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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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erträgt, der schreiend ist in all der toten Ordnung dieser
Menschen. Ich sage dir: es ist nichts Heiliges, was sie nicht
entheiligt, was nicht zum ärmlichen Befehl herabgewürdigt
ist bei diesem Volk, und was selbst unter Wilden göttlich
rein sich meist erhält, das treiben diese allberechnenden
Barbaren wie man so ein Handwerk treibt und können es
nicht anders; denn wo einmal ein menschlich Wesen ab-
gerichtet ist, da dient es seinem Zweck. Doch du wirst
richten, heilige Natur! Denn wenn sie nur bescheiden wären,
diese Menschen, zum Gesetze sich nicht machten für die
Bessern unter ihnen! Wenn sie nur nicht lästerten, was
sie nicht sind; und möchten sie doch lästern, wenn sie nur
das Göttliche nicht höhnten!" 145) Erbsünde der Deutschen
aber ist ihm wie Friedrich Schlegel "die gänzliche Trennung
und Vereinzelung der menschlichen Kräfte" 146).

Und noch eines Romantikers sei hier gedacht: Georg
Büchners. Er gründet einen revolutionären "Verein für
Menschenrechte". Welcher Deutsche wird nicht lächeln?
Aus der vita contemplativa stürzt er sich in die Politik
"wie in einen Ausweg aus geistigen Nöten und Schmerzen".
Die Polizei verjagt ihn nach Strassburg. "Dantons Tod"
entsteht, während die Polizei unten auf ihn wartet. Die
Polizei zwingt ihn, seine rebellischen Neigungen in Literatur
niederzulegen. Nicht die Dogmen von 1789 trägt er vor --
was kümmert ihn Parteiskandal! --, sondern sein leidendes
Menschenherz, einen von tiefster Trauer durchtränkten
Fatalismus 147). "Die Schöpfung ist eine Wunde, wir sind
Gottes Blutstropfen". Und inbrünstig ruft er uns heutiger
Jugend zu: "Die Welt ist das Chaos, das Nichts, -- der
zu gebärende Weltgott". In Giessen ist es, wo er "in tiefe
Schwermut verfallen sich schämt, ein Knecht mit Knechten
zu sein, einen Kirchendiener-Aristokratismus zu Gefallen" 148).

Eine Poesie der Heiligen und des Genies wollen diese
deutschesten Geister erheben zur Weltreligion 149). In ihr
sehen sie die Einheit aller Kreatur, ja aller organischen

erträgt, der schreiend ist in all der toten Ordnung dieser
Menschen. Ich sage dir: es ist nichts Heiliges, was sie nicht
entheiligt, was nicht zum ärmlichen Befehl herabgewürdigt
ist bei diesem Volk, und was selbst unter Wilden göttlich
rein sich meist erhält, das treiben diese allberechnenden
Barbaren wie man so ein Handwerk treibt und können es
nicht anders; denn wo einmal ein menschlich Wesen ab-
gerichtet ist, da dient es seinem Zweck. Doch du wirst
richten, heilige Natur! Denn wenn sie nur bescheiden wären,
diese Menschen, zum Gesetze sich nicht machten für die
Bessern unter ihnen! Wenn sie nur nicht lästerten, was
sie nicht sind; und möchten sie doch lästern, wenn sie nur
das Göttliche nicht höhnten!“ 145) Erbsünde der Deutschen
aber ist ihm wie Friedrich Schlegel „die gänzliche Trennung
und Vereinzelung der menschlichen Kräfte“ 146).

Und noch eines Romantikers sei hier gedacht: Georg
Büchners. Er gründet einen revolutionären „Verein für
Menschenrechte“. Welcher Deutsche wird nicht lächeln?
Aus der vita contemplativa stürzt er sich in die Politik
„wie in einen Ausweg aus geistigen Nöten und Schmerzen“.
Die Polizei verjagt ihn nach Strassburg. „Dantons Tod“
entsteht, während die Polizei unten auf ihn wartet. Die
Polizei zwingt ihn, seine rebellischen Neigungen in Literatur
niederzulegen. Nicht die Dogmen von 1789 trägt er vor —
was kümmert ihn Parteiskandal! —, sondern sein leidendes
Menschenherz, einen von tiefster Trauer durchtränkten
Fatalismus 147). „Die Schöpfung ist eine Wunde, wir sind
Gottes Blutstropfen“. Und inbrünstig ruft er uns heutiger
Jugend zu: „Die Welt ist das Chaos, das Nichts, — der
zu gebärende Weltgott“. In Giessen ist es, wo er „in tiefe
Schwermut verfallen sich schämt, ein Knecht mit Knechten
zu sein, einen Kirchendiener-Aristokratismus zu Gefallen“ 148).

Eine Poesie der Heiligen und des Genies wollen diese
deutschesten Geister erheben zur Weltreligion 149). In ihr
sehen sie die Einheit aller Kreatur, ja aller organischen

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[104/0112] erträgt, der schreiend ist in all der toten Ordnung dieser Menschen. Ich sage dir: es ist nichts Heiliges, was sie nicht entheiligt, was nicht zum ärmlichen Befehl herabgewürdigt ist bei diesem Volk, und was selbst unter Wilden göttlich rein sich meist erhält, das treiben diese allberechnenden Barbaren wie man so ein Handwerk treibt und können es nicht anders; denn wo einmal ein menschlich Wesen ab- gerichtet ist, da dient es seinem Zweck. Doch du wirst richten, heilige Natur! Denn wenn sie nur bescheiden wären, diese Menschen, zum Gesetze sich nicht machten für die Bessern unter ihnen! Wenn sie nur nicht lästerten, was sie nicht sind; und möchten sie doch lästern, wenn sie nur das Göttliche nicht höhnten!“ ¹⁴⁵⁾ Erbsünde der Deutschen aber ist ihm wie Friedrich Schlegel „die gänzliche Trennung und Vereinzelung der menschlichen Kräfte“ ¹⁴⁶⁾ . Und noch eines Romantikers sei hier gedacht: Georg Büchners. Er gründet einen revolutionären „Verein für Menschenrechte“. Welcher Deutsche wird nicht lächeln? Aus der vita contemplativa stürzt er sich in die Politik „wie in einen Ausweg aus geistigen Nöten und Schmerzen“. Die Polizei verjagt ihn nach Strassburg. „Dantons Tod“ entsteht, während die Polizei unten auf ihn wartet. Die Polizei zwingt ihn, seine rebellischen Neigungen in Literatur niederzulegen. Nicht die Dogmen von 1789 trägt er vor — was kümmert ihn Parteiskandal! —, sondern sein leidendes Menschenherz, einen von tiefster Trauer durchtränkten Fatalismus ¹⁴⁷⁾ . „Die Schöpfung ist eine Wunde, wir sind Gottes Blutstropfen“. Und inbrünstig ruft er uns heutiger Jugend zu: „Die Welt ist das Chaos, das Nichts, — der zu gebärende Weltgott“. In Giessen ist es, wo er „in tiefe Schwermut verfallen sich schämt, ein Knecht mit Knechten zu sein, einen Kirchendiener-Aristokratismus zu Gefallen“ ¹⁴⁸⁾ . Eine Poesie der Heiligen und des Genies wollen diese deutschesten Geister erheben zur Weltreligion ¹⁴⁹⁾ . In ihr sehen sie die Einheit aller Kreatur, ja aller organischen

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/112>, abgerufen am 27.11.2024.