Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.rühmt als das "grosse, unvergängliche Verdienst" Lassalles --: die Arbeiterschaft "zum Kampfe einexerziert, ihr, wie es im Liede heisst, Schwerter gegeben zu haben". (S. 185.) 15) Mehring, Bd. II, 327. 16) Ebendort, S. 306. Der "chiffon de papier" war also nicht erst Bethmanns Erfindung. 17) Mehring, Bd. III, S. 130. Schon Georg Brandes fand, dass Lassalles Bekenntnis zur revolutionären Demokratie und zu- gleich zum allgemeinen Stimmrecht des damaligen Preussen- staates ein Widerspruch war, den man "nicht ungestraft in seinem Gemüte hegt". ("Ferd. Lassalle, ein literarisches Charakterbild", Berlin, 1877). Das kam von der Hegel- und Fichteschule und vom Optivprotestantentum, dem ausser Lassalle auch Heine und Marx verfielen. Lassalle war begeisterter Hegelianer. In seinem "System der erworbenen Rechte" (1861) bezeichnete er die He- gel'sche Rechtsphilosophie als den ersten Versuch, das Recht "als einen vernünftigen, sich aus sich selbst entwickelnden Orga- nismus nachzuweisen", und wenn er auch eine "totale Reformation" der Hegel'schen Philosophie verlangte, so wollte er mit seiner Auffassung des Positiven und Historischen "als notwendiger Ausflüsse der jederzeitigen historischen Geistesbegriffe" doch nur erweisen, "dass die Hegel'sche Philosophie noch weit mehr recht hatte, als Hegel selbst wusste, und dass der spekulative Be- griff noch weitere Gebiete und noch viel intensiver beherrscht, als Hegel selbst erkannt hatte" (Vorwort zum "System der erworbenen Rechte"). Wie viel freier zeigt sich dieser Erstickung des Natur- rechts gegenüber die Rechtsphilosophie etwa des Jesuiten Victor Cathrein und anderer katholischer Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, die weit davon entfernt, das Ideal darzustellen, aber auch ohne den Anspruch, revolutionär zu sein, der positivistischen Ver- flachung entgegenarbeiteten. (Vergl. Victor Cathrein S. I., "Die Grundlagen des Völkerrechts", Ergänzungshefte zu den "Stimmen der Zeit", Kulturfragen, Heft 5.) 18) Mehring, Bd. III, S. 288. 19) Ebendort, Bd. IV, S. 63. Erst auf dem "Gothaer Eini- gungskongress" (22.-27. Mai 1875) fand die Verschmelzung der beiden Fraktionen zur sozialdemokratischen Partei statt. Die Konfusion des Gothaer Programms zeigt sich übrigens darin, dass es zugleich eine revolutionäre Forderung erhob (den "vollen Arbeitsertrag"), und eine bürgerliche Reform verlangte ("durch- greifende Arbeiterschutzgesetzgebung"), also den bestehenden Staat anerkannte. Die grossen Ideenkämpfe der I. Internationale rühmt als das „grosse, unvergängliche Verdienst“ Lassalles —: die Arbeiterschaft „zum Kampfe einexerziert, ihr, wie es im Liede heisst, Schwerter gegeben zu haben“. (S. 185.) 15) Mehring, Bd. II, 327. 16) Ebendort, S. 306. Der „chiffon de papier“ war also nicht erst Bethmanns Erfindung. 