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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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Kiemenlöchern einiger Fische, z. B. der Aale hat, und sich nur dadurch aus-
zeichnet, dass sie nur auf Einer Seite ist *). Diese Eine Oeffnung führt aber in
eine Höhle, welche die Kiemen beider Seiten enthält. Die Kiemen, welche man
in der Höhle findet, sind also keine neuen, sondern nichts anders als die alten
Kiemen. Die obersten Kiemenspitzen, welche eine dunkle Bekleidung hatten,
zeigen diese noch einige Zeit in der Höhle, dann verbleicht die Farbe, und die Be-
kleidung nimmt ebenfalls den Charakter einer Schleimhaut an. Auch schrum-
pfen diese Spitzen, welche früher die andern so sehr an Grösse übertrafen, zu-
sammen.

Mit solchen innern Kiemen, die sich allmählig mehr verzweigen, lebt der
Frosch einige Zeit. Unterdessen wachsen aus der Rachenhöhle zwei Lungen in
Form von Bläschen heraus und werden zu länglichen Säcken.

Die Umänderung des Gefässsystems während dieses Vorgangs lässt sich anr. Umände-
rung der Kie-
men-Ge-
fässe.

den Frosch-Larven nicht vollständig erkennen, wohl aber an den Salamander-
Larven, wo Rusconi sie verfolgt hat. Er sah vier Gefässbogen auf den vier
Kiemenbogen **), die nach oben in zwei Aortenwurzeln übergehen. Die drei
vordern von diesen Gefässbogen bilden Aeste für die Kiemenblättchen, die sich
dort in Netze auflösen, aus welchen rückführende Gefässe in die Aorta gehen.
Doch lösen sich die Gefässbogen selbst nie ganz auf, sondern von einem Nebenaste
werden alle Kiemenblättchen versorgt, so dass einiges Blut unmittelbar aus dem
Herzen, ohne in Kiemennetze vertheilt zu werden, in die Wurzeln der Aorta
geht. Sobald die Lungen hervorwachsen, geben die hintersten Gefässbogen Aeste
auf dieselben und werden zu Lungenarterien. Wenn die Kiemen verschrum-
pfen, so schwinden auch die Netze auf ihnen, und die unmittelbaren Ueber-
gänge der Gefässbogen werden wieder stärker. Zuletzt schwinden die bei-
den vordersten Bogen, nachdem sie, wie gewöhnlich, Arterien an den Kopf
abgegeben haben ***), die man der (vordern) Wirbelarterie und der Carotis
gleichsetzen muss, und für die erstere ohne Zweifel auch ein Theil der Aor-

*) Nur diese Eine Oeffnung habe ich an hiesigen Larven so wie an den grossen ausländischen Lar-
ven gesehen, die übrigens nicht alle Einer Art, der Rana paradoxa, sondern wenigstens
zweien Arten angehören, einem Frosche und einer Kröte. Die letztere kommt nach Angabe
des Verkäufers aus Java. Nach Cuvier sollen bei einigen Arten zwei Oeffnungen seyn (ob be-
harrend?), bei andern nur Eine, aber mittlere. (Regne animal. Vol. II.)
**) Man darf wohl vermuthen, dass ein Gefässbogen längs den Unterkiefern schon unkenntlich
geworden war. Die Fische nicht nur, sondern auch die höhern Thiere führen auf diese Ver-
muthung.
***) Ich zweifle nicht, dass schon der erste Gefässbogen von der ersten Kiemenspalte sie abge-
geben hat.
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Kiemenlöchern einiger Fische, z. B. der Aale hat, und sich nur dadurch aus-
zeichnet, daſs sie nur auf Einer Seite ist *). Diese Eine Oeffnung führt aber in
eine Höhle, welche die Kiemen beider Seiten enthält. Die Kiemen, welche man
in der Höhle findet, sind also keine neuen, sondern nichts anders als die alten
Kiemen. Die obersten Kiemenspitzen, welche eine dunkle Bekleidung hatten,
zeigen diese noch einige Zeit in der Höhle, dann verbleicht die Farbe, und die Be-
kleidung nimmt ebenfalls den Charakter einer Schleimhaut an. Auch schrum-
pfen diese Spitzen, welche früher die andern so sehr an Gröſse übertrafen, zu-
sammen.

Mit solchen innern Kiemen, die sich allmählig mehr verzweigen, lebt der
Frosch einige Zeit. Unterdessen wachsen aus der Rachenhöhle zwei Lungen in
Form von Bläschen heraus und werden zu länglichen Säcken.

