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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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zipe entwickeln sich die allgemeinen Grundsätze der Ver-
nunft" 183). "Was die Gesinnung betrifft, so ist es schon gesagt
worden, dass durch die protestantische Kirche die Versöhnung
der Religion mit dem Rechte zustande gekommen ist". Und
als Folge: "es gibt kein heiliges, kein religiöses Gewissen,
das vom weltlichen Rechte getrennt oder ihm gar entgegen-
gesetzt wäre" 184). Das aber hiess im Zusammenhang des
Hegel'schen Systems: es gibt kein heiliges, kein religiöses
Gewissen ausserhalb oder gar gegen den protestantischen
Absolutismus. Und doch schrieb dieser fürchterliche Jesuit
den Satz: "Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Be-
wusstsein der Freiheit".

Wie erklärt sich solche alleruntertänigste Devotion?
Dass Preussen "das absolute Ideal" sei, dachte sich Hegel
schon bei seiner Berufung. Eine Anstellung an der Berliner
Universität war schon in Heidelberg sein höchster Traum.
Was ihn nach Preussen zog, war es am Ende wohl Preussens
"Gehalt"? Wie hätte diese Monarchie die Universität Berlin
gründen und so reichlich dotieren können, wenn Preussen
nicht alle andern Staaten übertraf? 185) Wie hätte sie ihn, Hegel,
den armen Schlucker, dem Goethe nach Jena Beigefügtes
im Brief zukommen liess, weil man von den sächsischen
Kollegiengeldern nicht leben konnte 186), dorthin berufen?
Aber dann stimmte es auch überein mit Hegels "Speku-
lation" und schulmässiger Theologie. Und es kam nur darauf
an, den "Idealstaat" Humboldts möglichst zu überbieten.
Das war man der Berufung und dem Landesfürsten schuldig.

Also griff Hegel zur "Weltseele" und liess sie sich
mittels These, Antithese und Synthese zum Selbstbewusstsein
des preussischen Untertanen und Staates hinaufentwickeln.
Das war für die Weltseele ein anstrengender Prozess und
für den Herrn Professor auch, und der Vorgang wurde
etwas dunkel, aber desto verdienstlicher das Resultat für
den Impressario. Und was Hegel ebenfalls schon vorher
wusste: dass nämlich alles, was kontrerevolutionär ist, auch

zipe entwickeln sich die allgemeinen Grundsätze der Ver-
nunft“ 183). „Was die Gesinnung betrifft, so ist es schon gesagt
worden, dass durch die protestantische Kirche die Versöhnung
der Religion mit dem Rechte zustande gekommen ist“. Und
als Folge: „es gibt kein heiliges, kein religiöses Gewissen,
das vom weltlichen Rechte getrennt oder ihm gar entgegen-
gesetzt wäre“ 184). Das aber hiess im Zusammenhang des
Hegel'schen Systems: es gibt kein heiliges, kein religiöses
Gewissen ausserhalb oder gar gegen den protestantischen
Absolutismus. Und doch schrieb dieser fürchterliche Jesuit
den Satz: „Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Be-
wusstsein der Freiheit“.

Wie erklärt sich solche alleruntertänigste Devotion?
Dass Preussen „das absolute Ideal“ sei, dachte sich Hegel
schon bei seiner Berufung. Eine Anstellung an der Berliner
Universität war schon in Heidelberg sein höchster Traum.
Was ihn nach Preussen zog, war es am Ende wohl Preussens
„Gehalt“? Wie hätte diese Monarchie die Universität Berlin
gründen und so reichlich dotieren können, wenn Preussen
nicht alle andern Staaten übertraf? 185) Wie hätte sie ihn, Hegel,
den armen Schlucker, dem Goethe nach Jena Beigefügtes
im Brief zukommen liess, weil man von den sächsischen
Kollegiengeldern nicht leben konnte 186), dorthin berufen?
Aber dann stimmte es auch überein mit Hegels „Speku-
lation“ und schulmässiger Theologie. Und es kam nur darauf
an, den „Idealstaat“ Humboldts möglichst zu überbieten.
Das war man der Berufung und dem Landesfürsten schuldig.

Also griff Hegel zur „Weltseele“ und liess sie sich
mittels These, Antithese und Synthese zum Selbstbewusstsein
des preussischen Untertanen und Staates hinaufentwickeln.
Das war für die Weltseele ein anstrengender Prozess und
für den Herrn Professor auch, und der Vorgang wurde
etwas dunkel, aber desto verdienstlicher das Resultat für
den Impressario. Und was Hegel ebenfalls schon vorher
wusste: dass nämlich alles, was kontrerevolutionär ist, auch

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[114/0122] zipe entwickeln sich die allgemeinen Grundsätze der Ver- nunft“ ¹⁸³⁾ . „Was die Gesinnung betrifft, so ist es schon gesagt worden, dass durch die protestantische Kirche die Versöhnung der Religion mit dem Rechte zustande gekommen ist“. Und als Folge: „es gibt kein heiliges, kein religiöses Gewissen, das vom weltlichen Rechte getrennt oder ihm gar entgegen- gesetzt wäre“ ¹⁸⁴⁾ . Das aber hiess im Zusammenhang des Hegel'schen Systems: es gibt kein heiliges, kein religiöses Gewissen ausserhalb oder gar gegen den protestantischen Absolutismus. Und doch schrieb dieser fürchterliche Jesuit den Satz: „Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Be- wusstsein der Freiheit“. Wie erklärt sich solche alleruntertänigste Devotion? Dass Preussen „das absolute Ideal“ sei, dachte sich Hegel schon bei seiner Berufung. Eine Anstellung an der Berliner Universität war schon in Heidelberg sein höchster Traum. Was ihn nach Preussen zog, war es am Ende wohl Preussens „Gehalt“? Wie hätte diese Monarchie die Universität Berlin gründen und so reichlich dotieren können, wenn Preussen nicht alle andern Staaten übertraf? ¹⁸⁵⁾ Wie hätte sie ihn, Hegel, den armen Schlucker, dem Goethe nach Jena Beigefügtes im Brief zukommen liess, weil man von den sächsischen Kollegiengeldern nicht leben konnte ¹⁸⁶⁾ , dorthin berufen? Aber dann stimmte es auch überein mit Hegels „Speku- lation“ und schulmässiger Theologie. Und es kam nur darauf an, den „Idealstaat“ Humboldts möglichst zu überbieten. Das war man der Berufung und dem Landesfürsten schuldig. Also griff Hegel zur „Weltseele“ und liess sie sich mittels These, Antithese und Synthese zum Selbstbewusstsein des preussischen Untertanen und Staates hinaufentwickeln. Das war für die Weltseele ein anstrengender Prozess und für den Herrn Professor auch, und der Vorgang wurde etwas dunkel, aber desto verdienstlicher das Resultat für den Impressario. Und was Hegel ebenfalls schon vorher wusste: dass nämlich alles, was kontrerevolutionär ist, auch

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/122>, abgerufen am 27.11.2024.