Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite
Luz (blickt ihn nicht an und wendet sich ab; heftig,
aber nicht laut).
Frag nicht, quäl mich nicht! (Bedeckt
ihre Augen mit den Händen; schwer atmend, leise.)
Ich
werde dir ja alles sagen. Laß mich nur erst! Ich
komme dann gleich zu dir. (Geht zur zweiten Türe rechts,
an der sie sich zu Justine umwendet; kurz, scharf.)
Sei
mir nicht bös, Mamchen, aber ich -- muß dann jetzt
mit Fidl allein sein. (Durch die zweite Türe rechts ab.)
Justine (nach einer kleinen Pause, leise.) Glaubst du
noch, daß es bloß das ... das dramatische Bedürf-
nis ist?
Fidelis (zuckt nur die Achsel).
Justine (mitleidig). Du hast es ja nicht leicht mit ihr.
Fidelis (trocken). In unserer Ehe geht immer etwas
vor. Das hat auch seinen Reiz.
Justine (schickt sich an, zur Türe rechts vom Glasschrank
zu gehen).
Du rufst mich dann wohl?
Fidelis (spöttisch). Neugierig?
Justine (heftig). Ich glaube doch ein gewisses An-
recht --
Fidelis (ihr ins Wort fallend). Mütter wollen nie
aufhören, ihre Kinder zu stillen.
Justine (in einem herrschsüchtigen Ton). Willst du
mich aus dem Leben meiner Tochter ausschalten?
Fidelis. In menschlichen Beziehungen, Mamchen,
ist nichts verbrieft.
Justine (fast etwas schadenfroh). Da könnte dir ja
auch --? (Sie hält ein, mit einem Blick auf Fidelis.)
Fidelis (Justine ruhig ansehend). Ja, Mamchen. Ge-
wiß. Aber willst du's nicht lieber abwarten?
Luz (blickt ihn nicht an und wendet ſich ab; heftig,
aber nicht laut).
Frag nicht, quäl mich nicht! (Bedeckt
ihre Augen mit den Haͤnden; ſchwer atmend, leiſe.)
Ich
werde dir ja alles ſagen. Laß mich nur erſt! Ich
komme dann gleich zu dir. (Geht zur zweiten Tuͤre rechts,
an der ſie ſich zu Juſtine umwendet; kurz, ſcharf.)
Sei
mir nicht bös, Mamchen, aber ich — muß dann jetzt
mit Fidl allein ſein. (Durch die zweite Tuͤre rechts ab.)
Juſtine (nach einer kleinen Pauſe, leiſe.) Glaubſt du
noch, daß es bloß das ... das dramatiſche Bedürf-
nis iſt?
Fidelis (zuckt nur die Achſel).
Juſtine (mitleidig). Du haſt es ja nicht leicht mit ihr.
Fidelis (trocken). In unſerer Ehe geht immer etwas
vor. Das hat auch ſeinen Reiz.
Juſtine (ſchickt ſich an, zur Tuͤre rechts vom Glasſchrank
zu gehen).
Du rufſt mich dann wohl?
Fidelis (ſpoͤttiſch). Neugierig?
Juſtine (heftig). Ich glaube doch ein gewiſſes An-
recht —
Fidelis (ihr ins Wort fallend). Mütter wollen nie
aufhören, ihre Kinder zu ſtillen.
Juſtine (in einem herrſchſuͤchtigen Ton). Willſt du
mich aus dem Leben meiner Tochter ausſchalten?
Fidelis. In menſchlichen Beziehungen, Mamchen,
iſt nichts verbrieft.
Juſtine (faſt etwas ſchadenfroh). Da könnte dir ja
auch —? (Sie haͤlt ein, mit einem Blick auf Fidelis.)
