mittheilen zu können, wenn ich Ihnen eine Durchschnittsfigur vom Ei eines Schweines vorlege (Taf. IV. Fig. 22.). Wir sehen hier am Umkreise die äussere Eihaut in der Ausbildung zum Chorion. Rechts vom Embryo und Amnion liegt der Harnsack. Er hat sich schon in seine beiden Blätter getrennt. Da er nun nicht wie in Raubthieren um das Amnion herum wächst, so entsteht die Frage: wie auf der linken Seite die äussere Eihaut Blut erhält, um zu einem Chorion zu werden? Es ist zuvörderst unleugbar, dass einige Zeit hindurch (gegen den Schluss der vierten Woche beim Schweine) diese Gegend wirklich gefässlos ist, aber in wenigen Tagen Gefässe hat. Nun schlägt sich in der That (besonders bei Dickhäutern, weniger bei Wiederkäuern) das Gefässblatt des Harnsackes weiter über das Amnion, als man vor der Trennung glauben sollte, aber lange nicht bis zum Stiel des Harnsackes und gewiss nicht weiter als in der vor uns liegenden Ab- bildung dargestellt ist. Auch schicken Gefässe, die vor und hinter dem Amnion liegen, einige Aeste herüber. Der übrige Theil von der linken Seite der äussern Eihaut wird dagegen aus den Nabelgefässen unmittelbar mit Blut versorgt, indem Aeste derselben in dem hier liegenden Eiweiss fortwachsen.
Wir sehen hieraus, dass auch ohne Hinzutritt eines wirklichen Gefässblat- tes, wenn nur Blutgefässe und verbindendes Eiweiss da sind, die äussere Eihaut in ein Chorion umgewandelt werden kann. Diese Bemerkung wird uns später für das Verständniss der Menschen-Eier wichtig werden.
Jetzt wollen wir an die schwierigere Frage uns wenden, ob zur Ausbil- dung des Chorions nur die Harnsackgefässe dienen können? Diese Frage kann mit "ja" und mit "nein" beantwortet werden, je nachdem man die äussere Gefäss- haut der Nager ein Chorion nennen will oder nicht. Hier wuchern nämlich die Nabelgefässe nur in den zurückbleibenden Theil der äussern Eihaut und bilden aus seinen Zotten den Fruchtkuchen. Den übrigen Umfang des Eies nimmt der Dottersack ein, der, wie wir hörten, sich eben so in Form einer Blase um das Amnion schlägt, wie in den Raubthieren der Harnsack. Dieser Dottersack liegt aber nicht frei, sondern seine äussere Hälfte ist innig mit einer glatten sehr durch- sichtigen Haut verwachsen, die das ganze Ei zusammenhält. Diese Haut kann man nicht für diejenige halten, welche wir ursprünglich die äussere Eihaut ge- nannt haben, theils weil sie keine Zotten trägt, theils weil die äussere Eihaut zerrissen zu werden scheint und man in der That auch in ältern Eiern ein haut- förmiges Gebilde aufliegend findet, das sich stückweise abtrennen lässt. Schon ihrer Durchsichtigkeit wegen kann man die bestehende Haut für die seröse Hülle halten, mit der ja auch im gewöhnlichen Chorion das Gefässblatt des Harnsackes zunächst verwächst.
mittheilen zu können, wenn ich Ihnen eine Durchschnittsfigur vom Ei eines Schweines vorlege (Taf. IV. Fig. 22.). Wir sehen hier am Umkreise die äuſsere Eihaut in der Ausbildung zum Chorion. Rechts vom Embryo und Amnion liegt der Harnsack. Er hat sich schon in seine beiden Blätter getrennt. Da er nun nicht wie in Raubthieren um das Amnion herum wächst, so entsteht die Frage: wie auf der linken Seite die äuſsere Eihaut Blut erhält, um zu einem Chorion zu werden? Es ist zuvörderst unleugbar, daſs einige Zeit hindurch (gegen den Schluſs der vierten Woche beim Schweine) diese Gegend wirklich gefäſslos ist, aber in wenigen Tagen Gefäſse hat. Nun schlägt sich in der That (besonders bei Dickhäutern, weniger bei Wiederkäuern) das Gefäſsblatt des Harnsackes weiter über das Amnion, als man vor der Trennung glauben sollte, aber lange nicht bis zum Stiel des Harnsackes und gewiſs nicht weiter als in der vor uns liegenden Ab- bildung dargestellt ist. Auch schicken Gefäſse, die vor und hinter dem Amnion liegen, einige Aeste herüber. Der übrige Theil von der linken Seite der äuſsern Eihaut wird dagegen aus den Nabelgefäſsen unmittelbar mit Blut versorgt, indem Aeste derselben in dem hier liegenden Eiweiſs fortwachsen.
Wir sehen hieraus, daſs auch ohne Hinzutritt eines wirklichen Gefäſsblat- tes, wenn nur Blutgefäſse und verbindendes Eiweiſs da sind, die äuſsere Eihaut in ein Chorion umgewandelt werden kann. Diese Bemerkung wird uns später für das Verständniſs der Menschen-Eier wichtig werden.
