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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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schenformen lasse ich vorläufig unberücksichtigt und verweise auf die angeführte
Abhandlung. Die Haupttypen muss ich aber hier nochmals hervorheben.

Ich glaube, dass vier Haupttypen sich deutlich nachweisen lassen: der pe-
ripherische oder strahlige Typus, der gegliederte oder Längen-Typus, der mas-
sige oder Mollusken-Typus, und der Typus der Wirbelthiere *).

Der peripherische Typus wird dargestellt durch einige tellerförmige Infu-c. Periphe-
rischer Ty-
pus.

sorien, die Rhizostomen, Medusen, Asterien. Die Dimension der Fläche ist in
der äussern Form repräsentirt. Der Hauptgegensatz ist der vom Centrum zur Pe-
ripherie. Vom Mittelpunkt zum Umfange nämlich geht der Gegensatz der Auf-
nahme zur Ausscheidung. Diesem entsprechend ist die ganze Organisation strah-
lenförmig um einen Mittelpunkt vertheilt. Ausserdem ist nur noch der Gegensatz
von oben und unten ausgebildet, aber in schwächerem Grade; ein Gegensatz von
rechts und links von hinten und vorn besteht gar nicht. Die Bewegung ist daher
richtungslos. -- Da die ganze Organisation strahlenförmig um einen Mittelpunkt
vertheilt ist, so sind die Centra aller organischen Systeme im Mittelpunkte oder
ringförmig um den Mittelpunkt gelagert, (so in der Mitte der Magen, um ihn die
Nerven und Gefässkreise, wenn diese Theile überhaupt ausgebildet sind,) von ih-
nen aus gehen die Aeste in die Strahlen ab. In jedem Strahle wiederholt sich,
was in einem sich findet, und jeder Strahl, bis an den Mittelpunkt fortgeführt, hat
einen gleichen Antheil auch an den Centraltheilen -- (nur das Harnsystem scheint
davon eine Ausnahme zu machen,) so dass man den ganzen Leib in eine Anzahl
gleicher Sectoren theilen kann, und der Verlust eines Strahles, sobald die Mitte
unverletzt bleibt, das Leben nicht stört, indem diesem für seine Integrität kein
nothwendiger Theil abgeht.

Im Längentypus, den wir in Vibrionen, in Filarien, im Gordius **), ind. Längen-
Typus.

den Naiden und in der ganzen Reihe der gegliederten Thiere finden, ist der Ge-
gensatz von Aufnahme und Ausscheidung an die beiden Enden des Thiers verlegt
und dieser beherrscht die gesammte Organisation. -- Mund und After sind an
den beiden Enden, gewöhnlich auch die Geschlechtstheile, doch finden diese zu-
weilen ihre Ausmündung weiter nach vorn, jedoch die weiblichen, die nicht blos

*) Ich lasse es hier unentschieden, ob man in denjenigen Thieren, wo die ganze Organisation mit
peripherischer Gleichförmigkeit nicht um einen Mittelpunkt, sondern um eine Axe gelagert ist,
wie in den Holothurien, nicht einen besondern Typus erkennen soll. Aufnahme und Ausschei-
dung bilden hier nicht den Gegensatz vom Centrum zur Peripherie, sondern zwei Enden einer
Linie, und um diese Axe herum ist die übrige Organisation peripherisch vertheilt. Hierher könn-
ten auf niederer Stufe die Naematoideen gehören, und vielleicht noch niedere Formen.
**) Wenn diese Thiere oder einige von ihnen nicht vielleicht nach der vorigen Anmerkung in einen
eigenen Typus mit den Holothurien zu bringen sind.
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schenformen lasse ich vorläufig unberücksichtigt und verweise auf die angeführte
Abhandlung. Die Haupttypen muſs ich aber hier nochmals hervorheben.

Ich glaube, daſs vier Haupttypen sich deutlich nachweisen lassen: der pe-
ripherische oder strahlige Typus, der gegliederte oder Längen-Typus, der mas-
sige oder Mollusken-Typus, und der Typus der Wirbelthiere *).

Der peripherische Typus wird dargestellt durch einige tellerförmige Infu-c. Periphe-
rischer Ty-
pus.

sorien, die Rhizostomen, Medusen, Asterien. Die Dimension der Fläche ist in
der äuſsern Form repräsentirt. Der Hauptgegensatz ist der vom Centrum zur Pe-
ripherie. Vom Mittelpunkt zum Umfange nämlich geht der Gegensatz der Auf-
nahme zur Ausscheidung. Diesem entsprechend ist die ganze Organisation strah-
lenförmig um einen Mittelpunkt vertheilt. Auſserdem ist nur noch der Gegensatz
von oben und unten ausgebildet, aber in schwächerem Grade; ein Gegensatz von
rechts und links von hinten und vorn besteht gar nicht. Die Bewegung ist daher
richtungslos. — Da die ganze Organisation strahlenförmig um einen Mittelpunkt
vertheilt ist, so sind die Centra aller organischen Systeme im Mittelpunkte oder
ringförmig um den Mittelpunkt gelagert, (so in der Mitte der Magen, um ihn die
Nerven und Gefäſskreise, wenn diese Theile überhaupt ausgebildet sind,) von ih-
nen aus gehen die Aeste in die Strahlen ab. In jedem Strahle wiederholt sich,
was in einem sich findet, und jeder Strahl, bis an den Mittelpunkt fortgeführt, hat
einen gleichen Antheil auch an den Centraltheilen — (nur das Harnsystem scheint
davon eine Ausnahme zu machen,) so daſs man den ganzen Leib in eine Anzahl
gleicher Sectoren theilen kann, und der Verlust eines Strahles, sobald die Mitte
unverletzt bleibt, das Leben nicht stört, indem diesem für seine Integrität kein
nothwendiger Theil abgeht.

