Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 3.
Weitere Umbildung aus der einfachen Röhrenform.

Wir haben im vorigen Paragraphen zu zeigen gesucht, wie durch das
Schema, welches die Entwickelung der Wirbelthiere beherrscht, aus einem blatt-
förmigen Keime, in welchem eine primäre Sonderung in Schichten gegeben ist,
die Grundform der Wirbelthiere gebildet wird, die aus heterogenen in einander
steckenden Röhren besteht. Es wird nun nicht unpassend seyn, die weitere
Umbildung zu verfolgen, um zu untersuchen, ob in derselben auch einige allge-
meine Verhältnisse aufgefunden werden, wodurch sie uns verständlicher wird.

Diese Umbildung erfolgt durch morphologische und histologische Son-
derung. Wir finden dabei zuvörderst, dass je früher ein Fundamentalorgan auf-
getreten ist, um so rascher es sich auch umbildet, so dass die Röhrenform in den
frühesten Fundamentalorganen fast nur in der Idee besteht.

Es entwickelt sich überhaupt die Rückenhälfte rascher als die Bauchhälfte.a. Wie die
Analogie in
den ver-
schiedenen
Dimensio-
nen auf die
Umbildung
wirkt.

Nach §. 1. b. dieses Scholions wiederholt sich aber das physiologische Verhältniss,
das in der Dimension der Tiefe von oben nach unten sich offenbart, auch in der
Flächendimension vom Centrum nach der Peripherie zu und, so bald der Embryo
als solcher sich zeigt, am stärksten in der Längendimension von vorn nach hinten.
Hiermit übereinstimmend wächst die Mitte des Embryo stärker, als seine Peripherie,
und hierauf lässt sich die ganze Metamorphose, die wir Erhebung und darauf
folgende Abschnürung des Embryo genannt haben, zurückführen, denn die Er-
hebung ist ja ein Zurückbleiben der Peripherie des noch ganz in der Fläche aus-
gebreiteten Embryo gegen die Mitte, wozu bei fortgehendem Wachsthume auch
wirkliche Verkleinerung tritt. -- Indem dasselbe Verhältniss des schnelleren
Wachsthumes in der Längendimension vorn am stärksten wirkt, wird die Bil-
dung des Kopfes dadurch veranlasst.

Die Rückenplatten nämlich erheben sich, ihr oberer Rand wächst amb. Dadurch
bilden sich
die Central-
theile in den
Fundamen-
talorganen.

raschesten und besonders am vordern Ende. Schon aus diesem Grunde müssen
sie sich vorn nach unten umbeugen. Dazu kommt noch, dass auch die Ab-
schnürung am vordern Ende zuerst wirksam ist. So wird der vorderste Theil der
Rückenröhre rasch umgebogen und die Abgrenzung des Kopfes wird dadurch
angedeutet, obgleich nach hinten die Grenze noch nicht bestimmt ist und auch
vorn und unten der Anfang der Bauchplatten ohne Abgrenzung an dem Vorder-
ende der Rückenplatten anliegt. Nun entsteht das merkwürdige Verhältniss, dass
bei fortgehender Krümmung jedesmal der am meisten nach vorn liegende Theil
des Kopfes, in welchem unterdessen ein Hirn sich zu sondern angefangen hat, am

§. 3.
Weitere Umbildung aus der einfachen Röhrenform.

Wir haben im vorigen Paragraphen zu zeigen gesucht, wie durch das
Schema, welches die Entwickelung der Wirbelthiere beherrscht, aus einem blatt-
förmigen Keime, in welchem eine primäre Sonderung in Schichten gegeben ist,
die Grundform der Wirbelthiere gebildet wird, die aus heterogenen in einander
steckenden Röhren besteht. Es wird nun nicht unpassend seyn, die weitere
Umbildung zu verfolgen, um zu untersuchen, ob in derselben auch einige allge-
meine Verhältnisse aufgefunden werden, wodurch sie uns verständlicher wird.

Diese Umbildung erfolgt durch morphologische und histologische Son-
derung. Wir finden dabei zuvörderst, daſs je früher ein Fundamentalorgan auf-
getreten ist, um so rascher es sich auch umbildet, so daſs die Röhrenform in den
frühesten Fundamentalorganen fast nur in der Idee besteht.

Es entwickelt sich überhaupt die Rückenhälfte rascher als die Bauchhälfte.a. Wie die
Analogie in
den ver-
schiedenen
Dimensio-
nen auf die
Umbildung
wirkt.

