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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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bildeter Thiere giebt der obigen Ansicht einen Grad von Wahrscheinlichkeit. In
den Fischen ist eine Art Zwerchfell, welches zugleich die vordere Grenze der
Bauchhöhle ist. Es liegt freilich im Verhältniss zum Skelet sehr viel weiter nach
vorn als in den Säugethieren, allein in den Fischen rückt das Herz nicht nach hin-
ten, noch weniger treten Lungen hervor. So wird also gar keine Brusthöhle im
Sinne der Säugethiere gebildet. In den Reptilien, wo das Herz allerdings zurück-
tritt und Lungen hervorwachsen, werden die letztern zum Theil von der vordern
Wand des Bauchfelles überzogen, offenbar weil dieses dem Andrange der Lun-
gen sich gefügt hat. Hätte aber dieser Theil der Bauchwand zur Zeit wo die
Lungen herauswuchsen, eine feste Muskellage gehabt, so würde er wohl ganz
die Form des Zwerchfelles erhalten haben. Allein schon genug und vielleicht zu-
viel! Ich habe Sie nur darauf aufmerksam machen wollen, dass die Bildungs-
geschichte des Zwerchfelles wohl auf der Bildungsgeschichte der serösen Häute
beruhen mag.

kk. Seröse
Hänte.

Ueber diese erlauben Sie mir noch die allgemeine Bemerkung, dass sie
überall, wo geschlossene Räume von thierischer Flüssigkeit erfüllt sind, als Aus-
kleidung dieser Räume, gleichsam als Abgränzung der Flüssigkeit entstehen, zu-
erst weich und verhältnissmässig dick, nachher fester und scheinbar dünner wer-
den, indem wir in späterer Zeit nur die eigentliche Oberhaut dieser Bekleidun-
gen als seröse Häute zu betrachten und das darunter liegende Zellgewebe nicht
mehr dazu zu rechnen pflegen, obgleich es der Entwickelungsgechichte nach da-
zu gerechnet werden muss *).

So habe ich in der Entstehungsweise der serösen Häute gar nichts Selbst-
ständiges finden können. Dass das Herz seine besondere seröse Bekleidung hat,
beruht offenbar darauf, dass es ursprünglich in einem abgeschlossenen hohlen
Raume enthalten ist. Wenn das Herz unter der Rachenhöhe liegt und die Masse,
welche sich zum Herzen bilden soll, sich concentrirt, muss zwischen ihm und der
untern Wand des Halses (und der hintern Kopfgegend) ein hohler Raum entste-

*) Was ich im ersten Bande nur zweifelhaft über die Entstehung der serösen Häute äusserte, dass
sie in ihrer Bildung keine andere Beziehung zeigen als die Auskleidung einer Höhle, kann ich
jetzt mit Zuversicht aussprechen, nachdem ich mich überzeugt halte, dass auch der, in man-
chen Thieren freilich ziemlich frei liegende Herzbeutel, es ursprünglich niemals ist. -- Zwi-
schen den praktischen Aerzten und den Physiologen ist ein Zwiespalt in Bezug auf die serösen
Häute. Jene sprechen immer von Entzündungen der serösen Häute und müssen davon sprechen,
da in der That oft die Wände der Höhlen entzündet sind. Die Physiologen dagegen wollen den
serösen Häuten keine Blutgefässe zugestehen. Offenbar haben diese Unrecht; denn warum
sollte man die Oberhaut als das Wesentliche betrachten und das darunter liegende Zellgewebe
als nichts?

bildeter Thiere giebt der obigen Ansicht einen Grad von Wahrscheinlichkeit. In
den Fischen ist eine Art Zwerchfell, welches zugleich die vordere Grenze der
Bauchhöhle ist. Es liegt freilich im Verhältniſs zum Skelet sehr viel weiter nach
vorn als in den Säugethieren, allein in den Fischen rückt das Herz nicht nach hin-
ten, noch weniger treten Lungen hervor. So wird also gar keine Brusthöhle im
Sinne der Säugethiere gebildet. In den Reptilien, wo das Herz allerdings zurück-
tritt und Lungen hervorwachsen, werden die letztern zum Theil von der vordern
Wand des Bauchfelles überzogen, offenbar weil dieses dem Andrange der Lun-
gen sich gefügt hat. Hätte aber dieser Theil der Bauchwand zur Zeit wo die
Lungen herauswuchsen, eine feste Muskellage gehabt, so würde er wohl ganz
die Form des Zwerchfelles erhalten haben. Allein schon genug und vielleicht zu-
viel! Ich habe Sie nur darauf aufmerksam machen wollen, daſs die Bildungs-
geschichte des Zwerchfelles wohl auf der Bildungsgeschichte der serösen Häute
beruhen mag.

kk. Seröse
Hänte.

Ueber diese erlauben Sie mir noch die allgemeine Bemerkung, daſs sie
überall, wo geschlossene Räume von thierischer Flüssigkeit erfüllt sind, als Aus-
kleidung dieser Räume, gleichsam als Abgränzung der Flüssigkeit entstehen, zu-
erst weich und verhältniſsmäſsig dick, nachher fester und scheinbar dünner wer-
den, indem wir in späterer Zeit nur die eigentliche Oberhaut dieser Bekleidun-
gen als seröse Häute zu betrachten und das darunter liegende Zellgewebe nicht
mehr dazu zu rechnen pflegen, obgleich es der Entwickelungsgechichte nach da-
zu gerechnet werden muſs *).