17) Mehring, Bd. III, S. 130. Schon Georg Brandes fand, dass Lassalles Bekenntnis zur revolutionären Demokratie und zu- gleich zum allgemeinen Stimmrecht des damaligen Preussen- staates ein Widerspruch war, den man „nicht ungestraft in seinem Gemüte hegt“. („Ferd. Lassalle, ein literarisches Charakterbild“, Berlin, 1877). Das kam von der Hegel- und Fichteschule und vom Optivprotestantentum, dem ausser Lassalle auch Heine und Marx verfielen. Lassalle war begeisterter Hegelianer. In seinem „System der erworbenen Rechte“ (1861) bezeichnete er die He- gel'sche Rechtsphilosophie als den ersten Versuch, das Recht „als einen vernünftigen, sich aus sich selbst entwickelnden Orga- nismus nachzuweisen“, und wenn er auch eine „totale Reformation“ der Hegel'schen Philosophie verlangte, so wollte er mit seiner Auffassung des Positiven und Historischen „als notwendiger Ausflüsse der jederzeitigen historischen Geistesbegriffe“ doch nur erweisen, „dass die Hegel'sche Philosophie noch weit mehr recht hatte, als Hegel selbst wusste, und dass der spekulative Be- griff noch weitere Gebiete und noch viel intensiver beherrscht, als Hegel selbst erkannt hatte“ (Vorwort zum „System der erworbenen Rechte“). Wie viel freier zeigt sich dieser Erstickung des Natur- rechts gegenüber die Rechtsphilosophie etwa des Jesuiten Victor Cathrein und anderer katholischer Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, die weit davon entfernt, das Ideal darzustellen, aber auch ohne den Anspruch, revolutionär zu sein, der positivistischen Ver- flachung entgegenarbeiteten. (Vergl. Victor Cathrein S. I., „Die Grundlagen des Völkerrechts“, Ergänzungshefte zu den „Stimmen der Zeit“, Kulturfragen, Heft 5.) 18) Mehring, Bd. III, S. 288. 19) Ebendort, Bd. IV, S. 63. Erst auf dem „Gothaer Eini- gungskongress“ (22.-27. Mai 1875) fand die Verschmelzung der beiden Fraktionen zur sozialdemokratischen Partei statt. Die Konfusion des Gothaer Programms zeigt sich übrigens darin, dass es zugleich eine revolutionäre Forderung erhob (den „vollen Arbeitsertrag“), und eine bürgerliche Reform verlangte („durch- greifende Arbeiterschutzgesetzgebung“), also den bestehenden Staat anerkannte. Die grossen Ideenkämpfe der I. Internationale <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <note xml:id="id14b14d" prev="id14d" place="end" n="14)"><pb facs="#f0307" n="299"/><hi rendition="#i">rühmt</hi> als das „grosse, unvergängliche Verdienst“ Lassalles —:<lb/> die Arbeiterschaft „zum Kampfe einexerziert, ihr, wie es im Liede<lb/> heisst, Schwerter gegeben zu haben“. (S. 185.)</note><lb/> <note xml:id="id15b15d" prev="id15d" place="end" n="15)"> Mehring, Bd. II, 327.</note><lb/> <note xml:id="id16b16d" prev="id16d" place="end" n="16)"> Ebendort, S. 306. Der „chiffon de papier“ war also nicht<lb/> erst Bethmanns Erfindung.</note><lb/> <note xml:id="id17b17d" prev="id17d" place="end" n="17)"> Mehring, Bd. III, S. 130. Schon Georg Brandes fand,<lb/> dass Lassalles Bekenntnis zur revolutionären Demokratie und zu-<lb/> gleich zum allgemeinen Stimmrecht des damaligen Preussen-<lb/> staates ein Widerspruch war, den man „nicht ungestraft in seinem<lb/> Gemüte hegt“. („Ferd. Lassalle, ein literarisches Charakterbild“,<lb/> Berlin, 1877). Das kam von der Hegel- und Fichteschule und<lb/> vom Optivprotestantentum, dem ausser Lassalle auch Heine und<lb/> Marx verfielen. Lassalle war begeisterter Hegelianer. In seinem<lb/> „System der erworbenen Rechte“ (1861) bezeichnete