Nach §. 1. b. dieses Scholions wiederholt sich aber das physiologische Verhältniſs,
das in der Dimension der Tiefe von oben nach unten sich offenbart, auch in der
Flächendimension vom Centrum nach der Peripherie zu und, so bald der Embryo
als solcher sich zeigt, am stärksten in der Längendimension von vorn nach hinten.
Hiermit übereinstimmend wächst die Mitte des Embryo stärker, als seine Peripherie,
und hierauf läſst sich die ganze Metamorphose, die wir Erhebung und darauf
folgende Abschnürung des Embryo genannt haben, zurückführen, denn die Er-
hebung ist ja ein Zurückbleiben der Peripherie des noch ganz in der Fläche aus-
gebreiteten Embryo gegen die Mitte, wozu bei fortgehendem Wachsthume auch
wirkliche Verkleinerung tritt. — Indem dasselbe Verhältniſs des schnelleren
Wachsthumes in der Längendimension vorn am stärksten wirkt, wird die Bil-
dung des Kopfes dadurch veranlaſst.

Die Rückenplatten nämlich erheben sich, ihr oberer Rand wächst amb. Dadurch
bilden sich
die Central-
theile in den
Fundamen-
talorganen.

raschesten und besonders am vordern Ende. Schon aus diesem Grunde müssen
sie sich vorn nach unten umbeugen. Dazu kommt noch, daſs auch die Ab-
schnürung am vordern Ende zuerst wirksam ist. So wird der vorderste Theil der
Rückenröhre rasch umgebogen und die Abgrenzung des Kopfes wird dadurch
angedeutet, obgleich nach hinten die Grenze noch nicht bestimmt ist und auch
vorn und unten der Anfang der Bauchplatten ohne Abgrenzung an dem Vorder-
ende der Rückenplatten anliegt. Nun entsteht das merkwürdige Verhältniſs, daſs
bei fortgehender Krümmung jedesmal der am meisten nach vorn liegende Theil
des Kopfes, in welchem unterdessen ein Hirn sich zu sondern angefangen hat, am

