Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.
ich dich zu beschwichtigen, sie zu entschuldigen, euch viel- leicht zu versöhnen -- Fidelis (trocken). So sei nicht unnatürlich! Justine (ärgerlich). Wenn du so gräßliche Behaup- tungen aufstellst! Fidelis (ruhig). Warum ist euch das so gräßlich, wenn einmal einer halbwegs vernünftig sein will, und kein Vieh? -- (Springt auf, tritt an den langen Tisch und legt die Pfeife hin; kurz, knapp, sehr schnell.) Was geschehen ist, kann ich nicht ungeschehen machen, auch durch Mord und Tot- schlag nicht. Und ich habe nun einmal einen unbe- grenzten Respekt vor Tatsachen! (Geht vom langen Tisch weg und im Zimmer auf und ab.) Nichts dümmer, als auf das Schicksal bös sein, sich wie ein kleines Kind, wenn's beim Spielen verloren hat, gekränkt in den Winkel stellen und trutzen: nein, ich spiel nicht mehr mit! Na dann spielen eben die anderen allein. -- Umgekehrt, da spiel ich erst recht mit, nun reizt's mich erst! (Stehen blei- bend.) Denn Unglück, Schicksalsschläge, Mißgeschick, ja versteht ihr denn nicht, daß das alles bloß Auf- forderungen zum Tanz sind? Da hopp, nun zeige, was du kannst! Justine (trocken). Wie du das aber eigentlich auf dein eheliches Mißgeschick anwenden willst, ist mir -- Fidelis (mißt Justine mit einem ärgerlichen Blick; rasch einfallend). Ja, du sitzt da wie eine gekrönte Froschkönigin, statt -- Justine (rasch einfallend, heftig). Übe nicht wieder körper- liche Kritik an mir! Fidelis (gleichzeitig mit ihr seinen Satz vollendend). Statt
ich dich zu beſchwichtigen, ſie zu entſchuldigen, euch viel- leicht zu verſöhnen — Fidelis (trocken). So ſei nicht unnatürlich! Juſtine (aͤrgerlich). Wenn du ſo gräßliche Behaup- tungen aufſtellſt! Fidelis (ruhig). Warum iſt euch das ſo gräßlich, wenn einmal einer halbwegs vernünftig ſein will, und kein Vieh? — (Springt auf, tritt an den langen Tiſch und legt die Pfeife hin; kurz, knapp, ſehr ſchnell.) Was geſchehen iſt, kann ich nicht ungeſchehen machen, auch durch Mord und Tot- ſchlag nicht. Und ich habe nun einmal einen unbe- grenzten Reſpekt vor Tatſachen! (Geht vom langen Tiſch weg und im Zimmer auf und ab.) Nichts dümmer, als auf das Schickſal bös ſein, ſich wie ein kleines Kind, wenn's beim Spielen verloren hat, gekränkt in den Winkel ſtellen und trutzen: nein, ich ſpiel nicht mehr mit! Na dann ſpielen eben die anderen allein. — Umgekehrt, da ſpiel ich erſt recht mit, nun reizt's mich erſt! (Stehen blei- bend.) Denn Unglück, Schickſalsſchläge, Mißgeſchick, ja verſteht ihr denn nicht, daß das alles bloß Auf- forderungen zum Tanz ſind? Da hopp, nun zeige, was du kannſt! Juſtine (trocken). Wie du das aber eigentlich auf dein eheliches Mißgeſchick anwenden willſt, iſt mir — Fidelis (mißt Juſtine mit einem aͤrgerlichen Blick; raſch einfallend). Ja, du ſitzt da wie eine gekrönte Froſchkönigin, ſtatt — Juſtine (raſch einfallend, heftig). Übe nicht wieder körper- liche Kritik an mir! Fidelis (gleichzeitig mit ihr ſeinen Satz vollendend). Statt <TEI> <text> <body> <div type="act"> <sp who="#JUS"> <p><pb facs="#f0059" n="56"/> ich dich zu beſchwichtigen, ſie zu entſchuldigen, euch viel-<lb/> leicht zu verſöhnen —</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(trocken).</stage> <p>So ſei nicht unnatürlich!