gebräuchlich ist und vielfach zusammengesetzt wird; [irrelevantes Material - Zeichen fehlt] bedeutet aber allerdings auch in der ursprünglichen hebräischen wie in der Gau- nersprache das Hineingehen in eine Stätte (wovon sogar auch [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], bo el ischa, inire in feminam, coire). Doch ist un- geachtet dieser primitiven Bedeutung des "Herangehens, um Ein- gang zu gewinnen" keineswegs die auffällige Nebenbedeutung des "Verscheuchtwerdens und des Zurücklassens von Spuren der An- wesenheit" jemals bekannt und üblich gewesen, es sei denn, daß Zimmermann speciell für Berlin Belege dafür gehabt hätte. Ebenso unrichtig ist das allgemeine Masematten specifisch als "gewalt- samer Diebstahl" bezeichnet, desgleichen Mokum als bloße Stadt- mauer, für Stätte, Ort, Dorf, Stadt; ferner ist auf Schub gehen mit "auf gewaltsamen Diebstahl ausgehen" übersetzt, an- statt im allgemeinen der Hauseinschleicherei mit Diebstahl zu er- wähnen; endlich "Weißkäufer, ein auswärtiger Marktdieb", anstatt allgemein Markt- und Messendieb. Auch sind mehrere sehr wich- tige Ausdrücke, wie z. B.: Handeln, Kober, Kabber, Leine u. s. w. nur einseitig und kümmerlich erläutert. Anerkennenswerth ist dagegen die häufige Zusammenstellung synonymer Ausdrücke, z. B.: alle werden, verschütt gehen, kaule gehen, für ver- haftet werden; Heichus, Mackes, Mackeis für Hiebe; ferner: Kalches und Umschlag; Schaute und Oochbram; Tafel und Plattmolle u. s. w.
Bei der Unbefangenheit, mit welcher Zimmermann seine Sammlung unmittelbar aus dem vermöge seiner amtlichen Stel- lung offen vor seinen Augen liegenden berliner Gaunerleben ge- schöpft hat, treten die originellen und topischen Bezeichnungen mit besonders lebhafter und sehr interessanter Farbigkeit hervor, z. B.: Appel, das (an der Ecke der Alexanderstraße und des Alexander- platzes in Berlin belegene) Arbeitshaus, zunächst vom franz. ap- pel, das ordnungsmäßige Aufrufen der Namen zur Controle der Anwesenheit aller Jnsassen, aber auch in Verbindung mit Eppel, (s. das Wörterbuch) Warnungsruf der Gauner unter sich; der Zoten, ebenfalls Arbeitshaus, von der Beschäftigung mit Aufkrämpeln und Zupfen der Woll- und Haarzoten. Graues Elend, von der
gebräuchlich iſt und vielfach zuſammengeſetzt wird; [irrelevantes Material – Zeichen fehlt] bedeutet aber allerdings auch in der urſprünglichen hebräiſchen wie in der Gau- nerſprache das Hineingehen in eine Stätte (wovon ſogar auch [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], bo el ischa, inire in feminam, coire). Doch iſt un- geachtet dieſer primitiven Bedeutung des „Herangehens, um Ein- gang zu gewinnen“ keineswegs die auffällige Nebenbedeutung des „Verſcheuchtwerdens und des Zurücklaſſens von Spuren der An- weſenheit“ jemals bekannt und üblich geweſen, es ſei denn, daß Zimmermann ſpeciell für Berlin Belege dafür gehabt hätte. Ebenſo unrichtig iſt das allgemeine Maſematten ſpecifiſch als „gewalt- ſamer Diebſtahl“ bezeichnet, desgleichen Mokum als bloße Stadt- mauer, für Stätte, Ort, Dorf, Stadt; ferner iſt auf Schub gehen mit „auf gewaltſamen Diebſtahl ausgehen“ überſetzt, an- ſtatt im allgemeinen der Hauseinſchleicherei mit Diebſtahl zu er- wähnen; endlich „Weißkäufer, ein auswärtiger Marktdieb“, anſtatt allgemein Markt- und Meſſendieb. Auch ſind mehrere ſehr wich- tige Ausdrücke, wie z. B.: Handeln, Kober, Kabber, Leine u. ſ. w. nur einſeitig und kümmerlich erläutert. Anerkennenswerth iſt dagegen die häufige Zuſammenſtellung ſynonymer Ausdrücke, z. B.: alle werden, verſchütt gehen, kaule gehen, für ver- haftet werden; Heichus, Mackes, Mackeis für Hiebe; ferner: Kalches und Umſchlag; Schaute und Oochbram; Tafel und Plattmolle u. ſ. w.
Bei der Unbefangenheit, mit welcher Zimmermann ſeine Sammlung unmittelbar aus dem vermöge ſeiner amtlichen Stel- lung offen vor ſeinen Augen liegenden berliner Gaunerleben ge- ſchöpft hat, treten die originellen und topiſchen Bezeichnungen mit beſonders lebhafter und ſehr intereſſanter Farbigkeit hervor, z. B.: Appel, das (an der Ecke der Alexanderſtraße und des Alexander- platzes in Berlin belegene) Arbeitshaus, zunächſt vom franz. ap- pel, das ordnungsmäßige Aufrufen der Namen zur Controle der Anweſenheit aller Jnſaſſen, aber auch in Verbindung mit Eppel, (ſ. das Wörterbuch) Warnungsruf der Gauner unter ſich; der Zoten, ebenfalls Arbeitshaus, von der Beſchäftigung mit Aufkrämpeln und Zupfen der Woll- und Haarzoten. Graues Elend, von der
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ſamer Diebſtahl“ bezeichnet, desgleichen Mokum als bloße Stadt-
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gehen mit „auf gewaltſamen Diebſtahl ausgehen“ überſetzt, an-
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wähnen; endlich „Weißkäufer, ein auswärtiger Marktdieb“, anſtatt
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u. ſ. w. nur einſeitig und kümmerlich erläutert. Anerkennenswerth
iſt dagegen die häufige Zuſammenſtellung ſynonymer Ausdrücke,
z. B.: alle werden, verſchütt gehen, kaule gehen, für ver-
haftet werden; Heichus, Mackes, Mackeis für Hiebe; ferner:
Kalches und Umſchlag; Schaute und Oochbram; Tafel und
Plattmolle u. ſ. w.
Bei der Unbefangenheit, mit welcher Zimmermann ſeine
Sammlung unmittelbar aus dem vermöge ſeiner amtlichen Stel-
lung offen vor ſeinen Augen liegenden berliner Gaunerleben ge-
ſchöpft hat, treten die originellen und topiſchen Bezeichnungen mit
beſonders lebhafter und ſehr intereſſanter Farbigkeit hervor, z. B.:
Appel, das (an der Ecke der Alexanderſtraße und des Alexander-
platzes in Berlin belegene) Arbeitshaus, zunächſt vom franz. ap-
pel, das ordnungsmäßige Aufrufen der Namen zur Controle der
Anweſenheit aller Jnſaſſen, aber auch in Verbindung mit Eppel,
(ſ. das Wörterbuch) Warnungsruf der Gauner unter ſich; der Zoten,
ebenfalls Arbeitshaus, von der Beſchäftigung mit Aufkrämpeln
und Zupfen der Woll- und Haarzoten. Graues Elend, von der
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/277>, abgerufen am 24.11.2024.
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