Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

Bild:
<< vorherige Seite

liebäugelten sie mit dem zentralistischen Reichssystem und
wollten nicht abseits stehen, als der Erfolg und Milliarden-
segen hereinbrach 108).

Ein Wort Bakunins bezeichnete treffend ihre historische
Situation: "Wie der Doctor Faust, verfolgten diese her-
vorragenden Patrioten zwei Ziele, zwei Tendenzen, die
einander widersprachen: sie wollten zugleich eine mächtige
nationale Einheit und zugleich die Freiheit. Indem sie zwei
unversöhnliche Dinge vereinbaren wollten, lähmten sie das
eine mit dem andern, bis sie schliesslich, durch die Erfah-
rung belehrt, sich entschlossen, die Freiheit zu opfern, um
die politische Macht zu erobern. Und so kommt es, dass sie
gegenwärtig (1871) damit beschäftigt sind, auf den Ruinen --
nicht ihrer Freiheit, denn sie waren nie frei, -- sondern
ihrer liberalen Träume, ihr grosses prusso-germanisches
Kaiserreich zu errichten" 109).

liebäugelten sie mit dem zentralistischen Reichssystem und
wollten nicht abseits stehen, als der Erfolg und Milliarden-
segen hereinbrach 108).

Ein Wort Bakunins bezeichnete treffend ihre historische
Situation: „Wie der Doctor Faust, verfolgten diese her-
vorragenden Patrioten zwei Ziele, zwei Tendenzen, die
einander widersprachen: sie wollten zugleich eine mächtige
nationale Einheit und zugleich die Freiheit. Indem sie zwei
unversöhnliche Dinge vereinbaren wollten, lähmten sie das
eine mit dem andern, bis sie schliesslich, durch die Erfah-
rung belehrt, sich entschlossen, die Freiheit zu opfern, um
die politische Macht zu erobern. Und so kommt es, dass sie
gegenwärtig (1871) damit beschäftigt sind, auf den Ruinen —
nicht ihrer Freiheit, denn sie waren nie frei, — sondern
ihrer liberalen Träume, ihr grosses prusso-germanisches
Kaiserreich zu errichten“ 109).

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0179" n="171"/>
liebäugelten sie mit dem zentralistischen Reichssystem und<lb/>
wollten nicht abseits stehen, als der Erfolg und Milliarden-<lb/>
segen hereinbrach <note xml:id="id108c" next="id108c108c" place="end" n="108)"/>.</p><lb/>
          <p>Ein Wort Bakunins bezeichnete treffend ihre historische<lb/>
Situation: &#x201E;Wie der Doctor Faust, verfolgten diese her-<lb/>
vorragenden Patrioten zwei Ziele, zwei Tendenzen, die<lb/>
einander widersprachen: sie wollten zugleich eine mächtige<lb/>
nationale Einheit und zugleich die Freiheit. Indem sie zwei<lb/>
unversöhnliche Dinge vereinbaren wollten, lähmten sie das<lb/>
eine mit dem andern, bis sie schliesslich, durch die Erfah-<lb/>
rung belehrt, sich entschlossen, die Freiheit zu opfern, um<lb/>
die politische Macht zu erobern. Und so kommt es, dass sie<lb/>
gegenwärtig (1871) damit beschäftigt sind, auf den Ruinen &#x2014;<lb/>
nicht ihrer Freiheit, denn sie waren nie frei, &#x2014; sondern<lb/>
ihrer liberalen Träume, ihr grosses prusso-germanisches<lb/>
Kaiserreich zu errichten&#x201C; <note xml:id="id109c" next="id109c109c" place="end" n="109)"/>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0179] liebäugelten sie mit dem zentralistischen Reichssystem und wollten nicht abseits stehen, als der Erfolg und Milliarden- segen hereinbrach ¹⁰⁸⁾ . Ein Wort Bakunins bezeichnete treffend ihre historische Situation: „Wie der Doctor Faust, verfolgten diese her- vorragenden Patrioten zwei Ziele, zwei Tendenzen, die einander widersprachen: sie wollten zugleich eine mächtige nationale Einheit und zugleich die Freiheit. Indem sie zwei unversöhnliche Dinge vereinbaren wollten, lähmten sie das eine mit dem andern, bis sie schliesslich, durch die Erfah- rung belehrt, sich entschlossen, die Freiheit zu opfern, um die politische Macht zu erobern. Und so kommt es, dass sie gegenwärtig (1871) damit beschäftigt sind, auf den Ruinen — nicht ihrer Freiheit, denn sie waren nie frei, — sondern ihrer liberalen Träume, ihr grosses prusso-germanisches Kaiserreich zu errichten“ ¹⁰⁹⁾ .

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Schulz, Dienstleister (Muttersprachler): Bereitstellung der Texttranskription nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-02-17T09:20:45Z)
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-02-17T09:20:45Z)

Weitere Informationen:

  • Nach den Richtlinien des Deutschen Textarchivs (DTA) transkribiert und ausgezeichnet.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/179
Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/179>, abgerufen am 24.11.2024.