Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorwort.

Nach Pander erfolgt die Entwickelung des Hühnchens im Eie unter einemNothwendi-
ger Wärme-
grad.

Wärmegrade zwischen 28° und 32° R. Ich halte diese Angabe im Allgemeinen
für richtig, wenn man nicht jene Grenzen für unübersteiglich ansieht, und ich
weiss aus Erfahrung, dass es räthlich ist, bei der Brütmaschine sich zwischen
diesen Extremen zu halten. Indessen irrt man, wenn man glaubt, dass eine hö-
here Wärme sogleich tödtet, und eine niedere die Entwickelung hemmt. Viel-
mehr dürfte bei eifrig brütenden Hennen, wenn ihr Nest trocken liegt, die
Wärme wohl häufig über 32° seyn. Hievon überzeugte mich vorzüglich das Ge-
fühl der eignen Hand. An der Brütmaschine hatte ich mich so gewöhnt, die
Temperatur von 31°, die, wenig die menschliche Temperatur übersteigend, ein
angenehmes Gefühl von Wärme erregt, zu erkennen, dass ich schon ohne An-
sicht des Thermometers mit Sicherheit entscheiden konnte, ob das Lampenfeuer
zu vermehren war, oder nicht. Ich habe aber mehrere Hennen gehabt, deren
Nest meiner Hand nicht das Gefühl von angenehmer Wärme, sondern von einem
gelinden Grade von Hitze gab, die 32° zu übersteigen schien. Unmittelbare Mes-
sungs-Versuche habe ich noch nicht anstellen können, weil mir kein hinläng-
lich kleines Thermometer zu Gebote stand. -- In der Brütmaschine war die
Temperatur zuweilen auf kürzere Zeit bis zu 35° gestiegen, ohne dass die Eier ab-
gestanden wären, ausgenommen wenn sie das Metall unmittelbar berührten.
Im letztern Falle zeigte der zunächst gelegene Theil des Dotters eine Zersetzung,
und jüngere Embryonen, sie mochten mehr oder weniger von der angegriffenen
Stelle des Dotters entfernt liegen, waren immer todt. Bei einer Wärme, die
einige Grade geringer als 28° ist, stirbt der Embryo noch weniger ab, sondern
er entwickelt sich nur langsamer; dann folgt ein noch tieferer Grad der Tempe-
ratur, welcher ohne Weiterbildung das Leben doch erhält. An einem Eie, wel-
ches ich im Juli öffnete, nachdem es 30 Stunden lang in der Stube gelegen hatte,

A 2
Vorwort.

Nach Pander erfolgt die Entwickelung des Hühnchens im Eie unter einemNothwendi-
ger Wärme-
grad.

Wärmegrade zwischen 28° und 32° R. Ich halte diese Angabe im Allgemeinen
für richtig, wenn man nicht jene Grenzen für unübersteiglich ansieht, und ich
weiſs aus Erfahrung, daſs es räthlich ist, bei der Brütmaschine sich zwischen
diesen Extremen zu halten. Indessen irrt man, wenn man glaubt, daſs eine hö-
here Wärme sogleich tödtet, und eine niedere die Entwickelung hemmt. Viel-
mehr dürfte bei eifrig brütenden Hennen, wenn ihr Nest trocken liegt, die
Wärme wohl häufig über 32° seyn. Hievon überzeugte mich vorzüglich das Ge-
fühl der eignen Hand. An der Brütmaschine hatte ich mich so gewöhnt, die
Temperatur von 31°, die, wenig die menschliche Temperatur übersteigend, ein
angenehmes Gefühl von Wärme erregt, zu erkennen, daſs ich schon ohne An-
sicht des Thermometers mit Sicherheit entscheiden konnte, ob das Lampenfeuer
zu vermehren war, oder nicht. Ich habe aber mehrere Hennen gehabt, deren
Nest meiner Hand nicht das Gefühl von angenehmer Wärme, sondern von einem
gelinden Grade von Hitze gab, die 32° zu übersteigen schien. Unmittelbare Mes-
sungs-Versuche habe ich noch nicht anstellen können, weil mir kein hinläng-
lich kleines Thermometer zu Gebote stand. — In der Brütmaschine war die
Temperatur zuweilen auf kürzere Zeit bis zu 35° gestiegen, ohne daſs die Eier ab-
gestanden wären, ausgenommen wenn sie das Metall unmittelbar berührten.
Im letztern Falle zeigte der zunächst gelegene Theil des Dotters eine Zersetzung,
und jüngere Embryonen, sie mochten mehr oder weniger von der angegriffenen
Stelle des Dotters entfernt liegen, waren immer todt. Bei einer Wärme, die
einige Grade geringer als 28° ist, stirbt der Embryo noch weniger ab, sondern
er entwickelt sich nur langsamer; dann folgt ein noch tieferer Grad der Tempe-
ratur, welcher ohne Weiterbildung das Leben doch erhält. An einem Eie, wel-
ches ich im Juli öffnete, nachdem es 30 Stunden lang in der Stube gelegen hatte,