Jetzt wollen wir an die schwierigere Frage uns wenden, ob zur Ausbil- dung des Chorions nur die Harnsackgefäſse dienen können? Diese Frage kann mit „ja” und mit „nein” beantwortet werden, je nachdem man die äuſsere Gefäſs- haut der Nager ein Chorion nennen will oder nicht. Hier wuchern nämlich die Nabelgefäſse nur in den zurückbleibenden Theil der äuſsern Eihaut und bilden aus seinen Zotten den Fruchtkuchen. Den übrigen Umfang des Eies nimmt der Dottersack ein, der, wie wir hörten, sich eben so in Form einer Blase um das Amnion schlägt, wie in den Raubthieren der Harnsack. Dieser Dottersack liegt aber nicht frei, sondern seine äuſsere Hälfte ist innig mit einer glatten sehr durch- sichtigen Haut verwachsen, die das ganze Ei zusammenhält. Diese Haut kann man nicht für diejenige halten, welche wir ursprünglich die äuſsere Eihaut ge- nannt haben, theils weil sie keine Zotten trägt, theils weil die äuſsere Eihaut zerrissen zu werden scheint und man in der That auch in ältern Eiern ein haut- förmiges Gebilde aufliegend findet, das sich stückweise abtrennen läſst. Schon ihrer Durchsichtigkeit wegen kann man die bestehende Haut für die seröse Hülle halten, mit der ja auch im gewöhnlichen Chorion das Gefäſsblatt des Harnsackes zunächst verwächst.
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mittheilen zu können, wenn ich Ihnen eine Durchschnittsfigur vom Ei eines
Schweines vorlege (Taf. IV. Fig. 22.). Wir sehen hier am Umkreise die äuſsere
Eihaut in der Ausbildung zum Chorion. Rechts vom Embryo und Amnion liegt
der Harnsack. Er hat sich schon in seine beiden Blätter getrennt. Da er nun
nicht wie in Raubthieren um das Amnion herum wächst, so entsteht die Frage:
wie auf der linken Seite die äuſsere Eihaut Blut erhält, um zu einem Chorion zu
werden? Es ist zuvörderst unleugbar, daſs einige Zeit hindurch (gegen den
Schluſs der vierten Woche beim Schweine) diese Gegend wirklich gefäſslos ist,
aber in wenigen Tagen Gefäſse hat. Nun schlägt sich in der That (besonders bei
Dickhäutern, weniger bei Wiederkäuern) das Gefäſsblatt des Harnsackes weiter
über das Amnion, als man vor der Trennung glauben sollte, aber lange nicht bis
zum Stiel des Harnsackes und gewiſs nicht weiter als in der vor uns liegenden Ab-
bildung dargestellt ist. Auch schicken Gefäſse, die vor und hinter dem Amnion
liegen, einige Aeste herüber. Der übrige Theil von der linken Seite der äuſsern
Eihaut wird dagegen aus den Nabelgefäſsen unmittelbar mit Blut versorgt, indem
Aeste derselben in dem hier liegenden Eiweiſs fortwachsen.
Wir sehen hieraus, daſs auch ohne Hinzutritt eines wirklichen Gefäſsblat-
tes, wenn nur Blutgefäſse und verbindendes Eiweiſs da sind, die äuſsere Eihaut
in ein Chorion umgewandelt werden kann. Diese Bemerkung wird uns später
für das Verständniſs der Menschen-Eier wichtig werden.
Jetzt wollen wir an die schwierigere Frage uns wenden, ob zur Ausbil-
dung des Chorions nur die Harnsackgefäſse dienen können? Diese Frage kann mit
„ja” und mit „nein” beantwortet werden, je nachdem man die äuſsere Gefäſs-
haut der Nager ein Chorion nennen will oder nicht. Hier wuchern nämlich die
Nabelgefäſse nur in den zurückbleibenden Theil der äuſsern Eihaut und bilden
aus seinen Zotten den Fruchtkuchen. Den übrigen Umfang des Eies nimmt der
Dottersack ein, der, wie wir hörten, sich eben so in Form einer Blase um das
Amnion schlägt, wie in den Raubthieren der Harnsack. Dieser Dottersack liegt
aber nicht frei, sondern seine äuſsere Hälfte ist innig mit einer glatten sehr durch-
sichtigen Haut verwachsen, die das ganze Ei zusammenhält. Diese Haut kann
man nicht für diejenige halten, welche wir ursprünglich die äuſsere Eihaut ge-
nannt haben, theils weil sie keine Zotten trägt, theils weil die äuſsere Eihaut
zerrissen zu werden scheint und man in der That auch in ältern Eiern ein haut-
förmiges Gebilde aufliegend findet, das sich stückweise abtrennen läſst. Schon
ihrer Durchsichtigkeit wegen kann man die bestehende Haut für die seröse Hülle
halten, mit der ja auch im gewöhnlichen Chorion das Gefäſsblatt des Harnsackes
zunächst verwächst.
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/209>, abgerufen am 21.11.2024.
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