Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.
nicht so dringend geschrieben hätte -- ja was ist also mit Luz? Sag mir! Justine (achselzuckend). Ja was ist mit Luz? Sag (mit dem Ton auf dem nächsten Wort) du mir! Fidelis (achselzuckend). Ich bekam gestern drei Depe- schen und vier Eilbriefe von ihr. Alle zugleich. Der Knecht geht ja nur jeden zweiten Tag hinauf, daran hat sie nicht gedacht. In dem einen Brief beschwor sie mich zurückzukommen, gleich, gleich, gleich -- du kennst ihre Vorliebe, jedes Wort dreimal zu schreiben und dann noch dreimal zu unterstreichen, das Strafporto wird mich noch ruinieren! Und ebenso heftig beschwor sie mich aber in einem anderen Brief, jetzt nicht zu kommen -- ja, ja, ja nicht! Es wäre ihr jetzt "unerträglich", mich zu sehen! Ähnlich übereinstimmend lauteten die Depeschen und ich wußte nun ja nicht, welcher Brief früher und welcher später geschrieben war, da sie ja nie datiert und der Poststempel sich immer verwischt. Eigentlich fuhr ich also nur her, um mich zu erkundigen, welches der letzte Brief ist, der der gilt. Dann kann ich wahrscheinlich gleich wieder zurückfahren. Justine (ernst, eindringlich fragend). Was war denn aber? Fidelis (erstaunt). War denn etwas? Justine. Ihre Aufregung muß doch irgend einen Grund haben. Fidelis (überrascht). Glaubst du? Justine (ärgerlich). Erlaube mir! Fidelis (leichthin). Luzens Aufregungen entstehen
nicht ſo dringend geſchrieben hätte — ja was iſt alſo mit Luz? Sag mir! Juſtine (achſelzuckend). Ja was iſt mit Luz? Sag (mit dem Ton auf dem naͤchſten Wort) du mir! Fidelis (achſelzuckend). Ich bekam geſtern drei Depe- ſchen und vier Eilbriefe von ihr. Alle zugleich. Der Knecht geht ja nur jeden zweiten Tag hinauf, daran hat ſie nicht gedacht. In dem einen Brief beſchwor ſie mich zurückzukommen, gleich, gleich, gleich — du kennſt ihre Vorliebe, jedes Wort dreimal zu ſchreiben und dann noch dreimal zu unterſtreichen, das Strafporto wird mich noch ruinieren! Und ebenſo heftig beſchwor ſie mich aber in einem anderen Brief, jetzt nicht zu kommen — ja, ja, ja nicht! Es wäre ihr jetzt „unerträglich“, mich zu ſehen! Ähnlich übereinſtimmend lauteten die Depeſchen und ich wußte nun ja nicht, welcher Brief früher und welcher ſpäter geſchrieben war, da ſie ja nie datiert und der Poſtſtempel ſich immer verwiſcht. Eigentlich fuhr ich alſo nur her, um mich zu erkundigen, welches der letzte Brief iſt, der der gilt. Dann kann ich wahrſcheinlich gleich wieder zurückfahren. Juſtine (ernſt, eindringlich fragend). Was war denn aber? Fidelis (erſtaunt). War denn etwas? Juſtine. Ihre Aufregung muß doch irgend einen Grund haben. Fidelis (uͤberraſcht). Glaubſt du? Juſtine (aͤrgerlich). Erlaube mir! Fidelis (leichthin). Luzens Aufregungen entſtehen <TEI> <text> <body> <div type="act"> <sp who="#FID"> <p><pb facs="#f0023" n="20"/> nicht ſo dringend geſchrieben hätte — ja was iſt alſo<lb/> mit Luz? Sag mir!</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(achſelzuckend).</stage> <p>Ja was iſt mit Luz? Sag<lb/><stage>(mit dem Ton auf dem naͤchſten Wort)</stage> du mir!</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(achſelzuckend).</stage> <p>Ich bekam geſtern drei Depe-<lb/> ſchen und vier Eilbriefe von ihr. Alle zugleich. Der<lb/> Knecht geht ja nur jeden zweiten Tag hinauf, daran<lb/> hat ſie nicht gedacht. In dem einen Brief beſchwor ſie<lb/> mich zurückzukommen, gleich, gleich, gleich — du kennſt<lb/> ihre Vorliebe, jedes Wort dreimal zu ſchreiben und dann<lb/> noch dreimal zu unterſtreichen, das Strafporto wird mich<lb/> noch ruinieren! Und ebenſo heftig beſchwor ſie mich aber<lb/> in einem anderen Brief, jetzt nicht zu kommen — ja, ja,<lb/> ja nicht! Es wäre ihr jetzt „unerträglich“, mich zu ſehen!<lb/> Ähnlich übereinſtimmend lauteten die Depeſchen und ich<lb/> wußte nun ja nicht, welcher Brief früher und welcher<lb/> ſpäter geſchrieben war, da ſie ja nie datiert und der<lb/> Poſtſtempel ſich immer verwiſcht. Eigentlich fuhr ich<lb/> alſo nur her, um mich zu erkundigen, welches der letzte<lb/> Brief iſt, der der gilt. Dann kann ich wahrſcheinlich<lb/> gleich wieder zurückfahren.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(ernſt, eindringlich fragend).</stage> <p>Was war denn<lb/> aber?</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(erſtaunt).</stage> <p>War denn etwas?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine.</hi> </hi> </speaker> <p>Ihre Aufregung muß doch irgend einen<lb/> Grund haben.</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(uͤberraſcht).</stage> <p>Glaubſt du?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(aͤrgerlich).</stage> <p>Erlaube mir!</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(leichthin).</stage> <p>Luzens Aufregungen entſtehen<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [20/0023]
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mit Luz? Sag mir!
Juſtine (achſelzuckend). Ja was iſt mit Luz? Sag
(mit dem Ton auf dem naͤchſten Wort) du mir!
Fidelis (achſelzuckend). Ich bekam geſtern drei Depe-
ſchen und vier Eilbriefe von ihr. Alle zugleich. Der
Knecht geht ja nur jeden zweiten Tag hinauf, daran
hat ſie nicht gedacht. In dem einen Brief beſchwor ſie
mich zurückzukommen, gleich, gleich, gleich — du kennſt
ihre Vorliebe, jedes Wort dreimal zu ſchreiben und dann
noch dreimal zu unterſtreichen, das Strafporto wird mich
noch ruinieren! Und ebenſo heftig beſchwor ſie mich aber
in einem anderen Brief, jetzt nicht zu kommen — ja, ja,
ja nicht! Es wäre ihr jetzt „unerträglich“, mich zu ſehen!
Ähnlich übereinſtimmend lauteten die Depeſchen und ich
wußte nun ja nicht, welcher Brief früher und welcher
ſpäter geſchrieben war, da ſie ja nie datiert und der
Poſtſtempel ſich immer verwiſcht. Eigentlich fuhr ich
alſo nur her, um mich zu erkundigen, welches der letzte
Brief iſt, der der gilt. Dann kann ich wahrſcheinlich
gleich wieder zurückfahren.
Juſtine (ernſt, eindringlich fragend). Was war denn
aber?
Fidelis (erſtaunt). War denn etwas?
Juſtine. Ihre Aufregung muß doch irgend einen
Grund haben.
Fidelis (uͤberraſcht). Glaubſt du?
Juſtine (aͤrgerlich). Erlaube mir!
Fidelis (leichthin). Luzens Aufregungen entſtehen
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Zitationshilfe: | Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/23>, abgerufen am 16.07.2024. |