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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.

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anfängt; Dieses Stillehalten und zugleich das Ende jeder Pro-
position habe ich durch weisse Noten, ohne mich an die gewöhn-
liche Schreib-Art der Bindungen zu kehren, und ohne weitre Ab-
sicht, in den Probe-Stücken angedeutet. Diese weissen Noten
werden so lange ausgehalten, bis sie in derselben Stimme von
andern abgelöset werden. Man mercke hier, wenn eine andre
Stimme in die Queere kommt, daß man alsdenn die auszuhal-
tende Note zwar auf einige Zeit aufheben muß; dem ohngeacht
aber läßt man sie aufs neue liegen, wenn die in die Queere
gekommene Stimme solche das letzte mahl anschläget. Sollte die-
ser Fall bey zwey beschäftigten Händen vorkommen, so ergreift
so gleich die andere Hand diese zuletzt angeschlagene Note
bevor ihn die erste Hand verläßt. Hierdurch erhält man das
Nachsingen ohne einen neuen Anschlag zu machen. Das bey die-
sen weissen Noten erforderte Stillehalten geschiehet deßwegen, da-
mit man das Cadenzenmachen zweyer oder dreyer Personen, ohne
Abrede zu nehmen, nachahme, indem man dadurch gleichsam vor-
stellet, als wenn eine Person auf die andere genau Achtung gebe,
ob deren Proposition zu Ende sey oder nicht. Ausser dem wür-
den die Cadenzen ihre natürliche Eigenschaft verliehren, und es
dürfte scheinen, als ob man, statt eine Cadenz zu machen, ein
ausdrücklich nach dem Tackt gesetztes Stück mit Bindungen spielte.
Dem ohngeacht fällt dieses Stillehalten weg, so bald die Auflö-
sung der Harmonie, welche bey dem Eintritt einer weissen Note
vorgehet, erfordert, daß die gerade über dieser weissen stehende
Note zugleich mit ihr angeschlagen werden muß.

§. 31.

Das Probe-Stücke aus dem F dur ist ein Abriß,
wie man heute zu Tage die Allegros mit 2 Reprisen das an-
dere mahl zu verändern pflegt. So löblich diese Ersindung ist,
so sehr wird sie gemißbrauchet. Meine Gedancken hiervon sind

die-
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Vom Vortrage.
anfaͤngt; Dieſes Stillehalten und zugleich das Ende jeder Pro-
poſition habe ich durch weiſſe Noten, ohne mich an die gewoͤhn-
liche Schreib-Art der Bindungen zu kehren, und ohne weitre Ab-
ſicht, in den Probe-Stuͤcken angedeutet. Dieſe weiſſen Noten
werden ſo lange ausgehalten, bis ſie in derſelben Stimme von
andern abgeloͤſet werden. Man mercke hier, wenn eine andre
Stimme in die Queere kommt, daß man alsdenn die auszuhal-
tende Note zwar auf einige Zeit aufheben muß; dem ohngeacht
aber laͤßt man ſie aufs neue liegen, wenn die in die Queere
gekommene Stimme ſolche das letzte mahl anſchlaͤget. Sollte die-
ſer Fall bey zwey beſchaͤftigten Haͤnden vorkommen, ſo ergreift
ſo gleich die andere Hand dieſe zuletzt angeſchlagene Note
bevor ihn die erſte Hand verlaͤßt. Hierdurch erhaͤlt man das
Nachſingen ohne einen neuen Anſchlag zu machen. Das bey die-
ſen weiſſen Noten erforderte Stillehalten geſchiehet deßwegen, da-
mit man das Cadenzenmachen zweyer oder dreyer Perſonen, ohne
Abrede zu nehmen, nachahme, indem man dadurch gleichſam vor-
ſtellet, als wenn eine Perſon auf die andere genau Achtung gebe,
ob deren Propoſition zu Ende ſey oder nicht. Auſſer dem wuͤr-
den die Cadenzen ihre natuͤrliche Eigenſchaft verliehren, und es
duͤrfte ſcheinen, als ob man, ſtatt eine Cadenz zu machen, ein
ausdruͤcklich nach dem Tackt geſetztes Stuͤck mit Bindungen ſpielte.
Dem ohngeacht faͤllt dieſes Stillehalten weg, ſo bald die Aufloͤ-
ſung der Harmonie, welche bey dem Eintritt einer weiſſen Note
vorgehet, erfordert, daß die gerade uͤber dieſer weiſſen ſtehende
Note zugleich mit ihr angeſchlagen werden muß.

§. 31.

Das Probe-Stuͤcke aus dem F dur iſt ein Abriß,
wie man heute zu Tage die Allegros mit 2 Repriſen das an-
dere mahl zu veraͤndern pflegt. So loͤblich dieſe Erſindung iſt,
ſo ſehr wird ſie gemißbrauchet. Meine Gedancken hiervon ſind

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[117/0125] Vom Vortrage. anfaͤngt; Dieſes Stillehalten und zugleich das Ende jeder Pro- poſition habe ich durch weiſſe Noten, ohne mich an die gewoͤhn- liche Schreib-Art der Bindungen zu kehren, und ohne weitre Ab- ſicht, in den Probe-Stuͤcken angedeutet. Dieſe weiſſen Noten werden ſo lange ausgehalten, bis ſie in derſelben Stimme von andern abgeloͤſet werden. Man mercke hier, wenn eine andre Stimme in die Queere kommt, daß man alsdenn die auszuhal- tende Note zwar auf einige Zeit aufheben muß; dem ohngeacht aber laͤßt man ſie aufs neue liegen, wenn die in die Queere gekommene Stimme ſolche das letzte mahl anſchlaͤget. Sollte die- ſer Fall bey zwey beſchaͤftigten Haͤnden vorkommen, ſo ergreift ſo gleich die andere Hand dieſe zuletzt angeſchlagene Note bevor ihn die erſte Hand verlaͤßt. Hierdurch erhaͤlt man das Nachſingen ohne einen neuen Anſchlag zu machen. Das bey die- ſen weiſſen Noten erforderte Stillehalten geſchiehet deßwegen, da- mit man das Cadenzenmachen zweyer oder dreyer Perſonen, ohne Abrede zu nehmen, nachahme, indem man dadurch gleichſam vor- ſtellet, als wenn eine Perſon auf die andere genau Achtung gebe, ob deren Propoſition zu Ende ſey oder nicht. Auſſer dem wuͤr- den die Cadenzen ihre natuͤrliche Eigenſchaft verliehren, und es duͤrfte ſcheinen, als ob man, ſtatt eine Cadenz zu machen, ein ausdruͤcklich nach dem Tackt geſetztes Stuͤck mit Bindungen ſpielte. Dem ohngeacht faͤllt dieſes Stillehalten weg, ſo bald die Aufloͤ- ſung der Harmonie, welche bey dem Eintritt einer weiſſen Note vorgehet, erfordert, daß die gerade uͤber dieſer weiſſen ſtehende Note zugleich mit ihr angeſchlagen werden muß. §. 31. Das Probe-Stuͤcke aus dem F dur iſt ein Abriß, wie man heute zu Tage die Allegros mit 2 Repriſen das an- dere mahl zu veraͤndern pflegt. So loͤblich dieſe Erſindung iſt, ſo ſehr wird ſie gemißbrauchet. Meine Gedancken hiervon ſind die- P 3

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch01_1759/125>, abgerufen am 23.11.2024.