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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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dass Rudolphi bei 3 Embryonen von Quadrumanen aus drei verschiedenen Ge-
schlechtern (Cebus, Mycetes und Hapale) zwei Nabelvenen fand, die sich
erst vor dem Eintritte in die Leber vereinigten. Es ist hier also ein sehr früher
Embryonen-Zustand anderer Säugethiere lange ausdauernd.

k. Ei des
Menschen.

Das Ei des Menschen ist auf seiner letzten Bildungsstufe allgemein bekannt,
und ich will daher zu der Bemerkung, dass der Nabelstrang in demselben länger
und das Amnion weiter ist als bei irgend einem andern Thiere, nichts mehr hin-
zufügen, sondern sogleich zu der Bildungsgeschichte dieses Eies mich wenden,
über welche am meisten Untersuchungen angestellt sind und über die dennoch
bisher am wenigsten mit Sicherheit gesagt werden kann. Ich werde hier mehr
als in andern Abschnitten dieses Vortrages fremde Beobachtungen benutzen müs-
sen, jedoch nicht ohne sie mit dem, was eigene Untersuchungen mich lehrten,
zu vergleichen. Wir können aber unmöglich in alle Controverse über die ver-
schiedenen Ansichten eingehen, da wir hier den Menschen nur als ein Glied des
grossen Thierreiches betrachten *). Wir werden suchen, die Resultate zu ge-
ben, und nur wo Unsicherheit ist, ausführlicher werden.

Die Gründe der Unsicherheit, die trotz so vieler Arbeiten noch nicht über-
all gehoben ist, leuchten ein. Nur äusserst wenige Anatomen haben Gelegenheit
gehabt, sehr viele frühzeitige Früchte des menschlichen Weibes zu untersuchen,
für Jeden sind aber fremde Beobachtungen viel weniger belehrend als eigene. Da-
zu kommt, dass bei weitem der grösste Theil der Früchte durch Abort abgegan-
gen war und dass der Abort immer ein krankhafter Process ist, hervorgebracht
entweder durch ein Leiden des Fruchthälters, oder eine krankhafte Beschaffenheit
des Eies. Viele Eier gehen ab, weil es unmöglich ist, dass solche Missstaltungen
sich weiter bilden. Man hat also eine Menge Missbildungen untersucht, und erst
in neuester Zeit ist die Zahl der Beobachtungen so gemehrt, dass allmählig eine
normale Entwickelungsgeschichte sich daraus gestaltet. Wegen dieser Verschie-
denheit in den untersuchten Eiern des Menschen ist die Vergleichung mit der Ent-
wickelung der Thiere, und namentlich der Säugethiere der sicherste Leitstern,
und es ist Jedem, der mit diesen Studien sich etwas beschäftigt hat, bekannt, dass
ohne die Fackel der vergleichenden Entwickelungsgeschichte wir die Bedeutung
der einzelnen Theile eines frühzeitigen menschlichen Eies gar nicht kennen wür-
den, ja dass die Fragepunkte sich noch gar nicht herausgestellt haben würden.

Man
*) Leser, welche die veschiedenen Meinungen und Darstellungen mehr bearbeitet zu studiren wün-
schen, muss ich auf Burdach's Physiologie Bd. II verweisen und auf die weiter unten fol-
genden Studien zur Entwickelungsgeschichte des Menschen. Hier würde eine vollständige Dis-
cursion sich gar zu unverhältnissmässig ausgedehnt haben.

daſs Rudolphi bei 3 Embryonen von Quadrumanen aus drei verschiedenen Ge-
schlechtern (Cebus, Mycetes und Hapale) zwei Nabelvenen fand, die sich
erst vor dem Eintritte in die Leber vereinigten. Es ist hier also ein sehr früher
Embryonen-Zustand anderer Säugethiere lange ausdauernd.

k. Ei des
Menschen.

Das Ei des Menschen ist auf seiner letzten Bildungsstufe allgemein bekannt,
und ich will daher zu der Bemerkung, daſs der Nabelstrang in demselben länger
und das Amnion weiter ist als bei irgend einem andern Thiere, nichts mehr hin-
zufügen, sondern sogleich zu der Bildungsgeschichte dieses Eies mich wenden,
über welche am meisten Untersuchungen angestellt sind und über die dennoch
bisher am wenigsten mit Sicherheit gesagt werden kann. Ich werde hier mehr
als in andern Abschnitten dieses Vortrages fremde Beobachtungen benutzen müs-
sen, jedoch nicht ohne sie mit dem, was eigene Untersuchungen mich lehrten,
zu vergleichen. Wir können aber unmöglich in alle Controverse über die ver-
schiedenen Ansichten eingehen, da wir hier den Menschen nur als ein Glied des
groſsen Thierreiches betrachten *). Wir werden suchen, die Resultate zu ge-
ben, und nur wo Unsicherheit ist, ausführlicher werden.