So habe ich in der Entstehungsweise der serösen Häute gar nichts Selbst-
ständiges finden können. Daſs das Herz seine besondere seröse Bekleidung hat,
beruht offenbar darauf, daſs es ursprünglich in einem abgeschlossenen hohlen
Raume enthalten ist. Wenn das Herz unter der Rachenhöhe liegt und die Masse,
welche sich zum Herzen bilden soll, sich concentrirt, muſs zwischen ihm und der
untern Wand des Halses (und der hintern Kopfgegend) ein hohler Raum entste-

*) Was ich im ersten Bande nur zweifelhaft über die Entstehung der serösen Häute äuſserte, daſs
sie in ihrer Bildung keine andere Beziehung zeigen als die Auskleidung einer Höhle, kann ich
jetzt mit Zuversicht aussprechen, nachdem ich mich überzeugt halte, daſs auch der, in man-
chen Thieren freilich ziemlich frei liegende Herzbeutel, es ursprünglich niemals ist. — Zwi-
schen den praktischen Aerzten und den Physiologen ist ein Zwiespalt in Bezug auf die serösen
Häute. Jene sprechen immer von Entzündungen der serösen Häute und müssen davon sprechen,
da in der That oft die Wände der Höhlen entzündet sind. Die Physiologen dagegen wollen den
serösen Häuten keine Blutgefäſse zugestehen. Offenbar haben diese Unrecht; denn warum
sollte man die Oberhaut als das Wesentliche betrachten und das darunter liegende Zellgewebe
als nichts?
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[228/0238] bildeter Thiere giebt der obigen Ansicht einen Grad von Wahrscheinlichkeit. In den Fischen ist eine Art Zwerchfell, welches zugleich die vordere Grenze der Bauchhöhle ist. Es liegt freilich im Verhältniſs zum Skelet sehr viel weiter nach vorn als in den Säugethieren, allein in den Fischen rückt das Herz nicht nach hin- ten, noch weniger treten Lungen hervor. So wird also gar keine Brusthöhle im Sinne der Säugethiere gebildet. In den Reptilien, wo das Herz allerdings zurück- tritt und Lungen hervorwachsen, werden die letztern zum Theil von der vordern Wand des Bauchfelles überzogen, offenbar weil dieses dem Andrange der Lun- gen sich gefügt hat. Hätte aber dieser Theil der Bauchwand zur Zeit wo die Lungen herauswuchsen, eine feste Muskellage gehabt, so würde er wohl ganz die Form des Zwerchfelles erhalten haben. Allein schon genug und vielleicht zu- viel! Ich habe Sie nur darauf aufmerksam machen wollen, daſs die Bildungs- geschichte des Zwerchfelles wohl auf der Bildungsgeschichte der serösen Häute beruhen mag. Ueber diese erlauben Sie mir noch die allgemeine Bemerkung, daſs sie überall, wo geschlossene Räume von thierischer Flüssigkeit erfüllt sind, als Aus- kleidung dieser Räume, gleichsam als Abgränzung der Flüssigkeit entstehen, zu- erst weich und verhältniſsmäſsig dick, nachher fester und scheinbar dünner wer- den, indem wir in späterer Zeit nur die eigentliche Oberhaut dieser Bekleidun- gen als seröse Häute zu betrachten und das darunter liegende Zellgewebe nicht mehr dazu zu rechnen pflegen, obgleich es der Entwickelungsgechichte nach da- zu gerechnet werden muſs *). So habe ich in der Entstehungsweise der serösen Häute gar nichts Selbst- ständiges finden können. Daſs das Herz seine besondere seröse Bekleidung hat, beruht offenbar darauf, daſs es ursprünglich in einem abgeschlossenen hohlen Raume enthalten ist. Wenn das Herz unter der Rachenhöhe liegt und die Masse, welche sich zum Herzen bilden soll, sich concentrirt, muſs zwischen ihm und der untern Wand des Halses (und der hintern Kopfgegend) ein hohler Raum entste- *) Was ich im ersten Bande nur zweifelhaft über die Entstehung der serösen Häute äuſserte, daſs sie in ihrer Bildung keine andere Beziehung zeigen als die Auskleidung einer Höhle, kann ich jetzt mit Zuversicht aussprechen, nachdem ich mich überzeugt halte, daſs auch der, in man- chen Thieren freilich ziemlich frei liegende Herzbeutel, es ursprünglich niemals ist. — Zwi- schen den praktischen Aerzten und den Physiologen ist ein Zwiespalt in Bezug auf die serösen Häute. Jene sprechen immer von Entzündungen der serösen Häute und müssen davon sprechen, da in der That oft die Wände der Höhlen entzündet sind. Die Physiologen dagegen wollen den serösen Häuten keine Blutgefäſse zugestehen. Offenbar haben diese Unrecht; denn warum sollte man die Oberhaut als das Wesentliche betrachten und das darunter liegende Zellgewebe als nichts?

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/238>, abgerufen am 24.11.2024.