geiste völlig weiss, wie Nervenmasse. Dieses auf liegende Blatt klebt an den Rückenmarksblättern im ganzen Umfange der vierten Hirnhöhle eng an, lässt sich aber ohne alle Zerreissung glatt von ihnen ablösen, und scheint eine Verdickung der hier schon mehr getrennten Hülle. Aus allem geht also hervor, dass aus der ursprünglichen kanalförmigen Anlage für den Centraltheil des Nervensystemes sich eine Hülle von dem eigentlichen Nervenmarke trennt, dass dieses Nervenmark nach oben gespalten ist, was am fünften Tage noch viel deutlicher wird, und dass auf der vierten Hirnhöhle, wo sich die Blätter des Nervenmarkes am weitesten aus einander geben, eine Lage von nervenähnlicher Masse auf liegt, grade wie auf der vierten Hirnhöhle mancher Amphibien. Diese aufliegende Masse ist, wie in den Amphibien, so auch im Hühner-Fötus, vom kleinen Hirne und ver- längerten Marke getrennt. Das kleine Hirn ist schon deutlich da. Die Rücken- marksblätter breiten sich nämlich, nachdem sie die vierte Hirnhöhle gebildet haben, auf jeder Seite in ein mehr senkrecht stehendes rundliches Blättchen aus. Beide Blättchen klaffen hinten weit aus einander, stossen aber nach vorn zu- sammen, und umschliessen einen kurzen und engen Kanal, der in die Blase der Vierhügel führt. Diese Blätter waren im Grunde schon am dritten Tage kennt- lich, obgleich weniger bestimmt, da sie überhaupt von der äussern Hülle noch nicht deutlich geschieden waren. Am vierten Tage aber ist der Character des kleinen Hirnes unverkennbar, wenn auch nicht alle Theile desselben da sind, die dem kleinen Hirn in höhern Thieren zukommen. Die Vierhügel bilden die grösste Blase. Sie erscheint nach oben geschlossen; die Höhlung, die sie enthält, wollen wir die Sylvische Hirnhöhle nennen. Die darauf folgende Hirnblase, die früheste von allen und ursprünglich die vorderste, bildet die Region der dritten Hirnhöhle und ist viel niedriger und kürzer, als die eben beschriebene. Aus der Mitte der Decke dieser Hirnhöhle zieht sich in der zweiten Hälfte dieses Tages schon die Nervenmasse etwas zurück, so dass man eine helle Lücke in der Mittel- linie erkennt. Zugleich bekommt sie in der Decke eine seichte Einkerbung der Queere nach. Die dritte Hirnhöhle steigt tief gegen die Schädelbasis herab, und diese Verlängerung ist der Trichter. Da die Vierhügel weiter nach vorn (im Verhältniss zum ganzen Embryo) liegen, und überhaupt alle Hirntheile, die ur- sprünglich hinter einander lagen, sich allmählig zusammenkrümmen, so bleibt eine Lücke zwischen dem Trichter, dem kleinen Hirne und den Vierhügeln. Die Lücke ist jetzt schmaler, als am dritten Tage. In dieser Lücke liegt die Rücken- saite und zugleich umgebendes, dem Stamme der Wirbelsäule gehöriges Bildungs- gewebe, mit immer schärfer werdender Umbeugung. Von der Stirn und Scheitelgegend aus sind die Seitenventrikel durch eine tiefe Einsenkung von ein-
K 2
geiste völlig weiſs, wie Nervenmasse. Dieses auf liegende Blatt klebt an den Rückenmarksblättern im ganzen Umfange der vierten Hirnhöhle eng an, läſst sich aber ohne alle Zerreiſsung glatt von ihnen ablösen, und scheint eine Verdickung der hier schon mehr getrennten Hülle. Aus allem geht also hervor, daſs aus der ursprünglichen kanalförmigen Anlage für den Centraltheil des Nervensystemes sich eine Hülle von dem eigentlichen Nervenmarke trennt, daſs dieses Nervenmark nach oben gespalten ist, was am fünften Tage noch viel deutlicher wird, und daſs auf der vierten Hirnhöhle, wo sich die Blätter des Nervenmarkes am weitesten aus einander geben, eine Lage von nervenähnlicher Masse auf liegt, grade wie auf der vierten Hirnhöhle mancher Amphibien. Diese aufliegende Masse ist, wie in den Amphibien, so auch im Hühner-Fötus, vom kleinen Hirne und ver- längerten Marke getrennt. Das kleine Hirn ist schon deutlich da. Die Rücken- marksblätter breiten sich nämlich, nachdem sie die vierte Hirnhöhle gebildet haben, auf jeder Seite in ein mehr senkrecht stehendes rundliches Blättchen aus. Beide Blättchen klaffen