Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.
sicher nicht. Eher, eher könnte vielleicht euere verdammte Geldgier -- Justine (heftig, laut). Du wirfst mir vor --? Fidelis (winkt ihr, nicht zu schreien und rückt ganz dicht an sie). Oder nenn's deinen Tatendrang! Eure großen Unternehmungen mein ich. Ihr müßt euch schon tüchtig eingeheizt haben, innerlich, bis die siebzig Millionen beisammen waren! Und Luz, euer armes Kind, das hat nun von euch diesen inneren Dampf, aber keine Verwendung mehr dafür. Sie ist das Opfer. Justine (wendet sich empört von ihm ab). Gottlos sind solche Reden! Fidelis (rückt ihr nach, heftig, aber nicht laut). Und gar diese zwei Berliner Winter! Mußtest du das junge Geschöpf nach Berlin schleppen?! Justine (verwundert, da sie gar nicht versteht, was er damit will). Es war doch zur Vollendung ihrer ge- sellschaftlichen Bildung -- Fidelis (rasch einfallend; sehr eifrig, in einem ärgerlichen Ton). Wenn sich in Berlin zwei im Theater treffen, ist, bevor's noch anfangt, ihre erste Frage: Was machen wir denn aber nachher? Alles Berliner Vergnügen besteht doch überhaupt nur im Lokalwechsel! Das überträgt sich dann natürlich, es wird zur geistigen Gewohnheit. Die Ehe aber setzt doch einmal eine gewisse Disposition zum Verweilen voraus. Nicht: was machen wir denn nach- her? -- Verstehst du jetzt, was ich ein Motiv nenne? Justine (ärgerlich, kopfschüttelnd). Und wenn du nun das Motiv gefunden hättest --! Was dann? Fidelis (vergnügt). Dann wär's erklärt! Hast du
ſicher nicht. Eher, eher könnte vielleicht euere verdammte Geldgier — Juſtine (heftig, laut). Du wirfſt mir vor —? Fidelis (winkt ihr, nicht zu ſchreien und ruͤckt ganz dicht an ſie). Oder nenn's deinen Tatendrang! Eure großen Unternehmungen mein ich. Ihr müßt euch ſchon tüchtig eingeheizt haben, innerlich, bis die ſiebzig Millionen beiſammen waren! Und Luz, euer armes Kind, das hat nun von euch dieſen inneren Dampf, aber keine Verwendung mehr dafür. Sie iſt das Opfer. Juſtine (wendet ſich empoͤrt von ihm ab). Gottlos ſind ſolche Reden! Fidelis (ruͤckt ihr nach, heftig, aber nicht laut). Und gar dieſe zwei Berliner Winter! Mußteſt du das junge Geſchöpf nach Berlin ſchleppen?! Juſtine (verwundert, da ſie gar nicht verſteht, was er damit will). Es war doch zur Vollendung ihrer ge- ſellſchaftlichen Bildung — Fidelis (raſch einfallend; ſehr eifrig, in einem aͤrgerlichen Ton). Wenn ſich in Berlin zwei im Theater treffen, iſt, bevor's noch anfangt, ihre erſte Frage: Was machen wir denn aber nachher? Alles Berliner Vergnügen beſteht doch überhaupt nur im Lokalwechſel! Das überträgt ſich dann natürlich, es wird zur geiſtigen Gewohnheit. Die Ehe aber ſetzt doch einmal eine gewiſſe Dispoſition zum Verweilen voraus. Nicht: was machen wir denn nach- her? — Verſtehſt du jetzt, was ich ein Motiv nenne? Juſtine (aͤrgerlich, kopfſchuͤttelnd). Und wenn du nun das Motiv gefunden hätteſt —! Was dann? Fidelis (vergnuͤgt). Dann wär's erklärt! Haſt du <TEI> <text> <body> <div type="act"> <sp who="#FID"> <p><pb facs="#f0062" n="59"/> ſicher nicht. Eher, eher könnte vielleicht euere verdammte<lb/> Geldgier —</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(heftig, laut).</stage> <p>Du wirfſt mir vor —?</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(winkt ihr, nicht zu ſchreien und ruͤckt ganz dicht<lb/> an ſie).