A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0033" n="[3]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Vorwort.</hi> </hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">N</hi>ach <hi rendition="#g">Pander</hi> erfolgt die Entwickelung des Hühnchens im Eie unter einem<note place="right">Nothwendi-<lb/>
ger Wärme-<lb/>
grad.</note><lb/>
Wärmegrade zwischen 28° und 32° R. Ich halte diese Angabe im Allgemeinen<lb/>
für richtig, wenn man nicht jene Grenzen für unübersteiglich ansieht, und ich<lb/>
wei&#x017F;s aus Erfahrung, da&#x017F;s es räthlich ist, bei der Brütmaschine sich zwischen<lb/>
diesen Extremen zu halten. Indessen irrt man, wenn man glaubt, da&#x017F;s eine hö-<lb/>
here Wärme sogleich tödtet, und eine niedere die Entwickelung hemmt. Viel-<lb/>
mehr dürfte bei eifrig brütenden Hennen, wenn ihr Nest trocken liegt, die<lb/>
Wärme wohl häufig über 32° seyn. Hievon überzeugte mich vorzüglich das Ge-<lb/>
fühl der eignen Hand. An der Brütmaschine hatte ich mich so gewöhnt, die<lb/>
Temperatur von 31°, die, wenig die menschliche Temperatur übersteigend, ein<lb/>
angenehmes Gefühl von Wärme erregt, zu erkennen, da&#x017F;s ich schon ohne An-<lb/>
sicht des Thermometers mit Sicherheit entscheiden konnte, ob das Lampenfeuer<lb/>
zu vermehren war, oder nicht. Ich habe aber mehrere Hennen gehabt, deren<lb/>
Nest meiner Hand nicht das Gefühl von angenehmer Wärme, sondern von einem<lb/>
gelinden Grade von Hitze gab, die 32° zu übersteigen schien. Unmittelbare Mes-<lb/>
sungs-Versuche habe ich noch nicht anstellen können, weil mir kein hinläng-<lb/>
lich kleines Thermometer zu Gebote stand. &#x2014; In der Brütmaschine war die<lb/>
Temperatur zuweilen auf kürzere Zeit bis zu 35° gestiegen, ohne da&#x017F;s die Eier ab-<lb/>
gestanden wären, ausgenommen wenn sie das Metall unmittelbar berührten.<lb/>
Im letztern Falle zeigte der zunächst gelegene Theil des Dotters eine Zersetzung,<lb/>
und jüngere Embryonen, sie mochten mehr oder weniger von der angegriffenen<lb/>
Stelle des Dotters entfernt liegen, waren immer todt. Bei einer Wärme, die<lb/>
einige Grade geringer als 28° ist, stirbt der Embryo noch weniger ab, sondern<lb/>
er entwickelt sich nur langsamer; dann folgt ein noch tieferer Grad der Tempe-<lb/>
ratur, welcher ohne Weiterbildung das Leben doch erhält. An einem Eie, wel-<lb/>
ches ich im Juli öffnete, nachdem es 30 Stunden lang in der Stube gelegen hatte,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0033] Vorwort. Nach Pander erfolgt die Entwickelung des Hühnchens im Eie unter einem Wärmegrade zwischen 28° und 32° R. Ich halte diese Angabe im Allgemeinen für richtig, wenn man nicht jene Grenzen für unübersteiglich ansieht, und ich weiſs aus Erfahrung, daſs es räthlich ist, bei der Brütmaschine sich zwischen diesen Extremen zu halten. Indessen irrt man, wenn man glaubt, daſs eine hö- here Wärme sogleich tödtet, und eine niedere die Entwickelung hemmt. Viel- mehr dürfte bei eifrig brütenden Hennen, wenn ihr Nest trocken liegt, die Wärme wohl häufig über 32° seyn. Hievon überzeugte mich vorzüglich das Ge- fühl der eignen Hand. An der Brütmaschine hatte ich mich so gewöhnt, die Temperatur von 31°, die, wenig die menschliche Temperatur übersteigend, ein angenehmes Gefühl von Wärme erregt, zu erkennen, daſs ich schon ohne An- sicht des Thermometers mit Sicherheit entscheiden konnte, ob das Lampenfeuer zu vermehren war, oder nicht. Ich habe aber mehrere Hennen gehabt, deren Nest meiner Hand nicht das Gefühl von angenehmer Wärme, sondern von einem gelinden Grade von Hitze gab, die 32° zu übersteigen schien. Unmittelbare Mes- sungs-Versuche habe ich noch nicht anstellen können, weil mir kein hinläng- lich kleines Thermometer zu Gebote stand. — In der Brütmaschine war die Temperatur zuweilen auf kürzere Zeit bis zu 35° gestiegen, ohne daſs die Eier ab- gestanden wären, ausgenommen wenn sie das Metall unmittelbar berührten. Im letztern Falle zeigte der zunächst gelegene Theil des Dotters eine Zersetzung, und jüngere Embryonen, sie mochten mehr oder weniger von der angegriffenen Stelle des Dotters entfernt liegen, waren immer todt. Bei einer Wärme, die einige Grade geringer als 28° ist, stirbt der Embryo noch weniger ab, sondern er entwickelt sich nur langsamer; dann folgt ein noch tieferer Grad der Tempe- ratur, welcher ohne Weiterbildung das Leben doch erhält. An einem Eie, wel- ches ich im Juli öffnete, nachdem es 30 Stunden lang in der Stube gelegen hatte, Nothwendi- ger Wärme- grad. A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/33
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/33>, abgerufen am 26.04.2024.