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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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ordnung" in Preussen anzusiedeln, erwies sich in der Praxis
als ein Zwangs- und Sicherheitsinstitut, "in dem das Volk
der Deutschen nach aussen seine Sicherheit und nach innen
seine Freiheiten bekommen hatte", unter denen nach Herrn
Moeller "die Sicherheit vor Gemeinplätzen und die Freiheit
von Schlagwörtern am selbstverständlichsten, aber auch am
dringlichsten zu sein pflegt" 165); ein Staatsinstitut also, dessen
Grundsatz in jener uns unlängst beschiedenen Ballin'schen
Formel "Maulhalten und Durchhalten" gipfelte.

Humboldts Idee einer Berliner Universität erscheint mir
als reaktionärer Entwurf bedeutender. Man bedenke: der
König von Preussen Rector magnificentissimus der Univer-
sität seiner Residenzstadt! Rector magnificentissimus war
vor der Reformation der Papst, nach der Reformation aber
der protestantische Landesfürst! Da der König von Preussen
zugleich das Summepiskopat seiner Landeskirche innehatte
und absoluter Soldatenkönig war, so ergab sich für die
neue Residenzhochschule ein religiöses Militärprotektorat,
das alle Anlagen zeigte, die päpstliche Despotie des Mittel-
alters in furchtbarer Weise abzulösen, wenn nur ein ge-
schickter Interpret sich fand. Und dieser liess denn auch
nicht lange auf sich warten.

1818 kam Georg Wilhelm Friedrich Hegel nach Berlin,
und ihm ist es zu danken, dass Preussen Basis eines neuen
Strebens nach dem Universalstaat wurde, einem Universal-
staate, worin die irdischen Interessen die himmlischen ab-
lösten, Berlin einen zynischen Ersatz bot für Rom, und
ein allmächtiger Beamtenklerus für die Geistlichkeit; worin
unter dem Namen der Staatspragmatik eine neue Scholastik
aufkam und der preussische König mit Hilfe seiner Ge-
heimräte und Professoren die verworfene Sträflingswelt
seiner Untertanen regierte als höchste geistliche und welt-
liche Macht.

Hegel war als Privatmann ein ziemlich lächerlicher
Kleinbürger aus Schwaben. Auf dem Tübinger Stift war

ordnung“ in Preussen anzusiedeln, erwies sich in der Praxis
als ein Zwangs- und Sicherheitsinstitut, „in dem das Volk
der Deutschen nach aussen seine Sicherheit und nach innen
seine Freiheiten bekommen hatte“, unter denen nach Herrn
Moeller „die Sicherheit vor Gemeinplätzen und die Freiheit
von Schlagwörtern am selbstverständlichsten, aber auch am
dringlichsten zu sein pflegt“ 165); ein Staatsinstitut also, dessen
Grundsatz in jener uns unlängst beschiedenen Ballin'schen
Formel „Maulhalten und Durchhalten“ gipfelte.

Humboldts Idee einer Berliner Universität erscheint mir
als reaktionärer Entwurf bedeutender. Man bedenke: der
König von Preussen Rector magnificentissimus der Univer-
sität seiner Residenzstadt! Rector magnificentissimus war
vor der Reformation der Papst, nach der Reformation aber
der protestantische Landesfürst! Da der König von Preussen
zugleich das Summepiskopat seiner Landeskirche innehatte
und absoluter Soldatenkönig war, so ergab sich für die
neue Residenzhochschule ein religiöses Militärprotektorat,
das alle Anlagen zeigte, die päpstliche Despotie des Mittel-
alters in furchtbarer Weise abzulösen, wenn nur ein ge-
schickter Interpret sich fand. Und dieser liess denn auch
nicht lange auf sich warten.

1818 kam Georg Wilhelm Friedrich Hegel nach Berlin,
und ihm ist es zu danken, dass Preussen Basis eines neuen
Strebens nach dem Universalstaat wurde, einem Universal-
staate, worin die irdischen Interessen die himmlischen ab-
lösten, Berlin einen zynischen Ersatz bot für Rom, und
ein allmächtiger Beamtenklerus für die Geistlichkeit; worin
unter dem Namen der Staatspragmatik eine neue Scholastik
aufkam und der preussische König mit Hilfe seiner Ge-
heimräte und Professoren die verworfene Sträflingswelt
seiner Untertanen regierte als höchste geistliche und welt-
liche Macht.

Hegel war als Privatmann ein ziemlich lächerlicher
Kleinbürger aus Schwaben. Auf dem Tübinger Stift war

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[109/0117] ordnung“ in Preussen anzusiedeln, erwies sich in der Praxis als ein Zwangs- und Sicherheitsinstitut, „in dem das Volk der Deutschen nach aussen seine Sicherheit und nach innen seine Freiheiten bekommen hatte“, unter denen nach Herrn Moeller „die Sicherheit vor Gemeinplätzen und die Freiheit von Schlagwörtern am selbstverständlichsten, aber auch am dringlichsten zu sein pflegt“ ¹⁶⁵⁾ ; ein Staatsinstitut also, dessen Grundsatz in jener uns unlängst beschiedenen Ballin'schen Formel „Maulhalten und Durchhalten“ gipfelte. Humboldts Idee einer Berliner Universität erscheint mir als reaktionärer Entwurf bedeutender. Man bedenke: der König von Preussen Rector magnificentissimus der Univer- sität seiner Residenzstadt! Rector magnificentissimus war vor der Reformation der Papst, nach der Reformation aber der protestantische Landesfürst! Da der König von Preussen zugleich das Summepiskopat seiner Landeskirche innehatte und absoluter Soldatenkönig war, so ergab sich für die neue Residenzhochschule ein religiöses Militärprotektorat, das alle Anlagen zeigte, die päpstliche Despotie des Mittel- alters in furchtbarer Weise abzulösen, wenn nur ein ge- schickter Interpret sich fand. Und dieser liess denn auch nicht lange auf sich warten. 1818 kam Georg Wilhelm Friedrich Hegel nach Berlin, und ihm ist es zu danken, dass Preussen Basis eines neuen Strebens nach dem Universalstaat wurde, einem Universal- staate, worin die irdischen Interessen die himmlischen ab- lösten, Berlin einen zynischen Ersatz bot für Rom, und ein allmächtiger Beamtenklerus für die Geistlichkeit; worin unter dem Namen der Staatspragmatik eine neue Scholastik aufkam und der preussische König mit Hilfe seiner Ge- heimräte und Professoren die verworfene Sträflingswelt seiner Untertanen regierte als höchste geistliche und welt- liche Macht. Hegel war als Privatmann ein ziemlich lächerlicher Kleinbürger aus Schwaben. Auf dem Tübinger Stift war

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/117>, abgerufen am 27.11.2024.