Fidelis (Juſtine ruhig anſehend). Ja, Mamchen. Ge-
wiß. Aber willſt du's nicht lieber abwarten?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="act">
        <pb facs="#f0043" n="40"/>
        <sp who="#LUZ">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Luz</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(blickt ihn nicht an und wendet &#x017F;ich ab; heftig,<lb/>
aber nicht laut).</stage>
          <p>Frag nicht, quäl mich nicht! <stage>(Bedeckt<lb/>
ihre Augen mit den Ha&#x0364;nden; &#x017F;chwer atmend, lei&#x017F;e.)</stage> Ich<lb/>
werde dir ja alles &#x017F;agen. Laß mich nur er&#x017F;t! Ich<lb/>
komme dann gleich zu dir. <stage>(Geht zur zweiten Tu&#x0364;re rechts,<lb/>
an der &#x017F;ie &#x017F;ich zu Ju&#x017F;tine umwendet; kurz, &#x017F;charf.)</stage> Sei<lb/>
mir nicht bös, Mamchen, aber ich &#x2014; muß dann jetzt<lb/>
mit Fidl allein &#x017F;ein. <stage>(Durch die zweite Tu&#x0364;re rechts ab.)</stage></p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JUS">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(nach einer kleinen Pau&#x017F;e, lei&#x017F;e.)</stage>
          <p>Glaub&#x017F;t du<lb/>
noch, daß es bloß das ... das dramati&#x017F;che Bedürf-<lb/>
nis i&#x017F;t?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FID">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(zuckt nur die Ach&#x017F;el).</stage>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JUS">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(mitleidig).</stage>
          <p>Du ha&#x017F;t es ja nicht leicht mit ihr.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FID">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(trocken).</stage>
          <p>In un&#x017F;erer Ehe geht immer etwas<lb/>
vor. Das hat auch &#x017F;einen Reiz.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JUS">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(&#x017F;chickt &#x017F;ich an, zur Tu&#x0364;re rechts vom Glas&#x017F;chrank<lb/>
zu gehen).</stage>
          <p>Du ruf&#x017F;t mich dann wohl?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FID">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(&#x017F;po&#x0364;tti&#x017F;ch).</stage>
          <p>Neugierig?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JUS">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(heftig).</stage>
          <p>Ich glaube doch ein gewi&#x017F;&#x017F;es An-<lb/>
recht &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FID">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(ihr ins Wort fallend).</stage>
          <p>Mütter wollen nie<lb/>
aufhören, ihre Kinder zu &#x017F;tillen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JUS">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(in einem herr&#x017F;ch&#x017F;u&#x0364;chtigen Ton).</stage>
          <p>Will&#x017F;t du<lb/>
mich aus dem Leben meiner Tochter aus&#x017F;chalten?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FID">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis.</hi> </hi> </speaker>
          <p>In men&#x017F;chlichen Beziehungen, Mamchen,<lb/>
i&#x017F;t nichts verbrieft.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JUS">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(fa&#x017F;t etwas &#x017F;chadenfroh).</stage>
          <p>Da könnte dir ja<lb/>
auch &#x2014;? <stage>(Sie ha&#x0364;lt ein, mit einem Blick auf Fidelis.)</stage></p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FID">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(Ju&#x017F;tine ruhig an&#x017F;ehend).</stage>
          <p>Ja, Mamchen. Ge-<lb/>
wiß. Aber will&#x017F;t du's nicht lieber abwarten?</p>
        </sp><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0043] Luz (blickt ihn nicht an und wendet ſich ab; heftig, aber nicht laut). Frag nicht, quäl mich nicht! (Bedeckt ihre Augen mit den Haͤnden; ſchwer atmend, leiſe.) Ich werde dir ja alles ſagen. Laß mich nur erſt! Ich komme dann gleich zu dir. (Geht zur zweiten Tuͤre rechts, an der ſie ſich zu Juſtine umwendet; kurz, ſcharf.) Sei mir nicht bös, Mamchen, aber ich — muß dann jetzt mit Fidl allein ſein. (Durch die zweite Tuͤre rechts ab.) Juſtine (nach einer kleinen Pauſe, leiſe.) Glaubſt du noch, daß es bloß das ... das dramatiſche Bedürf- nis iſt? Fidelis (zuckt nur die Achſel). Juſtine (mitleidig). Du haſt es ja nicht leicht mit ihr. Fidelis (trocken). In unſerer Ehe geht immer etwas vor. Das hat auch ſeinen Reiz. Juſtine (ſchickt ſich an, zur Tuͤre rechts vom Glasſchrank zu gehen). Du rufſt mich dann wohl? Fidelis (ſpoͤttiſch). Neugierig? Juſtine (heftig). Ich glaube doch ein gewiſſes An- recht — Fidelis (ihr ins Wort fallend). Mütter wollen nie aufhören, ihre Kinder zu ſtillen. Juſtine (in einem herrſchſuͤchtigen Ton). Willſt du mich aus dem Leben meiner Tochter ausſchalten? Fidelis. In menſchlichen Beziehungen, Mamchen, iſt nichts verbrieft. Juſtine (faſt etwas ſchadenfroh). Da könnte dir ja auch —? (Sie haͤlt ein, mit einem Blick auf Fidelis.) Fidelis (Juſtine ruhig anſehend). Ja, Mamchen. Ge- wiß. Aber willſt du's nicht lieber abwarten?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/43
Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/43>, abgerufen am 18.04.2024.