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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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Gedanken aufgeregt zu haben. Das Meiste scheint mir freilich so schlagende
Wahrheit zu haben, dass ich nicht umhin kann, zu hoffen, es werde bald
als solche anerkannt werden. Dahin rechne ich die Ansicht von der Meta-
morphosenreihe des Individuums.

Um diese beiden Abhandlungen auch für augehende Naturforscher und
Aerzte verständlich zu machen, die mit dem Studium der Entwickelungs-
geschichte sich noch nicht beschäftigt haben, suchte ich nach zweien früher
von mir gehaltenen populären Vorträgen eine leicht fassliche Darstellung zu
entwerfen, die ich, da dieser erste Band schon ansehnlich geworden ist, für ei-
nen zweiten, in wenigen Wochen nachfolgenden, mit dem das Ganze schliesst,
zurückgelegt habe. Sie wird vor allen Dingen auch als Ergänzung der ersten
Abhandlung dieses Bandes zu betrachten seyn. Hier setze ich den Bau des
befruchteten Eies als bekannt voraus. Dort soll ein Abriss der Bildung des
Eies bis zur Befruchtung gegeben werden und eine Beschreibung seiner Theile,
damit man sich in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte orientiren
könne. Wenn ich dabei wenig Eigenes gebe, so ist hierüber Niemand an-
zuklagen als Purkinje, der mir so wenig Neues zu sagen und zu finden
übrig gelassen hat. Dennoch hoffe ich, dass diese Darstellung für Anfänger
nicht überflüssig erscheinen wird. Ich weiss aus eigner Erfahrung, wie
schwierig es ist, sich die erste Einsicht in die bisherigen Leistungen im Fache
der Entwickelungsgeschichte zu erwerben, besonders wenn man mehrere Schrift-
steller zugleich oder rasch nach einander studirt, wo die Verschiedenheit der
Benennungen, auch wenn sie nicht gross ist, doch sehr verwirrt. Daher
wird auch das Wesentlichste in dem Fortgange der Entwickelung des Hühn-
chens mit zwei Pinselstrichen nochmals zusammengefasst werden, weil man,
ohne mit dieser Vorkenntniss ausgerüstet zu seyn, in der Darstellung des Ein-
zelnen sich nur zu leicht verliert. Auch soll, da die Aerzte in der Regel
mehr mit der Form des Eies des Menschen und der übrigen Säugethiere in
späterer Zeit bekannt sind, zur Zurechtfindung derselben eine kurze Verglei-

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Gedanken aufgeregt zu haben. Das Meiste scheint mir freilich so schlagende
Wahrheit zu haben, daſs ich nicht umhin kann, zu hoffen, es werde bald
als solche anerkannt werden. Dahin rechne ich die Ansicht von der Meta-
morphosenreihe des Individuums.

Um diese beiden Abhandlungen auch für augehende Naturforscher und
Aerzte verständlich zu machen, die mit dem Studium der Entwickelungs-
geschichte sich noch nicht beschäftigt haben, suchte ich nach zweien früher
von mir gehaltenen populären Vorträgen eine leicht faſsliche Darstellung zu
entwerfen, die ich, da dieser erste Band schon ansehnlich geworden ist, für ei-
nen zweiten, in wenigen Wochen nachfolgenden, mit dem das Ganze schlieſst,
zurückgelegt habe. Sie wird vor allen Dingen auch als Ergänzung der ersten
Abhandlung dieses Bandes zu betrachten seyn. Hier setze ich den Bau des
befruchteten Eies als bekannt voraus. Dort soll ein Abriſs der Bildung des
Eies bis zur Befruchtung gegeben werden und eine Beschreibung seiner Theile,
damit man sich in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte orientiren
könne. Wenn ich dabei wenig Eigenes gebe, so ist hierüber Niemand an-
zuklagen als Purkinje, der mir so wenig Neues zu sagen und zu finden
übrig gelassen hat. Dennoch hoffe ich, daſs diese Darstellung für Anfänger
nicht überflüssig erscheinen wird. Ich weiſs aus eigner Erfahrung, wie
schwierig es ist, sich die erste Einsicht in die bisherigen Leistungen im Fache
der Entwickelungsgeschichte zu erwerben, besonders wenn man mehrere Schrift-
steller zugleich oder rasch nach einander studirt, wo die Verschiedenheit der
Benennungen, auch wenn sie nicht groſs ist, doch sehr verwirrt. Daher
wird auch das Wesentlichste in dem Fortgange der Entwickelung des Hühn-
chens mit zwei Pinselstrichen nochmals zusammengefaſst werden, weil man,
ohne mit dieser Vorkenntniſs ausgerüstet zu seyn, in der Darstellung des Ein-
zelnen sich nur zu leicht verliert. Auch soll, da die Aerzte in der Regel
mehr mit der Form des Eies des Menschen und der übrigen Säugethiere in
späterer Zeit bekannt sind, zur Zurechtfindung derselben eine kurze Verglei-

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[XIX/0025] Gedanken aufgeregt zu haben. Das Meiste scheint mir freilich so schlagende Wahrheit zu haben, daſs ich nicht umhin kann, zu hoffen, es werde bald als solche anerkannt werden. Dahin rechne ich die Ansicht von der Meta- morphosenreihe des Individuums. Um diese beiden Abhandlungen auch für augehende Naturforscher und Aerzte verständlich zu machen, die mit dem Studium der Entwickelungs- geschichte sich noch nicht beschäftigt haben, suchte ich nach zweien früher von mir gehaltenen populären Vorträgen eine leicht faſsliche Darstellung zu entwerfen, die ich, da dieser erste Band schon ansehnlich geworden ist, für ei- nen zweiten, in wenigen Wochen nachfolgenden, mit dem das Ganze schlieſst, zurückgelegt habe. Sie wird vor allen Dingen auch als Ergänzung der ersten Abhandlung dieses Bandes zu betrachten seyn. Hier setze ich den Bau des befruchteten Eies als bekannt voraus. Dort soll ein Abriſs der Bildung des Eies bis zur Befruchtung gegeben werden und eine Beschreibung seiner Theile, damit man sich in der Darstellung der Entwickelungsgeschichte orientiren könne. Wenn ich dabei wenig Eigenes gebe, so ist hierüber Niemand an- zuklagen als Purkinje, der mir so wenig Neues zu sagen und zu finden übrig gelassen hat. Dennoch hoffe ich, daſs diese Darstellung für Anfänger nicht überflüssig erscheinen wird. Ich weiſs aus eigner Erfahrung, wie schwierig es ist, sich die erste Einsicht in die bisherigen Leistungen im Fache der Entwickelungsgeschichte zu erwerben, besonders wenn man mehrere Schrift- steller zugleich oder rasch nach einander studirt, wo die Verschiedenheit der Benennungen, auch wenn sie nicht groſs ist, doch sehr verwirrt. Daher wird auch das Wesentlichste in dem Fortgange der Entwickelung des Hühn- chens mit zwei Pinselstrichen nochmals zusammengefaſst werden, weil man, ohne mit dieser Vorkenntniſs ausgerüstet zu seyn, in der Darstellung des Ein- zelnen sich nur zu leicht verliert. Auch soll, da die Aerzte in der Regel mehr mit der Form des Eies des Menschen und der übrigen Säugethiere in späterer Zeit bekannt sind, zur Zurechtfindung derselben eine kurze Verglei- c 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/25>, abgerufen am 29.03.2024.