hinten weit aus einander, stoſsen aber nach vorn zu- sammen, und umschlieſsen einen kurzen und engen Kanal, der in die Blase der Vierhügel führt. Diese Blätter waren im Grunde schon am dritten Tage kennt- lich, obgleich weniger bestimmt, da sie überhaupt von der äuſsern Hülle noch nicht deutlich geschieden waren. Am vierten Tage aber ist der Character des kleinen Hirnes unverkennbar, wenn auch nicht alle Theile desselben da sind, die dem kleinen Hirn in höhern Thieren zukommen. Die Vierhügel bilden die gröſste Blase. Sie erscheint nach oben geschlossen; die Höhlung, die sie enthält, wollen wir die Sylvische Hirnhöhle nennen. Die darauf folgende Hirnblase, die früheste von allen und ursprünglich die vorderste, bildet die Region der dritten Hirnhöhle und ist viel niedriger und kürzer, als die eben beschriebene. Aus der Mitte der Decke dieser Hirnhöhle zieht sich in der zweiten Hälfte dieses Tages schon die Nervenmasse etwas zurück, so daſs man eine helle Lücke in der Mittel- linie erkennt. Zugleich bekommt sie in der Decke eine seichte Einkerbung der Queere nach. Die dritte Hirnhöhle steigt tief gegen die Schädelbasis herab, und diese Verlängerung ist der Trichter. Da die Vierhügel weiter nach vorn (im Verhältniſs zum ganzen Embryo) liegen, und überhaupt alle Hirntheile, die ur- sprünglich hinter einander lagen, sich allmählig zusammenkrümmen, so bleibt eine Lücke zwischen dem Trichter, dem kleinen Hirne und den Vierhügeln. Die Lücke ist jetzt schmaler, als am dritten Tage. In dieser Lücke liegt die Rücken- saite und zugleich umgebendes, dem Stamme der Wirbelsäule gehöriges Bildungs- gewebe, mit immer schärfer werdender Umbeugung. Von der Stirn und Scheitelgegend aus sind die Seitenventrikel durch eine tiefe Einsenkung von ein-
K 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0105"n="75"/>
geiste völlig weiſs, wie Nervenmasse. Dieses auf liegende Blatt klebt an den<lb/>
Rückenmarksblättern im ganzen Umfange der vierten Hirnhöhle eng an, läſst sich<lb/>
aber ohne alle Zerreiſsung glatt von ihnen ablösen, und scheint eine Verdickung<lb/>
der hier schon mehr getrennten Hülle. Aus allem geht also hervor, daſs aus der<lb/>
ursprünglichen kanalförmigen Anlage für den Centraltheil des Nervensystemes sich<lb/>
eine Hülle von dem eigentlichen Nervenmarke trennt, daſs dieses Nervenmark<lb/>
nach oben gespalten ist, was am fünften Tage noch viel deutlicher wird, und daſs<lb/>
auf der vierten Hirnhöhle, wo sich die Blätter des Nervenmarkes am weitesten<lb/>
aus einander geben, eine Lage von nervenähnlicher Masse auf liegt, grade wie<lb/>
auf der vierten Hirnhöhle mancher Amphibien. Diese aufliegende Masse ist,<lb/>
wie in den Amphibien, so auch im Hühner-Fötus, vom kleinen Hirne und ver-<lb/>
längerten Marke getrennt. Das kleine Hirn ist schon deutlich da. Die Rücken-<lb/>
marksblätter breiten sich nämlich, nachdem sie die vierte Hirnhöhle gebildet<lb/>
haben, auf jeder Seite in ein mehr senkrecht stehendes rundliches Blättchen aus.<lb/>
Beide Blättchen klaffen hinten weit aus einander, stoſsen aber nach vorn zu-<lb/>
sammen, und umschlieſsen einen kurzen und engen Kanal, der in die Blase der<lb/>
Vierhügel führt. Diese Blätter waren im Grunde schon am dritten Tage kennt-<lb/>
lich, obgleich weniger bestimmt, da sie überhaupt von der äuſsern Hülle noch<lb/>
nicht deutlich geschieden waren. Am vierten Tage aber ist der Character des<lb/>
kleinen Hirnes unverkennbar, wenn auch nicht alle Theile desselben da sind, die<lb/>
dem kleinen Hirn in höhern Thieren zukommen. Die Vierhügel bilden die<lb/>
gröſste Blase. Sie erscheint nach oben geschlossen; die Höhlung, die sie enthält,<lb/>
wollen wir die Sylvische Hirnhöhle nennen. Die darauf folgende Hirnblase, die<lb/>
früheste von allen und ursprünglich die vorderste, bildet die Region der dritten<lb/>
Hirnhöhle und ist viel niedriger und kürzer, als die eben beschriebene. Aus der<lb/>
Mitte der Decke dieser Hirnhöhle zieht sich in der zweiten Hälfte dieses Tages<lb/>