Die Gründe der Unsicherheit, die trotz so vieler Arbeiten noch nicht über-
all gehoben ist, leuchten ein. Nur äuſserst wenige Anatomen haben Gelegenheit
gehabt, sehr viele frühzeitige Früchte des menschlichen Weibes zu untersuchen,
für Jeden sind aber fremde Beobachtungen viel weniger belehrend als eigene. Da-
zu kommt, daſs bei weitem der gröſste Theil der Früchte durch Abort abgegan-
gen war und daſs der Abort immer ein krankhafter Proceſs ist, hervorgebracht
entweder durch ein Leiden des Fruchthälters, oder eine krankhafte Beschaffenheit
des Eies. Viele Eier gehen ab, weil es unmöglich ist, daſs solche Miſsstaltungen
sich weiter bilden. Man hat also eine Menge Miſsbildungen untersucht, und erst
in neuester Zeit ist die Zahl der Beobachtungen so gemehrt, daſs allmählig eine
normale Entwickelungsgeschichte sich daraus gestaltet. Wegen dieser Verschie-
denheit in den untersuchten Eiern des Menschen ist die Vergleichung mit der Ent-
wickelung der Thiere, und namentlich der Säugethiere der sicherste Leitstern,
und es ist Jedem, der mit diesen Studien sich etwas beschäftigt hat, bekannt, daſs
ohne die Fackel der vergleichenden Entwickelungsgeschichte wir die Bedeutung
der einzelnen Theile eines frühzeitigen menschlichen Eies gar nicht kennen wür-
den, ja daſs die Fragepunkte sich noch gar nicht herausgestellt haben würden.

Man
*) Leser, welche die veschiedenen Meinungen und Darstellungen mehr bearbeitet zu studiren wün-
schen, muſs ich auf Burdach’s Physiologie Bd. II verweisen und auf die weiter unten fol-
genden Studien zur Entwickelungsgeschichte des Menschen. Hier würde eine vollständige Dis-
cursion sich gar zu unverhältniſsmäſsig ausgedehnt haben.
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[264/0274] daſs Rudolphi bei 3 Embryonen von Quadrumanen aus drei verschiedenen Ge- schlechtern (Cebus, Mycetes und Hapale) zwei Nabelvenen fand, die sich erst vor dem Eintritte in die Leber vereinigten. Es ist hier also ein sehr früher Embryonen-Zustand anderer Säugethiere lange ausdauernd. Das Ei des Menschen ist auf seiner letzten Bildungsstufe allgemein bekannt, und ich will daher zu der Bemerkung, daſs der Nabelstrang in demselben länger und das Amnion weiter ist als bei irgend einem andern Thiere, nichts mehr hin- zufügen, sondern sogleich zu der Bildungsgeschichte dieses Eies mich wenden, über welche am meisten Untersuchungen angestellt sind und über die dennoch bisher am wenigsten mit Sicherheit gesagt werden kann. Ich werde hier mehr als in andern Abschnitten dieses Vortrages fremde Beobachtungen benutzen müs- sen, jedoch nicht ohne sie mit dem, was eigene Untersuchungen mich lehrten, zu vergleichen. Wir können aber unmöglich in alle Controverse über die ver- schiedenen Ansichten eingehen, da wir hier den Menschen nur als ein Glied des groſsen Thierreiches betrachten *). Wir werden suchen, die Resultate zu ge- ben, und nur wo Unsicherheit ist, ausführlicher werden. Die Gründe der Unsicherheit, die trotz so vieler Arbeiten noch nicht über- all gehoben ist, leuchten ein. Nur äuſserst wenige Anatomen haben Gelegenheit gehabt, sehr viele frühzeitige Früchte des menschlichen Weibes zu untersuchen, für Jeden sind aber fremde Beobachtungen viel weniger belehrend als eigene. Da- zu kommt, daſs bei weitem der gröſste Theil der Früchte durch Abort abgegan- gen war und daſs der Abort immer ein krankhafter Proceſs ist, hervorgebracht entweder durch ein Leiden des Fruchthälters, oder eine krankhafte Beschaffenheit des Eies. Viele Eier gehen ab, weil es unmöglich ist, daſs solche Miſsstaltungen sich weiter bilden. Man hat also eine Menge Miſsbildungen untersucht, und erst in neuester Zeit ist die Zahl der Beobachtungen so gemehrt, daſs allmählig eine normale Entwickelungsgeschichte sich daraus gestaltet. Wegen dieser Verschie- denheit in den untersuchten Eiern des Menschen ist die Vergleichung mit der Ent- wickelung der Thiere, und namentlich der Säugethiere der sicherste Leitstern, und es ist Jedem, der mit diesen Studien sich etwas beschäftigt hat, bekannt, daſs ohne die Fackel der vergleichenden Entwickelungsgeschichte wir die Bedeutung der einzelnen Theile eines frühzeitigen menschlichen Eies gar nicht kennen wür- den, ja daſs die Fragepunkte sich noch gar nicht herausgestellt haben würden. Man *) Leser, welche die veschiedenen Meinungen und Darstellungen mehr bearbeitet zu studiren wün- schen, muſs ich auf Burdach’s Physiologie Bd. II verweisen und auf die weiter unten fol- genden Studien zur Entwickelungsgeschichte des Menschen. Hier würde eine vollständige Dis- cursion sich gar zu unverhältniſsmäſsig ausgedehnt haben.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/274>, abgerufen am 22.11.2024.