Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

Falten sich gegen einander verlängern und sich erreichen. Schon vor der Mitte
des dritten Tages hat man also eine zusammenhängende elliptische Falte, die sich
erhebt und zugleich nach oben immer verengt, wodurch sie einen Sack um den
Fötus beschreibt, der sich allmählig schliesst und nichts Anderes ist, als das wahre
Amnion. Zwar habe ich schon Eier untersucht, bei denen das Amnion am Ende
des dritten Tages ganz geschlossen war, indessen glaube ich doch als Norm an-
nehmen zu müssen, dass, auch ohne alle Verzögerung in der Entwickelung, am
Ende des 3ten Tages das Amnion gewöhnlich noch eine Oeffnung von einer Linie
Länge, und zwar über dem Lendentheile des Rückens behält, da das Amnion
vom Kopfe aus nicht nur am frühesten anfängt sich zu entwickeln, sondern auch
am raschesten damit fortfährt. Indem sich die Oeffnung immer mehr verengt,
sieht man an ihrem vordern und hintern Ende eine kurze Narbe, so dass es scheint,
es sey hier eine wahre Verwachsung.

Die Basis der Amnionsfalte sitzt auf dem Umfange der Kappe. Da sie aus
dem serösen Blatte der Keimhaut gebildet wird, so ist es natürlich, dass, wenn
wir von den Seitenwänden aus die innere Lamelle der Amnionsfalte verfolgen,
wir an dem serösen Blatte fort bis zu der anliegenden Bauchplatte gelangen,
(Fig. 6".) Eben so lässt sich eine Continuität der innern Lamelle der Falte überall
durch das seröse Blatt bis zum Umfange des Fötusleibes erkennen, wir mögen von
vorn, von hinten, oder von der Seite ausgehen. So finden wir den Umfang des
Ueberganges von der äussern Fläche des Fötus in das seröse Blatt der Keimhaut,
und es ist klar, dass, wenn durch irgend einen Umstand entweder die Basis der
Amnionsfalte oder die äussere Lamelle dieses Blattes unkenntlich würde, man
noch augenscheinlicher den Zusammenhang des Amnions mit dem Fötus erkennen,
und den ganzen Theil des serösen Blattes vom Rande der Falte an bis zum Fötus
als zum Amnion gehörig ansehen würde. Ein solcher Umstand tritt aber später
wirklich ein, und das Amnion, wie es später selbstständiger erscheint, besteht
dann nicht bloss aus der Amnionsfalte (Fig. VI. r t, s u), die am 3ten Tage her-
vorwächst, sondern auch aus dem Theile, der schon früher da war (p' r, q' s).
Da der Uebergang des Fötus in das seröse Blatt sich eben so wohl abschnürt, als
seine Uebergänge in andere Blätter, so rückt mithin die Umbeugung von allen
Seiten näher zusammen. So war am Ende des vorigen Tages der hinterste Theil
des Herzens noch unbedeckt vom serösen Ueberzuge und lag zwischen dem serösen
Blatte und dem Schleimblatte. Im Verlaufe des dritten Tages wird durch Fort-
rücken der Umbeugung nicht nur das Herz ganz von einem serösen Ueberzuge
bedeckt, sondern dieser geht noch hinter das Herz und bekleidet den obersten
Theil der zukünftigen Brustgegend. Eben so wird der hinterste Theil der Unter-

G

Falten sich gegen einander verlängern und sich erreichen. Schon vor der Mitte
des dritten Tages hat man also eine zusammenhängende elliptische Falte, die sich
erhebt und zugleich nach oben immer verengt, wodurch sie einen Sack um den
Fötus beschreibt, der sich allmählig schlieſst und nichts Anderes ist, als das wahre
Amnion. Zwar habe ich schon Eier untersucht, bei denen das Amnion am Ende
des dritten Tages ganz geschlossen war, indessen glaube ich doch als Norm an-
nehmen zu müssen, daſs, auch ohne alle Verzögerung in der Entwickelung, am
Ende des 3ten Tages das Amnion gewöhnlich noch eine Oeffnung von einer Linie
Länge, und zwar über dem Lendentheile des Rückens behält, da das Amnion
vom Kopfe aus nicht nur am frühesten anfängt sich zu entwickeln, sondern auch
am raschesten damit fortfährt. Indem sich die Oeffnung immer mehr verengt,
sieht man an ihrem vordern und hintern Ende eine kurze Narbe, so daſs es scheint,
es sey hier eine wahre Verwachsung.