Die Umänderung des Gefäſssystems während dieses Vorgangs läſst sich anr. Umände-
rung der Kie-
men-Ge-
fäſse.

den Frosch-Larven nicht vollständig erkennen, wohl aber an den Salamander-
Larven, wo Rusconi sie verfolgt hat. Er sah vier Gefäſsbogen auf den vier
Kiemenbogen **), die nach oben in zwei Aortenwurzeln übergehen. Die drei
vordern von diesen Gefäſsbogen bilden Aeste für die Kiemenblättchen, die sich
dort in Netze auflösen, aus welchen rückführende Gefäſse in die Aorta gehen.
Doch lösen sich die Gefäſsbogen selbst nie ganz auf, sondern von einem Nebenaste
werden alle Kiemenblättchen versorgt, so daſs einiges Blut unmittelbar aus dem
Herzen, ohne in Kiemennetze vertheilt zu werden, in die Wurzeln der Aorta
geht. Sobald die Lungen hervorwachsen, geben die hintersten Gefäſsbogen Aeste
auf dieselben und werden zu Lungenarterien. Wenn die Kiemen verschrum-
pfen, so schwinden auch die Netze auf ihnen, und die unmittelbaren Ueber-
gänge der Gefäſsbogen werden wieder stärker. Zuletzt schwinden die bei-
den vordersten Bogen, nachdem sie, wie gewöhnlich, Arterien an den Kopf
abgegeben haben ***), die man der (vordern) Wirbelarterie und der Carotis
gleichsetzen muſs, und für die erstere ohne Zweifel auch ein Theil der Aor-

*) Nur diese Eine Oeffnung habe ich an hiesigen Larven so wie an den groſsen ausländischen Lar-
ven gesehen, die übrigens nicht alle Einer Art, der Rana paradoxa, sondern wenigstens
zweien Arten angehören, einem Frosche und einer Kröte. Die letztere kommt nach Angabe
des Verkäufers aus Java. Nach Cuvier sollen bei einigen Arten zwei Oeffnungen seyn (ob be-
harrend?), bei andern nur Eine, aber mittlere. (Règne animal. Vol. II.)
**) Man darf wohl vermuthen, daſs ein Gefäſsbogen längs den Unterkiefern schon unkenntlich
geworden war. Die Fische nicht nur, sondern auch die höhern Thiere führen auf diese Ver-
muthung.
***) Ich zweifle nicht, daſs schon der erste Gefäſsbogen von der ersten Kiemenspalte sie abge-
geben hat.
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[291/0301] Kiemenlöchern einiger Fische, z. B. der Aale hat, und sich nur dadurch aus- zeichnet, daſs sie nur auf Einer Seite ist *). Diese Eine Oeffnung führt aber in eine Höhle, welche die Kiemen beider Seiten enthält. Die Kiemen, welche man in der Höhle findet, sind also keine neuen, sondern nichts anders als die alten Kiemen. Die obersten Kiemenspitzen, welche eine dunkle Bekleidung hatten, zeigen diese noch einige Zeit in der Höhle, dann verbleicht die Farbe, und die Be- kleidung nimmt ebenfalls den Charakter einer Schleimhaut an. Auch schrum- pfen diese Spitzen, welche früher die andern so sehr an Gröſse übertrafen, zu- sammen. Mit solchen innern Kiemen, die sich allmählig mehr verzweigen, lebt der Frosch einige Zeit. Unterdessen wachsen aus der Rachenhöhle zwei Lungen in Form von Bläschen heraus und werden zu länglichen Säcken. Die Umänderung des Gefäſssystems während dieses Vorgangs läſst sich an den Frosch-Larven nicht vollständig erkennen, wohl aber an den Salamander- Larven, wo Rusconi sie verfolgt hat. Er sah vier Gefäſsbogen auf den vier Kiemenbogen **), die nach oben in zwei Aortenwurzeln übergehen. Die drei vordern von diesen Gefäſsbogen bilden Aeste für die Kiemenblättchen, die sich dort in Netze auflösen, aus welchen rückführende Gefäſse in die Aorta gehen. Doch lösen sich die Gefäſsbogen selbst nie ganz auf, sondern von einem Nebenaste werden alle Kiemenblättchen versorgt, so daſs einiges Blut unmittelbar aus dem Herzen, ohne in Kiemennetze vertheilt zu werden, in die Wurzeln der Aorta geht. Sobald die Lungen hervorwachsen, geben die hintersten Gefäſsbogen Aeste auf dieselben und werden zu Lungenarterien. Wenn die Kiemen verschrum- pfen, so schwinden auch die Netze auf ihnen, und die unmittelbaren Ueber- gänge der Gefäſsbogen werden wieder stärker. Zuletzt schwinden die bei- den vordersten Bogen, nachdem sie, wie gewöhnlich, Arterien an den Kopf abgegeben haben ***), die man der (vordern) Wirbelarterie und der Carotis gleichsetzen muſs, und für die erstere ohne Zweifel auch ein Theil der Aor- r. Umände- rung der Kie- men-Ge- fäſse. *) Nur diese Eine Oeffnung habe ich an hiesigen Larven so wie an den groſsen ausländischen Lar- ven gesehen, die übrigens nicht alle Einer Art, der Rana paradoxa, sondern wenigstens zweien Arten angehören, einem Frosche und einer Kröte. Die letztere kommt nach Angabe des Verkäufers aus Java. Nach Cuvier sollen bei einigen Arten zwei Oeffnungen seyn (ob be- harrend?), bei andern nur Eine, aber mittlere. (Règne animal. Vol. II.) **) Man darf wohl vermuthen, daſs ein Gefäſsbogen längs den Unterkiefern schon unkenntlich geworden war. Die Fische nicht nur, sondern auch die höhern Thiere führen auf diese Ver- muthung. ***) Ich zweifle nicht, daſs schon der erste Gefäſsbogen von der ersten Kiemenspalte sie abge- geben hat. O o 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/301>, abgerufen am 22.11.2024.