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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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weil am sechsten Tage die Verhältnisse unverkennbar sind. Am siebenten Tage
scheinen die vordern Schenkel des Gewölbes etwas dicker an ihren Enden, wo sie
in den Boden des Hirnes übergehen. Es geht aus der gegebenen Darstellung her-
vor, dass unter den hintern Schenkeln des Gewölbes ein offener Uebergang in die
Blasen der dritten Hirnhöhle sich findet.

Was aber das Offenseyn der ganzen Hirumasse anlangt, so kann man jetzt
darüber näher entscheiden, da die weiche Hirnhaut zu erkennen ist. Bei Eröff-
nung der Hemisphäre finde ich immer noch die mittlere Einsenkung ganz von
einer continuirlichen Lage Nervenmasse bedeckt. Allerdings springt die Nerven-
masse in erhärteten Hirnen an der Kante der Einsenkung leicht von einander.
Dieser Umstand rührt aber wohl ohne Zweifel von dem scharfen Winkel her, in
welchem beide Seiten zusammenstossen, denn das Aufreissen erfolgt mit zackigen
Rändern, und da ich stets Nervenmasse in der Mittellinie erkannt habe, so
zweifle ich nicht, dass die Decke des grossen Hirnes bis jetzt nicht offen gewesen
ist. Eher könnte man noch zweifeln, ob nicht die Decke der Vierhügel am
sechsten Tage sich öffnet, denn die Mittellinie der Einsenkung ist am siebenten
Tage sehr dünn und hängt noch sehr eng mit der weichen Hirnhaut zusammen.
Ich finde aber dennoch keine wahre Lücke im Markblatte. Später wird das
Markblatt dicker und die Einsenkung nimmt ab. Wenn nun die bisherige Dar-
stellung richtig war, so lässt sich mit Bestimmtheit behaupten, dass das grosse
Hirn und die Vierhügel bis jetzt in ihrer Decke nicht offen gewesen sind. Da-
gegen ist die dritte Hirnhöhle in ihrem vordern Theile ganz weit geöffnet, ja die
Ränder der Seitenblätter drängen stark nach aussen, so dass der Saum der letztern
sich umwirft, wenn man die Hirnhaut wegnimmt. Ueber die Oeffnung der
vierten Hirnhöhle ist nie ein Streit gewesen. Nur im ersten Auftreten ist auch
hier der Centraltheil des Nervensystems geschlossen (§. 2. m. §. 5. aa.).

Oeffnet man das Hirn, so sieht man im Innern desselben jetzt sehr deut-
lich den gestreiften Körper, um den der Seitenventrikel sich windet. Es ist der
Kolben, von welchem wir am fünften Tage berichteten, dass er das eine Ende
des Hirnstammes bilde. Er wächst vom fünften bis zum siebenten Tage sehr
rasch, und wie es scheint vorzüglich in die Höhe, denn die Fortsetzung des Hirn-
stammes scheint jetzt mehr in seine Basis zu gehen, als in seine Masse, eine An-
sicht, die zum Theil auch darauf beruhen mag, dass das grosse Hirn sich etwas
aus seiner Krümmung gehoben hat.

An der Spitze des Trichters bemerkt man ein kleines Knöpfchen, den
Hirnanhang, der noch wenig vom Trichter getrennt ist, und vielleicht einer Ver-
wachsung der Spitze des Trichters seinen Ursprung verdankt.

Die

weil am sechsten Tage die Verhältnisse unverkennbar sind. Am siebenten Tage
scheinen die vordern Schenkel des Gewölbes etwas dicker an ihren Enden, wo sie
in den Boden des Hirnes übergehen. Es geht aus der gegebenen Darstellung her-
vor, daſs unter den hintern Schenkeln des Gewölbes ein offener Uebergang in die
Blasen der dritten Hirnhöhle sich findet.

Was aber das Offenseyn der ganzen Hirumasse anlangt, so kann man jetzt
darüber näher entscheiden, da die weiche Hirnhaut zu erkennen ist. Bei Eröff-
nung der Hemisphäre finde ich immer noch die mittlere Einsenkung ganz von
einer continuirlichen Lage Nervenmasse bedeckt. Allerdings springt die Nerven-
masse in erhärteten Hirnen an der Kante der Einsenkung leicht von einander.
Dieser Umstand rührt aber wohl ohne Zweifel von dem scharfen Winkel her, in
welchem beide Seiten zusammenstoſsen, denn das Aufreiſsen erfolgt mit zackigen
Rändern, und da ich stets Nervenmasse in der Mittellinie erkannt habe, so
zweifle ich nicht, daſs die Decke des groſsen Hirnes bis jetzt nicht offen gewesen
ist. Eher könnte man noch zweifeln, ob nicht die Decke der Vierhügel am
sechsten Tage sich öffnet, denn die Mittellinie der Einsenkung ist am siebenten
Tage sehr dünn und hängt noch sehr eng mit der weichen Hirnhaut zusammen.
Ich finde aber dennoch keine wahre Lücke im Markblatte. Später wird das
Markblatt dicker und die Einsenkung nimmt ab. Wenn nun die bisherige Dar-
stellung richtig war, so läſst sich mit Bestimmtheit behaupten, daſs das groſse
Hirn und die Vierhügel bis jetzt in ihrer Decke nicht offen gewesen sind. Da-
gegen ist die dritte Hirnhöhle in ihrem vordern Theile ganz weit geöffnet, ja die
Ränder der Seitenblätter drängen stark nach auſsen, so daſs der Saum der letztern
sich umwirft, wenn man die Hirnhaut wegnimmt. Ueber die Oeffnung der
vierten Hirnhöhle ist nie ein Streit gewesen. Nur im ersten Auftreten ist auch
hier der Centraltheil des Nervensystems geschlossen (§. 2. m. §. 5. aa.).

