Dreßden, ins Hannöveriſche und in Heſſen, und glaube er nicht, daß ſie auszurotten ſey, weilen ſie an vielen Orten eine ſtarcke Retirade habe. Sein Schwiegervater, der alte Bamberger- Jörg, wäre öffters zu Hirſchbach, ohnweit Schleuſingen.“
Am 26. April 1745 ging der ſeinem ſchmählichen Ende näher rückende Verbrecher ganz offen aus ſich heraus: „Krummfingers- Balthaſar ſey der Vornehmſte unter der Bande, oder das Haupt und König derſelben. Die Diebe wären mehrentheils Befreundete, Pathen und Gevattern von ihm. Seine eigne Familie beſtünde aus 50 Perſonen, welche ſowohl als die andern Diebe insgeſammt ihm gehorchen und zu Befehl ſtehen müßten. Die Bande führe auch ein Siegel, welches der Krummfingers-Balthaſar hätte. Dieſes Siegel ſei groß wie ein Kayſer-Gulden. Es ſtünden dar- auf, — ſtatt der Armaturen, — Piſtolen, Pulver-Horn, Funck- ſchure, Schoberbartel und dergleichen, in der Mitte aber ein Mann mit einem Diebsſack. Die Umſchrift wäre: «Bin ein tuaf Cafer, der dem Cafer ſein Schura beſtieben kan». Welches heiſſe: «Bin ich nicht ein braver Mann der dem Bauer ſeine Sach wegtragen kan». Denen Vornehmſten unter der Bande gäbe Krummfingers- Balthaſar Titul, und adelte ſie, mit Beydruckung des Siegels unter dem Briefe, den er darüber gäbe. Alſo wäre der zu The- mar juſtificirte Nicol Beck, Hofrath geweſen, und hätte Herr von Roſenberg geheiſſen: Der Buchbinders-Chriſtel wäre Herr von Ubenthal genennet worden und Oberamtmann geweſen: Der Bam- berger-Jörg der Herr von Klugheit, Regierungsrath: Er, Schwartz- müller, Herr von Marloffſtein: Sein Schwager, Georg Caſpar, ſo jetzo zu Beyersdorf ſitze, Cantzley-Bote: Der Kramers-Peterle oder Peter Döll, der eben daſelbſt ſitze, Secretarius: Der Kötzen- Hanns, Schoder oder Knecht, et cet. Die Aelteſten, und wer ſich unter der Bande am meiſten hervorthue, hätten mit zu befehlen. Dieſe erlangeten den Adel, und der Krummfingers-Balthaſar er-
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lung am Nachmittag deſſelben Tages beſchränkt ſich nur auf die
Erklärung, „daß die Bande, wozu er gehöre, länger als funfzig
Jahre ſtünde und wohl 150 Mann ſtark ſein möchte. Sie zer-
ſtreuete ſich bis an den Rhein, in Schwaben, Bayern, Sachſen
bis Dreßden, ins Hannöveriſche und in Heſſen, und glaube er
nicht, daß ſie auszurotten ſey, weilen ſie an vielen Orten eine
ſtarcke Retirade habe. Sein Schwiegervater, der alte Bamberger-
Jörg, wäre öffters zu Hirſchbach, ohnweit Schleuſingen.“
Am 26. April 1745 ging der ſeinem ſchmählichen Ende näher
rückende Verbrecher ganz offen aus ſich heraus: „Krummfingers-
Balthaſar ſey der Vornehmſte unter der Bande, oder das Haupt
und König derſelben. Die Diebe wären mehrentheils Befreundete,
Pathen und Gevattern von ihm. Seine eigne Familie beſtünde
aus 50 Perſonen, welche ſowohl als die andern Diebe insgeſammt
ihm gehorchen und zu Befehl ſtehen müßten. Die Bande führe
auch ein Siegel, welches der Krummfingers-Balthaſar hätte.
Dieſes Siegel ſei groß wie ein Kayſer-Gulden. Es ſtünden dar-
auf, — ſtatt der Armaturen, — Piſtolen, Pulver-Horn, Funck-
ſchure, Schoberbartel und dergleichen, in der Mitte aber ein Mann
mit einem Diebsſack. Die Umſchrift wäre: «Bin ein tuaf Cafer,
der dem Cafer ſein Schura beſtieben kan». Welches heiſſe: «Bin
ich nicht ein braver Mann der dem Bauer ſeine Sach wegtragen
kan». Denen Vornehmſten unter der Bande gäbe Krummfingers-
Balthaſar Titul, und adelte ſie, mit Beydruckung des Siegels
unter dem Briefe, den er darüber gäbe. Alſo wäre der zu The-
mar juſtificirte Nicol Beck, Hofrath geweſen, und hätte Herr von
Roſenberg geheiſſen: Der Buchbinders-Chriſtel wäre Herr von
Ubenthal genennet worden und Oberamtmann geweſen: Der Bam-
berger-Jörg der Herr von Klugheit, Regierungsrath: Er, Schwartz-
müller, Herr von Marloffſtein: Sein Schwager, Georg Caſpar,
ſo jetzo zu Beyersdorf ſitze, Cantzley-Bote: Der Kramers-Peterle
oder Peter Döll, der eben daſelbſt ſitze, Secretarius: Der Kötzen-
Hanns, Schoder oder Knecht, et cet. Die Aelteſten, und wer ſich
unter der Bande am meiſten hervorthue, hätten mit zu befehlen.
Dieſe erlangeten den Adel, und der Krummfingers-Balthaſar er-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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