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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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Verhältniss zu den Seitentheilen eingesenkt bleibt. Die hintere Region der ersten
Hauptbläschens bleibt unpaarig und grenzt auch etwas von den vordern gedoppel-
ten ab. Auch sondert sich die hintere Hauptblase in zwei, eine vordere kürzere
und eine hintere längere. So sind also fünf Bläschen aus den ursprünglichen
dreien entstanden *). Das vorderste ist durch die mittlere Einsekung gespal-
ten. Seine Höhlung enthält die beiden später sogenannten Seitenventrikel, und
seine Wandung die Hemisphären. Das zweite Bläschen umfasst den Raum, den
man später die dritte Hirnhöhle nennt. Es hat jetzt noch eine eben so vollkom-
mene Decke, als die andern Abtheilungen. Das dritte Bläschen umfasst den Vier-
hügel **) und seine Höhlung ist die zukünftige Wasserleitung, die bald die
Weite eines sehr ansehnlichen Hirnventrikels hat. Das vierte Bläschen wird das
kleine Hirn und das fünfte das verlängerte Mark. Aus diesen fünf morphologi-
schen Elementen wird das Hirn gebildet, denn die vorübergehende Dreizahl der
primären Hirnbläschen scheint nur anzudeuten, dass gewisse Abgrenzungen ein
wenig später kenntlich werden.

Noch haben aber diese Bläschen wenig von den Eigenthümlichkeiten, die
sie erhalten sollen, weswegen wir sie auch nicht nach den Theilen, die aus ihnen
werden, benennen können, ohne uns zu verwirren und zu falschen Vorstellungen
zu verleiten. So hat das zweite Bläschen noch keine Sehhügel in seinem Innern,
durch welche es später besonders charakterisirt wird. Wollte ich das dritte Bläs-
chen nach dem Vierhügel benennen, so müssten Sie mich ebenfalls missverstehen,
da man unter diesem Namen nicht einen Theil der Hirnschenkel mit begreift, der
aus dieser Zelle sich hervorbildet. Wir können auch den Ausdruck Bläschen
nicht für die ganze Entwickelung beibehalten, da einige sehr bald den Charakter
einer Blase einbüssen, indem sie z. B. ihre Decke verlieren. Es scheint mir daher
am passendsten eine Bezeichnung zu wählen, welche nicht nur für alle Umwand-
lungen des Vogelhirnes auwendbar ist, sondern auch die Vergleichung der ver-
schiedenen Hirnformen sehr erleichtern muss. Ich nenne daher die fünf hier auf-
gezählten Bläschen nach der Reihe von der ersten zur letzten: das Vorderhirn,
Zwischenhirn, Mittelhirn, Hinterhirn, und Nachhirn. Sie bilden fünf morpho-
logische Elemente des Hirnes, die im Anfange der zweiten Periode der Entwicke-
lung noch blosse Bläschen sind. Die Höhlungen aller Bläschen communiciren mit
einander, und man kann daher mit Recht sagen, dass das Hirn in der ersten Pe-

*) Theil I. S. 30. 6[1].
**) Es ist für die Darstellung des Hirnbaues, besonders aber der Entwickelungsgeschichte aller
Thierklassen besser, dieses Wort in der einfachen Zahl zu gebrauchen, nicht in der mehr-
fachen.
O 2

Verhältniſs zu den Seitentheilen eingesenkt bleibt. Die hintere Region der ersten
Hauptbläschens bleibt unpaarig und grenzt auch etwas von den vordern gedoppel-
ten ab. Auch sondert sich die hintere Hauptblase in zwei, eine vordere kürzere
und eine hintere längere. So sind also fünf Bläschen aus den ursprünglichen
dreien entstanden *). Das vorderste ist durch die mittlere Einsekung gespal-
ten. Seine Höhlung enthält die beiden später sogenannten Seitenventrikel, und
seine Wandung die Hemisphären. Das zweite Bläschen umfaſst den Raum, den
man später die dritte Hirnhöhle nennt. Es hat jetzt noch eine eben so vollkom-
mene Decke, als die andern Abtheilungen. Das dritte Bläschen umfaſst den Vier-
hügel **) und seine Höhlung ist die zukünftige Wasserleitung, die bald die
Weite eines sehr ansehnlichen Hirnventrikels hat. Das vierte Bläschen wird das
kleine Hirn und das fünfte das verlängerte Mark. Aus diesen fünf morphologi-
schen Elementen wird das Hirn gebildet, denn die vorübergehende Dreizahl der
primären Hirnbläschen scheint nur anzudeuten, daſs gewisse Abgrenzungen ein
wenig später kenntlich werden.