Oeffnet man das Hirn, so sieht man im Innern desselben jetzt sehr deut-
lich den gestreiften Körper, um den der Seitenventrikel sich windet. Es ist der
Kolben, von welchem wir am fünften Tage berichteten, daſs er das eine Ende
des Hirnstammes bilde. Er wächst vom fünften bis zum siebenten Tage sehr
rasch, und wie es scheint vorzüglich in die Höhe, denn die Fortsetzung des Hirn-
stammes scheint jetzt mehr in seine Basis zu gehen, als in seine Masse, eine An-
sicht, die zum Theil auch darauf beruhen mag, daſs das groſse Hirn sich etwas
aus seiner Krümmung gehoben hat.

An der Spitze des Trichters bemerkt man ein kleines Knöpfchen, den
Hirnanhang, der noch wenig vom Trichter getrennt ist, und vielleicht einer Ver-
wachsung der Spitze des Trichters seinen Ursprung verdankt.

Die
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[104/0134] weil am sechsten Tage die Verhältnisse unverkennbar sind. Am siebenten Tage scheinen die vordern Schenkel des Gewölbes etwas dicker an ihren Enden, wo sie in den Boden des Hirnes übergehen. Es geht aus der gegebenen Darstellung her- vor, daſs unter den hintern Schenkeln des Gewölbes ein offener Uebergang in die Blasen der dritten Hirnhöhle sich findet. Was aber das Offenseyn der ganzen Hirumasse anlangt, so kann man jetzt darüber näher entscheiden, da die weiche Hirnhaut zu erkennen ist. Bei Eröff- nung der Hemisphäre finde ich immer noch die mittlere Einsenkung ganz von einer continuirlichen Lage Nervenmasse bedeckt. Allerdings springt die Nerven- masse in erhärteten Hirnen an der Kante der Einsenkung leicht von einander. Dieser Umstand rührt aber wohl ohne Zweifel von dem scharfen Winkel her, in welchem beide Seiten zusammenstoſsen, denn das Aufreiſsen erfolgt mit zackigen Rändern, und da ich stets Nervenmasse in der Mittellinie erkannt habe, so zweifle ich nicht, daſs die Decke des groſsen Hirnes bis jetzt nicht offen gewesen ist. Eher könnte man noch zweifeln, ob nicht die Decke der Vierhügel am sechsten Tage sich öffnet, denn die Mittellinie der Einsenkung ist am siebenten Tage sehr dünn und hängt noch sehr eng mit der weichen Hirnhaut zusammen. Ich finde aber dennoch keine wahre Lücke im Markblatte. Später wird das Markblatt dicker und die Einsenkung nimmt ab. Wenn nun die bisherige Dar- stellung richtig war, so läſst sich mit Bestimmtheit behaupten, daſs das groſse Hirn und die Vierhügel bis jetzt in ihrer Decke nicht offen gewesen sind. Da- gegen ist die dritte Hirnhöhle in ihrem vordern Theile ganz weit geöffnet, ja die Ränder der Seitenblätter drängen stark nach auſsen, so daſs der Saum der letztern sich umwirft, wenn man die Hirnhaut wegnimmt. Ueber die Oeffnung der vierten Hirnhöhle ist nie ein Streit gewesen. Nur im ersten Auftreten ist auch hier der Centraltheil des Nervensystems geschlossen (§. 2. m. §. 5. aa.). Oeffnet man das Hirn, so sieht man im Innern desselben jetzt sehr deut- lich den gestreiften Körper, um den der Seitenventrikel sich windet. Es ist der Kolben, von welchem wir am fünften Tage berichteten, daſs er das eine Ende des Hirnstammes bilde. Er wächst vom fünften bis zum siebenten Tage sehr rasch, und wie es scheint vorzüglich in die Höhe, denn die Fortsetzung des Hirn- stammes scheint jetzt mehr in seine Basis zu gehen, als in seine Masse, eine An- sicht, die zum Theil auch darauf beruhen mag, daſs das groſse Hirn sich etwas aus seiner Krümmung gehoben hat. An der Spitze des Trichters bemerkt man ein kleines Knöpfchen, den Hirnanhang, der noch wenig vom Trichter getrennt ist, und vielleicht einer Ver- wachsung der Spitze des Trichters seinen Ursprung verdankt. Die

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/134>, abgerufen am 06.05.2024.