schon die Nervenmasse etwas zurück, so daſs man eine helle Lücke in der Mittel-<lb/>
linie erkennt. Zugleich bekommt sie in der Decke eine seichte Einkerbung der<lb/>
Queere nach. Die dritte Hirnhöhle steigt tief gegen die Schädelbasis herab, und<lb/>
diese Verlängerung ist der Trichter. Da die Vierhügel weiter nach vorn (im<lb/>
Verhältniſs zum ganzen Embryo) liegen, und überhaupt alle Hirntheile, die ur-<lb/>
sprünglich hinter einander lagen, sich allmählig zusammenkrümmen, so bleibt<lb/>
eine Lücke zwischen dem Trichter, dem kleinen Hirne und den Vierhügeln. Die<lb/>
Lücke ist jetzt schmaler, als am dritten Tage. In dieser Lücke liegt die Rücken-<lb/>
saite und zugleich umgebendes, dem Stamme der Wirbelsäule gehöriges Bildungs-<lb/>
gewebe, mit immer schärfer werdender Umbeugung. Von der Stirn und<lb/>
Scheitelgegend aus sind die Seitenventrikel durch eine tiefe Einsenkung von ein-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K 2</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[75/0105]
geiste völlig weiſs, wie Nervenmasse. Dieses auf liegende Blatt klebt an den
Rückenmarksblättern im ganzen Umfange der vierten Hirnhöhle eng an, läſst sich
aber ohne alle Zerreiſsung glatt von ihnen ablösen, und scheint eine Verdickung
der hier schon mehr getrennten Hülle. Aus allem geht also hervor, daſs aus der
ursprünglichen kanalförmigen Anlage für den Centraltheil des Nervensystemes sich
eine Hülle von dem eigentlichen Nervenmarke trennt, daſs dieses Nervenmark
nach oben gespalten ist, was am fünften Tage noch viel deutlicher wird, und daſs
auf der vierten Hirnhöhle, wo sich die Blätter des Nervenmarkes am weitesten
aus einander geben, eine Lage von nervenähnlicher Masse auf liegt, grade wie
auf der vierten Hirnhöhle mancher Amphibien. Diese aufliegende Masse ist,
wie in den Amphibien, so auch im Hühner-Fötus, vom kleinen Hirne und ver-
längerten Marke getrennt. Das kleine Hirn ist schon deutlich da. Die Rücken-
marksblätter breiten sich nämlich, nachdem sie die vierte Hirnhöhle gebildet
haben, auf jeder Seite in ein mehr senkrecht stehendes rundliches Blättchen aus.
Beide Blättchen klaffen hinten weit aus einander, stoſsen aber nach vorn zu-
sammen, und umschlieſsen einen kurzen und engen Kanal, der in die Blase der
Vierhügel führt. Diese Blätter waren im Grunde schon am dritten Tage kennt-
lich, obgleich weniger bestimmt, da sie überhaupt von der äuſsern Hülle noch
nicht deutlich geschieden waren. Am vierten Tage aber ist der Character des
kleinen Hirnes unverkennbar, wenn auch nicht alle Theile desselben da sind, die
dem kleinen Hirn in höhern Thieren zukommen. Die Vierhügel bilden die
gröſste Blase. Sie erscheint nach oben geschlossen; die Höhlung, die sie enthält,
wollen wir die Sylvische Hirnhöhle nennen. Die darauf folgende Hirnblase, die
früheste von allen und ursprünglich die vorderste, bildet die Region der dritten
Hirnhöhle und ist viel niedriger und kürzer, als die eben beschriebene. Aus der
Mitte der Decke dieser Hirnhöhle zieht sich in der zweiten Hälfte dieses Tages
schon die Nervenmasse etwas zurück, so daſs man eine helle Lücke in der Mittel-
linie erkennt. Zugleich bekommt sie in der Decke eine seichte Einkerbung der
Queere nach. Die dritte Hirnhöhle steigt tief gegen die Schädelbasis herab, und
diese Verlängerung ist der Trichter. Da die Vierhügel weiter nach vorn (im
Verhältniſs zum ganzen Embryo) liegen, und überhaupt alle Hirntheile, die ur-
sprünglich hinter einander lagen, sich allmählig zusammenkrümmen, so bleibt
eine Lücke zwischen dem Trichter, dem kleinen Hirne und den Vierhügeln. Die
Lücke ist jetzt schmaler, als am dritten Tage. In dieser Lücke liegt die Rücken-
saite und zugleich umgebendes, dem Stamme der Wirbelsäule gehöriges Bildungs-
gewebe, mit immer schärfer werdender Umbeugung. Von der Stirn und
Scheitelgegend aus sind die Seitenventrikel durch eine tiefe Einsenkung von ein-
K 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/105>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.