Im Längentypus, den wir in Vibrionen, in Filarien, im Gordius **), ind. Längen-
Typus.

den Naiden und in der ganzen Reihe der gegliederten Thiere finden, ist der Ge-
gensatz von Aufnahme und Ausscheidung an die beiden Enden des Thiers verlegt
und dieser beherrscht die gesammte Organisation. — Mund und After sind an
den beiden Enden, gewöhnlich auch die Geschlechtstheile, doch finden diese zu-
weilen ihre Ausmündung weiter nach vorn, jedoch die weiblichen, die nicht blos

*) Ich lasse es hier unentschieden, ob man in denjenigen Thieren, wo die ganze Organisation mit
peripherischer Gleichförmigkeit nicht um einen Mittelpunkt, sondern um eine Axe gelagert ist,
wie in den Holothurien, nicht einen besondern Typus erkennen soll. Aufnahme und Ausschei-
dung bilden hier nicht den Gegensatz vom Centrum zur Peripherie, sondern zwei Enden einer
Linie, und um diese Axe herum ist die übrige Organisation peripherisch vertheilt. Hierher könn-
ten auf niederer Stufe die Naematoideen gehören, und vielleicht noch niedere Formen.
**) Wenn diese Thiere oder einige von ihnen nicht vielleicht nach der vorigen Anmerkung in einen
eigenen Typus mit den Holothurien zu bringen sind.
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[209/0239] schenformen lasse ich vorläufig unberücksichtigt und verweise auf die angeführte Abhandlung. Die Haupttypen muſs ich aber hier nochmals hervorheben. Ich glaube, daſs vier Haupttypen sich deutlich nachweisen lassen: der pe- ripherische oder strahlige Typus, der gegliederte oder Längen-Typus, der mas- sige oder Mollusken-Typus, und der Typus der Wirbelthiere *). Der peripherische Typus wird dargestellt durch einige tellerförmige Infu- sorien, die Rhizostomen, Medusen, Asterien. Die Dimension der Fläche ist in der äuſsern Form repräsentirt. Der Hauptgegensatz ist der vom Centrum zur Pe- ripherie. Vom Mittelpunkt zum Umfange nämlich geht der Gegensatz der Auf- nahme zur Ausscheidung. Diesem entsprechend ist die ganze Organisation strah- lenförmig um einen Mittelpunkt vertheilt. Auſserdem ist nur noch der Gegensatz von oben und unten ausgebildet, aber in schwächerem Grade; ein Gegensatz von rechts und links von hinten und vorn besteht gar nicht. Die Bewegung ist daher richtungslos. — Da die ganze Organisation strahlenförmig um einen Mittelpunkt vertheilt ist, so sind die Centra aller organischen Systeme im Mittelpunkte oder ringförmig um den Mittelpunkt gelagert, (so in der Mitte der Magen, um ihn die Nerven und Gefäſskreise, wenn diese Theile überhaupt ausgebildet sind,) von ih- nen aus gehen die Aeste in die Strahlen ab. In jedem Strahle wiederholt sich, was in einem sich findet, und jeder Strahl, bis an den Mittelpunkt fortgeführt, hat einen gleichen Antheil auch an den Centraltheilen — (nur das Harnsystem scheint davon eine Ausnahme zu machen,) so daſs man den ganzen Leib in eine Anzahl gleicher Sectoren theilen kann, und der Verlust eines Strahles, sobald die Mitte unverletzt bleibt, das Leben nicht stört, indem diesem für seine Integrität kein nothwendiger Theil abgeht. c. Periphe- rischer Ty- pus. Im Längentypus, den wir in Vibrionen, in Filarien, im Gordius **), in den Naiden und in der ganzen Reihe der gegliederten Thiere finden, ist der Ge- gensatz von Aufnahme und Ausscheidung an die beiden Enden des Thiers verlegt und dieser beherrscht die gesammte Organisation. — Mund und After sind an den beiden Enden, gewöhnlich auch die Geschlechtstheile, doch finden diese zu- weilen ihre Ausmündung weiter nach vorn, jedoch die weiblichen, die nicht blos d. Längen- Typus. *) Ich lasse es hier unentschieden, ob man in denjenigen Thieren, wo die ganze Organisation mit peripherischer Gleichförmigkeit nicht um einen Mittelpunkt, sondern um eine Axe gelagert ist, wie in den Holothurien, nicht einen besondern Typus erkennen soll. Aufnahme und Ausschei- dung bilden hier nicht den Gegensatz vom Centrum zur Peripherie, sondern zwei Enden einer Linie, und um diese Axe herum ist die übrige Organisation peripherisch vertheilt. Hierher könn- ten auf niederer Stufe die Naematoideen gehören, und vielleicht noch niedere Formen. **) Wenn diese Thiere oder einige von ihnen nicht vielleicht nach der vorigen Anmerkung in einen eigenen Typus mit den Holothurien zu bringen sind. D d

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/239>, abgerufen am 28.04.2024.