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0203" n="173"/>
          <div n="3">
            <head>§. 3.<lb/><hi rendition="#i">Weitere Umbildung aus der einfachen Röhrenform.</hi></head><lb/>
            <p>Wir haben im vorigen Paragraphen zu zeigen gesucht, wie durch das<lb/>
Schema, welches die Entwickelung der Wirbelthiere beherrscht, aus einem blatt-<lb/>
förmigen Keime, in welchem eine primäre Sonderung in Schichten gegeben ist,<lb/>
die Grundform der Wirbelthiere gebildet wird, die aus heterogenen in einander<lb/>
steckenden Röhren besteht. Es wird nun nicht unpassend seyn, die weitere<lb/>
Umbildung zu verfolgen, um zu untersuchen, ob in derselben auch einige allge-<lb/>
meine Verhältnisse aufgefunden werden, wodurch sie uns verständlicher wird.</p><lb/>
            <p>Diese Umbildung erfolgt durch morphologische und histologische Son-<lb/>
derung. Wir finden dabei zuvörderst, da&#x017F;s je früher ein Fundamentalorgan auf-<lb/>
getreten ist, um so rascher es sich auch umbildet, so da&#x017F;s die Röhrenform in den<lb/>
frühesten Fundamentalorganen fast nur in der Idee besteht.</p><lb/>
            <p>Es entwickelt sich überhaupt die Rückenhälfte rascher als die Bauchhälfte.<note place="right"><hi rendition="#i">a.</hi> Wie die<lb/>
Analogie in<lb/>
den ver-<lb/>
schiedenen<lb/>
Dimensio-<lb/>
nen auf die<lb/>
Umbildung<lb/>
wirkt.</note><lb/>
Nach §. 1. <hi rendition="#i">b.</hi> dieses Scholions wiederholt sich aber das physiologische Verhältni&#x017F;s,<lb/>
das in der Dimension der Tiefe von oben nach unten sich offenbart, auch in der<lb/>
Flächendimension vom Centrum nach der Peripherie zu und, so bald der Embryo<lb/>
als solcher sich zeigt, am stärksten in der Längendimension von vorn nach hinten.<lb/>
Hiermit übereinstimmend wächst die Mitte des Embryo stärker, als seine Peripherie,<lb/>
und hierauf lä&#x017F;st sich die ganze Metamorphose, die wir Erhebung und darauf<lb/>
folgende Abschnürung des Embryo genannt haben, zurückführen, denn die Er-<lb/>
hebung ist ja ein Zurückbleiben der Peripherie des noch ganz in der Fläche aus-<lb/>
gebreiteten Embryo gegen die Mitte, wozu bei fortgehendem Wachsthume auch<lb/>
wirkliche Verkleinerung tritt. &#x2014; Indem dasselbe Verhältni&#x017F;s des schnelleren<lb/>
Wachsthumes in der Längendimension vorn am stärksten wirkt, wird die Bil-<lb/>
dung des Kopfes dadurch veranla&#x017F;st.</p><lb/>
            <p>Die Rückenplatten nämlich erheben sich, ihr oberer Rand wächst am<note place="right"><hi rendition="#i">b.</hi> Dadurch<lb/>
bilden sich<lb/>
die Central-<lb/>
theile in den<lb/>
Fundamen-<lb/>
talorganen.</note><lb/>
raschesten und besonders am vordern Ende. Schon aus diesem Grunde müssen<lb/>
sie sich vorn nach unten umbeugen. Dazu kommt noch, da&#x017F;s auch die Ab-<lb/>
schnürung am vordern Ende zuerst wirksam ist. So wird der vorderste Theil der<lb/>
Rückenröhre rasch umgebogen und die Abgrenzung des Kopfes wird dadurch<lb/>
angedeutet, obgleich nach hinten die Grenze noch nicht bestimmt ist und auch<lb/>
vorn und unten der Anfang der Bauchplatten ohne Abgrenzung an dem Vorder-<lb/>
ende der Rückenplatten anliegt. Nun entsteht das merkwürdige Verhältni&#x017F;s, da&#x017F;s<lb/>
bei fortgehender Krümmung jedesmal der am meisten nach vorn liegende Theil<lb/>
des Kopfes, in welchem unterdessen ein Hirn sich zu sondern angefangen hat, am<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0203] §. 3. Weitere Umbildung aus der einfachen Röhrenform. Wir haben im vorigen Paragraphen zu zeigen gesucht, wie durch das Schema, welches die Entwickelung der Wirbelthiere beherrscht, aus einem blatt- förmigen Keime, in welchem eine primäre Sonderung in Schichten gegeben ist, die Grundform der Wirbelthiere gebildet wird, die aus heterogenen in einander steckenden Röhren besteht. Es wird nun nicht unpassend seyn, die weitere Umbildung zu verfolgen, um zu untersuchen, ob in derselben auch einige allge- meine Verhältnisse aufgefunden werden, wodurch sie uns verständlicher wird. Diese Umbildung erfolgt durch morphologische und histologische Son- derung. Wir finden dabei zuvörderst, daſs je früher ein Fundamentalorgan auf- getreten ist, um so rascher es sich auch umbildet, so daſs die Röhrenform in den frühesten Fundamentalorganen fast nur in der Idee besteht. Es entwickelt sich überhaupt die Rückenhälfte rascher als die Bauchhälfte. Nach §. 1. b. dieses Scholions wiederholt sich aber das physiologische Verhältniſs, das in der Dimension der Tiefe von oben nach unten sich offenbart, auch in der Flächendimension vom Centrum nach der Peripherie zu und, so bald der Embryo als solcher sich zeigt, am stärksten in der Längendimension von vorn nach hinten. Hiermit übereinstimmend wächst die Mitte des Embryo stärker, als seine Peripherie, und hierauf läſst sich die ganze Metamorphose, die wir Erhebung und darauf folgende Abschnürung des Embryo genannt haben, zurückführen, denn die Er- hebung ist ja ein Zurückbleiben der Peripherie des noch ganz in der Fläche aus- gebreiteten Embryo gegen die Mitte, wozu bei fortgehendem Wachsthume auch wirkliche Verkleinerung tritt. — Indem dasselbe Verhältniſs des schnelleren Wachsthumes in der Längendimension vorn am stärksten wirkt, wird die Bil- dung des Kopfes dadurch veranlaſst. a. Wie die Analogie in den ver- schiedenen Dimensio- nen auf die Umbildung wirkt. Die Rückenplatten nämlich erheben sich, ihr oberer Rand wächst am raschesten und besonders am vordern Ende. Schon aus diesem Grunde müssen sie sich vorn nach unten umbeugen. Dazu kommt noch, daſs auch die Ab- schnürung am vordern Ende zuerst wirksam ist. So wird der vorderste Theil der Rückenröhre rasch umgebogen und die Abgrenzung des Kopfes wird dadurch angedeutet, obgleich nach hinten die Grenze noch nicht bestimmt ist und auch vorn und unten der Anfang der Bauchplatten ohne Abgrenzung an dem Vorder- ende der Rückenplatten anliegt. Nun entsteht das merkwürdige Verhältniſs, daſs bei fortgehender Krümmung jedesmal der am meisten nach vorn liegende Theil des Kopfes, in welchem unterdessen ein Hirn sich zu sondern angefangen hat, am b. Dadurch bilden sich die Central- theile in den Fundamen- talorganen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/203
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/203>, abgerufen am 28.04.2024.