</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(aͤrgerlich).</stage> <p>Wenn du ſo gräßliche Behaup-<lb/> tungen aufſtellſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(ruhig).</stage> <p>Warum iſt euch das ſo gräßlich, wenn<lb/> einmal einer halbwegs vernünftig ſein will, und kein Vieh?<lb/> — <stage>(Springt auf, tritt an den langen Tiſch und legt die Pfeife<lb/> hin; kurz, knapp, ſehr ſchnell.)</stage> Was geſchehen iſt, kann<lb/> ich nicht ungeſchehen machen, auch durch Mord und Tot-<lb/> ſchlag nicht. Und ich habe nun einmal einen unbe-<lb/> grenzten Reſpekt vor Tatſachen! <stage>(Geht vom langen Tiſch<lb/> weg und im Zimmer auf und ab.)</stage> Nichts dümmer, als<lb/> auf das Schickſal bös ſein, ſich wie ein kleines Kind, wenn's<lb/> beim Spielen verloren hat, gekränkt in den Winkel ſtellen<lb/> und trutzen: nein, ich ſpiel nicht mehr mit! Na dann<lb/> ſpielen eben die anderen allein. — Umgekehrt, da ſpiel<lb/> ich erſt recht mit, nun reizt's mich erſt! <stage>(Stehen blei-<lb/> bend.)</stage> Denn Unglück, Schickſalsſchläge, Mißgeſchick,<lb/> ja verſteht ihr denn nicht, daß das alles bloß Auf-<lb/> forderungen zum Tanz ſind? Da hopp, nun zeige, was<lb/> du kannſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(trocken).</stage> <p>Wie du das aber eigentlich auf<lb/> dein eheliches Mißgeſchick anwenden willſt, iſt mir —</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(mißt Juſtine mit einem aͤrgerlichen Blick; raſch<lb/> einfallend).</stage> <p>Ja, du ſitzt da wie eine gekrönte Froſchkönigin,<lb/> ſtatt —</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(raſch einfallend, heftig).</stage> <p>Übe nicht wieder körper-<lb/> liche Kritik an mir!</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(gleichzeitig mit ihr ſeinen Satz vollendend).</stage> <p>Statt<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [56/0059]
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Juſtine (aͤrgerlich). Wenn du ſo gräßliche Behaup-
tungen aufſtellſt!
Fidelis (ruhig). Warum iſt euch das ſo gräßlich, wenn
einmal einer halbwegs vernünftig ſein will, und kein Vieh?
— (Springt auf, tritt an den langen Tiſch und legt die Pfeife
hin; kurz, knapp, ſehr ſchnell.) Was geſchehen iſt, kann
ich nicht ungeſchehen machen, auch durch Mord und Tot-
ſchlag nicht. Und ich habe nun einmal einen unbe-
grenzten Reſpekt vor Tatſachen! (Geht vom langen Tiſch
weg und im Zimmer auf und ab.) Nichts dümmer, als
auf das Schickſal bös ſein, ſich wie ein kleines Kind, wenn's
beim Spielen verloren hat, gekränkt in den Winkel ſtellen
und trutzen: nein, ich ſpiel nicht mehr mit! Na dann
ſpielen eben die anderen allein. — Umgekehrt, da ſpiel
ich erſt recht mit, nun reizt's mich erſt! (Stehen blei-
bend.) Denn Unglück, Schickſalsſchläge, Mißgeſchick,
ja verſteht ihr denn nicht, daß das alles bloß Auf-
forderungen zum Tanz ſind? Da hopp, nun zeige, was
du kannſt!
Juſtine (trocken). Wie du das aber eigentlich auf
dein eheliches Mißgeſchick anwenden willſt, iſt mir —
Fidelis (mißt Juſtine mit einem aͤrgerlichen Blick; raſch
einfallend). Ja, du ſitzt da wie eine gekrönte Froſchkönigin,
ſtatt —
Juſtine (raſch einfallend, heftig). Übe nicht wieder körper-
liche Kritik an mir!
Fidelis (gleichzeitig mit ihr ſeinen Satz vollendend). Statt
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