Die Basis der Amnionsfalte sitzt auf dem Umfange der Kappe. Da sie aus
dem serösen Blatte der Keimhaut gebildet wird, so ist es natürlich, daſs, wenn
wir von den Seitenwänden aus die innere Lamelle der Amnionsfalte verfolgen,
wir an dem serösen Blatte fort bis zu der anliegenden Bauchplatte gelangen,
(Fig. 6″.) Eben so läſst sich eine Continuität der innern Lamelle der Falte überall
durch das seröse Blatt bis zum Umfange des Fötusleibes erkennen, wir mögen von
vorn, von hinten, oder von der Seite ausgehen. So finden wir den Umfang des
Ueberganges von der äuſsern Fläche des Fötus in das seröse Blatt der Keimhaut,
und es ist klar, daſs, wenn durch irgend einen Umstand entweder die Basis der
Amnionsfalte oder die äuſsere Lamelle dieses Blattes unkenntlich würde, man
noch augenscheinlicher den Zusammenhang des Amnions mit dem Fötus erkennen,
und den ganzen Theil des serösen Blattes vom Rande der Falte an bis zum Fötus
als zum Amnion gehörig ansehen würde. Ein solcher Umstand tritt aber später
wirklich ein, und das Amnion, wie es später selbstständiger erscheint, besteht
dann nicht bloſs aus der Amnionsfalte (Fig. VI. r t, s u), die am 3ten Tage her-
vorwächst, sondern auch aus dem Theile, der schon früher da war (p′ r, q′ s).
Da der Uebergang des Fötus in das seröse Blatt sich eben so wohl abschnürt, als
seine Uebergänge in andere Blätter, so rückt mithin die Umbeugung von allen
Seiten näher zusammen. So war am Ende des vorigen Tages der hinterste Theil
des Herzens noch unbedeckt vom serösen Ueberzuge und lag zwischen dem serösen
Blatte und dem Schleimblatte. Im Verlaufe des dritten Tages wird durch Fort-
rücken der Umbeugung nicht nur das Herz ganz von einem serösen Ueberzuge
bedeckt, sondern dieser geht noch hinter das Herz und bekleidet den obersten
Theil der zukünftigen Brustgegend. Eben so wird der hinterste Theil der Unter-