Noch haben aber diese Bläschen wenig von den Eigenthümlichkeiten, die
sie erhalten sollen, weswegen wir sie auch nicht nach den Theilen, die aus ihnen
werden, benennen können, ohne uns zu verwirren und zu falschen Vorstellungen
zu verleiten. So hat das zweite Bläschen noch keine Sehhügel in seinem Innern,
durch welche es später besonders charakterisirt wird. Wollte ich das dritte Bläs-
chen nach dem Vierhügel benennen, so müſsten Sie mich ebenfalls miſsverstehen,
da man unter diesem Namen nicht einen Theil der Hirnschenkel mit begreift, der
aus dieser Zelle sich hervorbildet. Wir können auch den Ausdruck Bläschen
nicht für die ganze Entwickelung beibehalten, da einige sehr bald den Charakter
einer Blase einbüſsen, indem sie z. B. ihre Decke verlieren. Es scheint mir daher
am passendsten eine Bezeichnung zu wählen, welche nicht nur für alle Umwand-
lungen des Vogelhirnes auwendbar ist, sondern auch die Vergleichung der ver-
schiedenen Hirnformen sehr erleichtern muſs. Ich nenne daher die fünf hier auf-
gezählten Bläschen nach der Reihe von der ersten zur letzten: das Vorderhirn,
Zwischenhirn, Mittelhirn, Hinterhirn, und Nachhirn. Sie bilden fünf morpho-
logische Elemente des Hirnes, die im Anfange der zweiten Periode der Entwicke-
lung noch bloſse Bläschen sind. Die Höhlungen aller Bläschen communiciren mit
einander, und man kann daher mit Recht sagen, daſs das Hirn in der ersten Pe-

*) Theil I. S. 30. 6[1].
**) Es ist für die Darstellung des Hirnbaues, besonders aber der Entwickelungsgeschichte aller
Thierklassen besser, dieses Wort in der einfachen Zahl zu gebrauchen, nicht in der mehr-
fachen.
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[107/0117] Verhältniſs zu den Seitentheilen eingesenkt bleibt. Die hintere Region der ersten Hauptbläschens bleibt unpaarig und grenzt auch etwas von den vordern gedoppel- ten ab. Auch sondert sich die hintere Hauptblase in zwei, eine vordere kürzere und eine hintere längere. So sind also fünf Bläschen aus den ursprünglichen dreien entstanden *). Das vorderste ist durch die mittlere Einsekung gespal- ten. Seine Höhlung enthält die beiden später sogenannten Seitenventrikel, und seine Wandung die Hemisphären. Das zweite Bläschen umfaſst den Raum, den man später die dritte Hirnhöhle nennt. Es hat jetzt noch eine eben so vollkom- mene Decke, als die andern Abtheilungen. Das dritte Bläschen umfaſst den Vier- hügel **) und seine Höhlung ist die zukünftige Wasserleitung, die bald die Weite eines sehr ansehnlichen Hirnventrikels hat. Das vierte Bläschen wird das kleine Hirn und das fünfte das verlängerte Mark. Aus diesen fünf morphologi- schen Elementen wird das Hirn gebildet, denn die vorübergehende Dreizahl der primären Hirnbläschen scheint nur anzudeuten, daſs gewisse Abgrenzungen ein wenig später kenntlich werden. Noch haben aber diese Bläschen wenig von den Eigenthümlichkeiten, die sie erhalten sollen, weswegen wir sie auch nicht nach den Theilen, die aus ihnen werden, benennen können, ohne uns zu verwirren und zu falschen Vorstellungen zu verleiten. So hat das zweite Bläschen noch keine Sehhügel in seinem Innern, durch welche es später besonders charakterisirt wird. Wollte ich das dritte Bläs- chen nach dem Vierhügel benennen, so müſsten Sie mich ebenfalls miſsverstehen, da man unter diesem Namen nicht einen Theil der Hirnschenkel mit begreift, der aus dieser Zelle sich hervorbildet. Wir können auch den Ausdruck Bläschen nicht für die ganze Entwickelung beibehalten, da einige sehr bald den Charakter einer Blase einbüſsen, indem sie z. B. ihre Decke verlieren. Es scheint mir daher am passendsten eine Bezeichnung zu wählen, welche nicht nur für alle Umwand- lungen des Vogelhirnes auwendbar ist, sondern auch die Vergleichung der ver- schiedenen Hirnformen sehr erleichtern muſs. Ich nenne daher die fünf hier auf- gezählten Bläschen nach der Reihe von der ersten zur letzten: das Vorderhirn, Zwischenhirn, Mittelhirn, Hinterhirn, und Nachhirn. Sie bilden fünf morpho- logische Elemente des Hirnes, die im Anfange der zweiten Periode der Entwicke- lung noch bloſse Bläschen sind. Die Höhlungen aller Bläschen communiciren mit einander, und man kann daher mit Recht sagen, daſs das Hirn in der ersten Pe- *) Theil I. S. 30. 61. **) Es ist für die Darstellung des Hirnbaues, besonders aber der Entwickelungsgeschichte aller Thierklassen besser, dieses Wort in der einfachen Zahl zu gebrauchen, nicht in der mehr- fachen. O 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/117>, abgerufen am 21.11.2024.