</stage> <p>Oder nenn's deinen Tatendrang! Eure großen<lb/> Unternehmungen mein ich. Ihr müßt euch ſchon tüchtig<lb/> eingeheizt haben, innerlich, bis die ſiebzig Millionen<lb/> beiſammen waren! Und Luz, euer armes Kind, das<lb/> hat nun von euch dieſen inneren Dampf, aber keine<lb/> Verwendung mehr dafür. Sie iſt das Opfer.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(wendet ſich empoͤrt von ihm ab).</stage> <p>Gottlos<lb/> ſind ſolche Reden!</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(ruͤckt ihr nach, heftig, aber nicht laut).</stage> <p>Und gar<lb/> dieſe zwei Berliner Winter! Mußteſt du das junge<lb/> Geſchöpf nach Berlin ſchleppen?!</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(verwundert, da ſie gar nicht verſteht, was er<lb/> damit will).</stage> <p>Es war doch zur Vollendung ihrer ge-<lb/> ſellſchaftlichen Bildung —</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(raſch einfallend; ſehr eifrig, in einem aͤrgerlichen<lb/> Ton).</stage> <p>Wenn ſich in Berlin zwei im Theater treffen,<lb/> iſt, bevor's noch anfangt, ihre erſte Frage: Was machen<lb/> wir denn aber nachher? Alles Berliner Vergnügen beſteht<lb/> doch überhaupt nur im Lokalwechſel! Das überträgt ſich<lb/> dann natürlich, es wird zur geiſtigen Gewohnheit. Die<lb/> Ehe aber ſetzt doch einmal eine gewiſſe Dispoſition zum<lb/> Verweilen voraus. Nicht: was machen wir denn nach-<lb/> her? — Verſtehſt du jetzt, was ich ein Motiv nenne?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUS"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Juſtine</hi> </hi> </speaker> <stage>(aͤrgerlich, kopfſchuͤttelnd).</stage> <p>Und wenn du nun<lb/> das Motiv gefunden hätteſt —! Was dann?</p> </sp><lb/> <sp who="#FID"> <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker> <stage>(vergnuͤgt).</stage> <p>Dann wär's erklärt! Haſt du<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [59/0062]
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Juſtine (heftig, laut). Du wirfſt mir vor —?
Fidelis (winkt ihr, nicht zu ſchreien und ruͤckt ganz dicht
an ſie). Oder nenn's deinen Tatendrang! Eure großen
Unternehmungen mein ich. Ihr müßt euch ſchon tüchtig
eingeheizt haben, innerlich, bis die ſiebzig Millionen
beiſammen waren! Und Luz, euer armes Kind, das
hat nun von euch dieſen inneren Dampf, aber keine
Verwendung mehr dafür. Sie iſt das Opfer.
Juſtine (wendet ſich empoͤrt von ihm ab). Gottlos
ſind ſolche Reden!
Fidelis (ruͤckt ihr nach, heftig, aber nicht laut). Und gar
dieſe zwei Berliner Winter! Mußteſt du das junge
Geſchöpf nach Berlin ſchleppen?!
Juſtine (verwundert, da ſie gar nicht verſteht, was er
damit will). Es war doch zur Vollendung ihrer ge-
ſellſchaftlichen Bildung —
Fidelis (raſch einfallend; ſehr eifrig, in einem aͤrgerlichen
Ton). Wenn ſich in Berlin zwei im Theater treffen,
iſt, bevor's noch anfangt, ihre erſte Frage: Was machen
wir denn aber nachher? Alles Berliner Vergnügen beſteht
doch überhaupt nur im Lokalwechſel! Das überträgt ſich
dann natürlich, es wird zur geiſtigen Gewohnheit. Die
Ehe aber ſetzt doch einmal eine gewiſſe Dispoſition zum
Verweilen voraus. Nicht: was machen wir denn nach-
her? — Verſtehſt du jetzt, was ich ein Motiv nenne?
Juſtine (aͤrgerlich, kopfſchuͤttelnd). Und wenn du nun
das Motiv gefunden hätteſt —! Was dann?
Fidelis (vergnuͤgt). Dann wär's erklärt! Haſt du
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