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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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Seltsamer Fall! Ein französischer Irredentist aus Düssel-
dorf verleumdet die Blüte des Enthusiasmus und der Extase,
die einzige christliche Literatur, die Deutschland besitzt!
Denn was verbindet uns mit den Völkern, wenn nicht die
christliche Spiritualität der Romantik? Franz von Baader,
der Montblanc dieser Richtung -- schuf er nicht tiefe Ver-
bindungen mit dem orthodoxen Geist Russlands? 156) Mit
dem Italien des Franz von Assisi und der ganzen frühgotischen
Tradition? Mit der inspiration douloureuse des Pascal und
dem Thomismus des Cardinal Mercier? 157) Hat er in seinen
Tagebüchern nicht sanft und gewaltig die Irreligiosität der
pantheistischen deutschen Philosophie aufgedeckt 158) und
den ewigen Hader zwischen katholisch und protestantisch
zu tilgen versucht in einem grosszügigen Reformvorschlag? 159) Sprechen nicht Münzer und Jacob Böhme zugleich aus
ihm, wenn er sagt: "Man muss zeigen, dass Könige,
Staatsgefangene und alle Reichen Pensionäre sind"? 160) Wenn
er Kant und Hegel, den Häuptern der Erkenntnistheorie,
beweist, dass sie die Logik mit dem Logos verwechselt
haben? Wenn er zu Schelling spricht: "Du redest von einer
Offenbarung Gottes durch Naturgesetze für jedes einzelne
Wesen in dem grossen All, und von einer menschlichen
Offenbarung an Menschen magst du nichts hören? Für das
Menschliche in Gott hast du keinen Sinn, so wenig als du
einen solchen für das wahrhaft Göttliche im Menschen hast.
Wissen willst du? Nun so wisse, dass dir deine Vernunft
ausser den sinnlichen Erfahrungen weiter nichts taugt, als
dich in dem heillosen dialektischen Schattenspiele herum-
zujagen, und dass es also wohl sehr vernünftig, grösste,
reinste Vernunft ist, da zu glauben, wo du nie wissen
kannst" 161).

Zugegeben: die Schauer-, Ritter- und Pomp-Romantik
und auch noch die Heroldsbläserei Wagner'scher Ouvertüren
haben die deutsche Reichsgründung eröffnet. Und Friedrich
Schlegel wurde, als er zu Jahren kam, Ritter des päpstlichen

Seltsamer Fall! Ein französischer Irredentist aus Düssel-
dorf verleumdet die Blüte des Enthusiasmus und der Extase,
die einzige christliche Literatur, die Deutschland besitzt!
Denn was verbindet uns mit den Völkern, wenn nicht die
christliche Spiritualität der Romantik? Franz von Baader,
der Montblanc dieser Richtung — schuf er nicht tiefe Ver-
bindungen mit dem orthodoxen Geist Russlands? 156) Mit
dem Italien des Franz von Assisi und der ganzen frühgotischen
Tradition? Mit der inspiration douloureuse des Pascal und
dem Thomismus des Cardinal Mercier? 157) Hat er in seinen
Tagebüchern nicht sanft und gewaltig die Irreligiosität der
pantheistischen deutschen Philosophie aufgedeckt 158) und
den ewigen Hader zwischen katholisch und protestantisch
zu tilgen versucht in einem grosszügigen Reformvorschlag? 159) Sprechen nicht Münzer und Jacob Böhme zugleich aus
ihm, wenn er sagt: „Man muss zeigen, dass Könige,
Staatsgefangene und alle Reichen Pensionäre sind“? 160) Wenn
er Kant und Hegel, den Häuptern der Erkenntnistheorie,
beweist, dass sie die Logik mit dem Logos verwechselt
haben? Wenn er zu Schelling spricht: „Du redest von einer
Offenbarung Gottes durch Naturgesetze für jedes einzelne
Wesen in dem grossen All, und von einer menschlichen
Offenbarung an Menschen magst du nichts hören? Für das
Menschliche in Gott hast du keinen Sinn, so wenig als du
einen solchen für das wahrhaft Göttliche im Menschen hast.
Wissen willst du? Nun so wisse, dass dir deine Vernunft
ausser den sinnlichen Erfahrungen weiter nichts taugt, als
dich in dem heillosen dialektischen Schattenspiele herum-
zujagen, und dass es also wohl sehr vernünftig, grösste,
reinste Vernunft ist, da zu glauben, wo du nie wissen
kannst“ 161).

Zugegeben: die Schauer-, Ritter- und Pomp-Romantik
und auch noch die Heroldsbläserei Wagner'scher Ouvertüren
haben die deutsche Reichsgründung eröffnet. Und Friedrich
Schlegel wurde, als er zu Jahren kam, Ritter des päpstlichen

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[106/0114] Seltsamer Fall! Ein französischer Irredentist aus Düssel- dorf verleumdet die Blüte des Enthusiasmus und der Extase, die einzige christliche Literatur, die Deutschland besitzt! Denn was verbindet uns mit den Völkern, wenn nicht die christliche Spiritualität der Romantik? Franz von Baader, der Montblanc dieser Richtung — schuf er nicht tiefe Ver- bindungen mit dem orthodoxen Geist Russlands? ¹⁵⁶⁾ Mit dem Italien des Franz von Assisi und der ganzen frühgotischen Tradition? Mit der inspiration douloureuse des Pascal und dem Thomismus des Cardinal Mercier? ¹⁵⁷⁾ Hat er in seinen Tagebüchern nicht sanft und gewaltig die Irreligiosität der pantheistischen deutschen Philosophie aufgedeckt ¹⁵⁸⁾ und den ewigen Hader zwischen katholisch und protestantisch zu tilgen versucht in einem grosszügigen Reformvorschlag? ¹⁵⁹⁾ Sprechen nicht Münzer und Jacob Böhme zugleich aus ihm, wenn er sagt: „Man muss zeigen, dass Könige, Staatsgefangene und alle Reichen Pensionäre sind“? ¹⁶⁰⁾ Wenn er Kant und Hegel, den Häuptern der Erkenntnistheorie, beweist, dass sie die Logik mit dem Logos verwechselt haben? Wenn er zu Schelling spricht: „Du redest von einer Offenbarung Gottes durch Naturgesetze für jedes einzelne Wesen in dem grossen All, und von einer menschlichen Offenbarung an Menschen magst du nichts hören? Für das Menschliche in Gott hast du keinen Sinn, so wenig als du einen solchen für das wahrhaft Göttliche im Menschen hast. Wissen willst du? Nun so wisse, dass dir deine Vernunft ausser den sinnlichen Erfahrungen weiter nichts taugt, als dich in dem heillosen dialektischen Schattenspiele herum- zujagen, und dass es also wohl sehr vernünftig, grösste, reinste Vernunft ist, da zu glauben, wo du nie wissen kannst“ ¹⁶¹⁾ . Zugegeben: die Schauer-, Ritter- und Pomp-Romantik und auch noch die Heroldsbläserei Wagner'scher Ouvertüren haben die deutsche Reichsgründung eröffnet. Und Friedrich Schlegel wurde, als er zu Jahren kam, Ritter des päpstlichen

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/114>, abgerufen am 27.11.2024.