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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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Fidelis (ihr ins Wort fallend). Man hat mir sicher er-
zählt, aber das nutzt bei mir nichts.
Eva. Alle Frauen schwärmen ihn an, es ist eine Wolke
von weiblicher Begeisterung um ihn. Aber darüber lach
ich! Das heißt, angenehm ist es ja nicht, aber ich wäre
die Frau, ich wäre -- (sucht einen Augenblick das richtige
Wort, dann rasch)
ich wäre großzügig genug, um -- auch
über eine wirkliche Untreue, an die ich übrigens nicht
glaube, das heißt, man kann ja nie, ich kenne Männer,
da hätt ich geschworen, aber in Herzenssachen, wer kann
denn da?, aber, wie gesagt, ich glaub's nicht, und wenn
ich's glaube, so liegt mir nichts daran! (Ernst, langsam.)
Er könnte mir hundertmal untreu sein und ich dabei den-
noch die glücklichste Frau! -- (Plötzlich neugierig aufblickend,
wie diese Mitteilung auf ihn gewirkt haben mag.)
Nun das
ist doch was für Sie, Sie sind doch ein psychologischer
Gourmand? -- (Tonwechsel; plötzlich sehr hoheitsvoll.) Aber
bilden Sie sich nur nicht ein, daß ich Ihnen beichten will!
Ich halte manchmal Monologe. (Setzt sich in den kleinen
niedrigen Stuhl an der Wand.)
Fidelis. Da braucht man immer einen, der gut zuhört.
Eva (nun wieder einfach erzählend). Als ich Kuno kennen
lernte, es war in Biarritz -- haben Sie einmal Andrade
als Don Juan gesehen? Aufs Haar! -- Und nun sagen
Sie selbst, ob ich da darauf gefaßt sein konnte, plötzlich
mit einem Heiligen verheiratet zu sein?
Fidelis (lächelnd). Plötzlich?
Eva. Es gab eine Geschichte, er hatte ein Duell, das
unglücklich ausging. Mein Gott, das kommt doch vor,
nicht? Aber ihn hat das ganz umgeworfen! Und seither

Fidelis (ihr ins Wort fallend). Man hat mir ſicher er-
zählt, aber das nutzt bei mir nichts.
Eva. Alle Frauen ſchwärmen ihn an, es iſt eine Wolke
von weiblicher Begeiſterung um ihn. Aber darüber lach
ich! Das heißt, angenehm iſt es ja nicht, aber ich wäre
die Frau, ich wäre — (ſucht einen Augenblick das richtige
Wort, dann raſch)
ich wäre großzügig genug, um — auch
über eine wirkliche Untreue, an die ich übrigens nicht
glaube, das heißt, man kann ja nie, ich kenne Männer,
da hätt ich geſchworen, aber in Herzensſachen, wer kann
denn da?, aber, wie geſagt, ich glaub's nicht, und wenn
ich's glaube, ſo liegt mir nichts daran! (Ernſt, langſam.)
Er könnte mir hundertmal untreu ſein und ich dabei den-
noch die glücklichſte Frau! — (Ploͤtzlich neugierig aufblickend,
wie dieſe Mitteilung auf ihn gewirkt haben mag.)
Nun das
iſt doch was für Sie, Sie ſind doch ein pſychologiſcher
Gourmand? — (Tonwechſel; ploͤtzlich ſehr hoheitsvoll.) Aber
bilden Sie ſich nur nicht ein, daß ich Ihnen beichten will!
Ich halte manchmal Monologe. (Setzt ſich in den kleinen
niedrigen Stuhl an der Wand.)
Fidelis. Da braucht man immer einen, der gut zuhört.
Eva (nun wieder einfach erzaͤhlend). Als ich Kuno kennen
lernte, es war in Biarritz — haben Sie einmal Andrade
als Don Juan geſehen? Aufs Haar! — Und nun ſagen
Sie ſelbſt, ob ich da darauf gefaßt ſein konnte, plötzlich
mit einem Heiligen verheiratet zu ſein?
Fidelis (laͤchelnd). Plötzlich?
Eva. Es gab eine Geſchichte, er hatte ein Duell, das
unglücklich ausging. Mein Gott, das kommt doch vor,
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[74/0080] Fidelis (ihr ins Wort fallend). Man hat mir ſicher er- zählt, aber das nutzt bei mir nichts. Eva. Alle Frauen ſchwärmen ihn an, es iſt eine Wolke von weiblicher Begeiſterung um ihn. Aber darüber lach ich! Das heißt, angenehm iſt es ja nicht, aber ich wäre die Frau, ich wäre — (ſucht einen Augenblick das richtige Wort, dann raſch) ich wäre großzügig genug, um — auch über eine wirkliche Untreue, an die ich übrigens nicht glaube, das heißt, man kann ja nie, ich kenne Männer, da hätt ich geſchworen, aber in Herzensſachen, wer kann denn da?, aber, wie geſagt, ich glaub's nicht, und wenn ich's glaube, ſo liegt mir nichts daran! (Ernſt, langſam.) Er könnte mir hundertmal untreu ſein und ich dabei den- noch die glücklichſte Frau! — (Ploͤtzlich neugierig aufblickend, wie dieſe Mitteilung auf ihn gewirkt haben mag.) Nun das iſt doch was für Sie, Sie ſind doch ein pſychologiſcher Gourmand? — (Tonwechſel; ploͤtzlich ſehr hoheitsvoll.) Aber bilden Sie ſich nur nicht ein, daß ich Ihnen beichten will! Ich halte manchmal Monologe. (Setzt ſich in den kleinen niedrigen Stuhl an der Wand.) Fidelis. Da braucht man immer einen, der gut zuhört. Eva (nun wieder einfach erzaͤhlend). Als ich Kuno kennen lernte, es war in Biarritz — haben Sie einmal Andrade als Don Juan geſehen? Aufs Haar! — Und nun ſagen Sie ſelbſt, ob ich da darauf gefaßt ſein konnte, plötzlich mit einem Heiligen verheiratet zu ſein? Fidelis (laͤchelnd). Plötzlich? Eva. Es gab eine Geſchichte, er hatte ein Duell, das unglücklich ausging. Mein Gott, das kommt doch vor, nicht? Aber ihn hat das ganz umgeworfen! Und ſeither

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/80>, abgerufen am 26.11.2024.