G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0079" n="49"/>
Falten sich gegen einander verlängern und sich erreichen. Schon vor der Mitte<lb/>
des dritten Tages hat man also eine zusammenhängende elliptische Falte, die sich<lb/>
erhebt und zugleich nach oben immer verengt, wodurch sie einen Sack um den<lb/>
Fötus beschreibt, der sich allmählig schlie&#x017F;st und nichts Anderes ist, als das wahre<lb/><hi rendition="#i">Amnion.</hi> Zwar habe ich schon Eier untersucht, bei denen das Amnion am Ende<lb/>
des dritten Tages ganz geschlossen war, indessen glaube ich doch als Norm an-<lb/>
nehmen zu müssen, da&#x017F;s, auch ohne alle Verzögerung in der Entwickelung, am<lb/>
Ende des 3ten Tages das Amnion gewöhnlich noch eine Oeffnung von einer Linie<lb/>
Länge, und zwar über dem Lendentheile des Rückens behält, da das Amnion<lb/>
vom Kopfe aus nicht nur am frühesten anfängt sich zu entwickeln, sondern auch<lb/>
am raschesten damit fortfährt. Indem sich die Oeffnung immer mehr verengt,<lb/>
sieht man an ihrem vordern und hintern Ende eine kurze Narbe, so da&#x017F;s es scheint,<lb/>
es sey hier eine wahre Verwachsung.</p><lb/>
            <p>Die Basis der Amnionsfalte sitzt auf dem Umfange der Kappe. Da sie aus<lb/>
dem serösen Blatte der Keimhaut gebildet wird, so ist es natürlich, da&#x017F;s, wenn<lb/>
wir von den Seitenwänden aus die innere Lamelle der Amnionsfalte verfolgen,<lb/>
wir an dem serösen Blatte fort bis zu der anliegenden Bauchplatte gelangen,<lb/>
(Fig. 6&#x2033;.) Eben so lä&#x017F;st sich eine Continuität der innern Lamelle der Falte überall<lb/>
durch das seröse Blatt bis zum Umfange des Fötusleibes erkennen, wir mögen von<lb/>
vorn, von hinten, oder von der Seite ausgehen. So finden wir den Umfang des<lb/>
Ueberganges von der äu&#x017F;sern Fläche des Fötus in das seröse Blatt der Keimhaut,<lb/>
und es ist klar, da&#x017F;s, wenn durch irgend einen Umstand entweder die Basis der<lb/>
Amnionsfalte oder die äu&#x017F;sere Lamelle dieses Blattes unkenntlich würde, man<lb/>
noch augenscheinlicher den Zusammenhang des Amnions mit dem Fötus erkennen,<lb/>
und den ganzen Theil des serösen Blattes vom Rande der Falte an bis zum Fötus<lb/>
als zum Amnion gehörig ansehen würde. Ein solcher Umstand tritt aber später<lb/>
wirklich ein, und das Amnion, wie es später selbstständiger erscheint, besteht<lb/>
dann nicht blo&#x017F;s aus der Amnionsfalte (Fig. VI. <hi rendition="#i">r t, s u</hi>), die am 3ten Tage her-<lb/>
vorwächst, sondern auch aus dem Theile, der schon früher da war (<hi rendition="#i">p&#x2032; r, q&#x2032; s</hi>).<lb/>
Da der Uebergang des Fötus in das seröse Blatt sich eben so wohl abschnürt, als<lb/>
seine Uebergänge in andere Blätter, so rückt mithin die Umbeugung von allen<lb/>
Seiten näher zusammen. So war am Ende des vorigen Tages der hinterste Theil<lb/>
des Herzens noch unbedeckt vom serösen Ueberzuge und lag zwischen dem serösen<lb/>
Blatte und dem Schleimblatte. Im Verlaufe des dritten Tages wird durch Fort-<lb/>
rücken der Umbeugung nicht nur das Herz ganz von einem serösen Ueberzuge<lb/>
bedeckt, sondern dieser geht noch hinter das Herz und bekleidet den obersten<lb/>
Theil der zukünftigen Brustgegend. Eben so wird der hinterste Theil der Unter-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0079] Falten sich gegen einander verlängern und sich erreichen. Schon vor der Mitte des dritten Tages hat man also eine zusammenhängende elliptische Falte, die sich erhebt und zugleich nach oben immer verengt, wodurch sie einen Sack um den Fötus beschreibt, der sich allmählig schlieſst und nichts Anderes ist, als das wahre Amnion. Zwar habe ich schon Eier untersucht, bei denen das Amnion am Ende des dritten Tages ganz geschlossen war, indessen glaube ich doch als Norm an- nehmen zu müssen, daſs, auch ohne alle Verzögerung in der Entwickelung, am Ende des 3ten Tages das Amnion gewöhnlich noch eine Oeffnung von einer Linie Länge, und zwar über dem Lendentheile des Rückens behält, da das Amnion vom Kopfe aus nicht nur am frühesten anfängt sich zu entwickeln, sondern auch am raschesten damit fortfährt. Indem sich die Oeffnung immer mehr verengt, sieht man an ihrem vordern und hintern Ende eine kurze Narbe, so daſs es scheint, es sey hier eine wahre Verwachsung. Die Basis der Amnionsfalte sitzt auf dem Umfange der Kappe. Da sie aus dem serösen Blatte der Keimhaut gebildet wird, so ist es natürlich, daſs, wenn wir von den Seitenwänden aus die innere Lamelle der Amnionsfalte verfolgen, wir an dem serösen Blatte fort bis zu der anliegenden Bauchplatte gelangen, (Fig. 6″.) Eben so läſst sich eine Continuität der innern Lamelle der Falte überall durch das seröse Blatt bis zum Umfange des Fötusleibes erkennen, wir mögen von vorn, von hinten, oder von der Seite ausgehen. So finden wir den Umfang des Ueberganges von der äuſsern Fläche des Fötus in das seröse Blatt der Keimhaut, und es ist klar, daſs, wenn durch irgend einen Umstand entweder die Basis der Amnionsfalte oder die äuſsere Lamelle dieses Blattes unkenntlich würde, man noch augenscheinlicher den Zusammenhang des Amnions mit dem Fötus erkennen, und den ganzen Theil des serösen Blattes vom Rande der Falte an bis zum Fötus als zum Amnion gehörig ansehen würde. Ein solcher Umstand tritt aber später wirklich ein, und das Amnion, wie es später selbstständiger erscheint, besteht dann nicht bloſs aus der Amnionsfalte (Fig. VI. r t, s u), die am 3ten Tage her- vorwächst, sondern auch aus dem Theile, der schon früher da war (p′ r, q′ s). Da der Uebergang des Fötus in das seröse Blatt sich eben so wohl abschnürt, als seine Uebergänge in andere Blätter, so rückt mithin die Umbeugung von allen Seiten näher zusammen. So war am Ende des vorigen Tages der hinterste Theil des Herzens noch unbedeckt vom serösen Ueberzuge und lag zwischen dem serösen Blatte und dem Schleimblatte. Im Verlaufe des dritten Tages wird durch Fort- rücken der Umbeugung nicht nur das Herz ganz von einem serösen Ueberzuge bedeckt, sondern dieser geht noch hinter das Herz und bekleidet den obersten Theil der zukünftigen Brustgegend. Eben so wird der hinterste Theil der Unter- G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/79
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/79>, abgerufen am 06.05.2024.