er die He-<lb/> gel'sche Rechtsphilosophie als den ersten Versuch, das Recht<lb/> „als einen <hi rendition="#i">vernünftigen</hi>, sich aus sich selbst entwickelnden Orga-<lb/> nismus nachzuweisen“, und wenn er auch eine „totale Reformation“<lb/> der Hegel'schen Philosophie verlangte, so wollte er mit seiner<lb/> Auffassung des Positiven und Historischen „als notwendiger<lb/> Ausflüsse der jederzeitigen historischen Geistesbegriffe“ doch<lb/> nur erweisen, „dass die Hegel'sche Philosophie <hi rendition="#i">noch weit mehr<lb/> recht hatte, als Hegel selbst wusste,</hi> und dass der spekulative Be-<lb/> griff noch weitere Gebiete und <hi rendition="#i">noch viel intensiver beherrscht,</hi> als<lb/> Hegel selbst erkannt hatte“ (Vorwort zum „System der erworbenen<lb/> Rechte“). Wie viel freier zeigt sich dieser Erstickung des Natur-<lb/> rechts gegenüber die Rechtsphilosophie etwa des Jesuiten Victor<lb/> Cathrein und anderer katholischer Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts,<lb/> die weit davon entfernt, das Ideal darzustellen, aber auch ohne<lb/> den Anspruch, revolutionär zu sein, der positivistischen Ver-<lb/> flachung entgegenarbeiteten. (Vergl. Victor Cathrein S. I., „Die<lb/> Grundlagen des Völkerrechts“, Ergänzungshefte zu den „Stimmen<lb/> der Zeit“, Kulturfragen, Heft 5.)</note><lb/> <note xml:id="id18b18d" prev="id18d" place="end" n="18)"> Mehring, Bd. III, S. 288.</note><lb/> <note xml:id="id19b19d" prev="id19d" place="end" n="19)"> Ebendort, Bd. IV, S. 63. Erst auf dem „Gothaer Eini-<lb/> gungskongress“ (22.-27. Mai 1875) fand die Verschmelzung der<lb/> beiden Fraktionen zur sozialdemokratischen Partei statt. Die<lb/> Konfusion des Gothaer Programms zeigt sich übrigens darin,<lb/> dass es zugleich eine revolutionäre Forderung erhob (den „vollen<lb/> Arbeitsertrag“), und eine bürgerliche Reform verlangte („durch-<lb/> greifende Arbeiterschutzgesetzgebung“), also den bestehenden<lb/> Staat anerkannte. Die grossen Ideenkämpfe der I. Internationale<lb/></note> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [299/0307]
¹⁴⁾ rühmt als das „grosse, unvergängliche Verdienst“ Lassalles —:
die Arbeiterschaft „zum Kampfe einexerziert, ihr, wie es im Liede
heisst, Schwerter gegeben zu haben“. (S. 185.)
¹⁵⁾ Mehring, Bd. II, 327.
¹⁶⁾ Ebendort, S. 306. Der „chiffon de papier“ war also nicht
erst Bethmanns Erfindung.
¹⁷⁾ Mehring, Bd. III, S. 130. Schon Georg Brandes fand,
dass Lassalles Bekenntnis zur revolutionären Demokratie und zu-
gleich zum allgemeinen Stimmrecht des damaligen Preussen-
staates ein Widerspruch war, den man „nicht ungestraft in seinem
Gemüte hegt“. („Ferd. Lassalle, ein literarisches Charakterbild“,
Berlin, 1877). Das kam von der Hegel- und Fichteschule und
vom Optivprotestantentum, dem ausser Lassalle auch Heine und
Marx verfielen. Lassalle war begeisterter Hegelianer. In seinem
„System der erworbenen Rechte“ (1861) bezeichnete er die He-
gel'sche Rechtsphilosophie als den ersten Versuch, das Recht
„als einen vernünftigen, sich aus sich selbst entwickelnden Orga-
nismus nachzuweisen“, und wenn er auch eine „totale Reformation“
der Hegel'schen Philosophie verlangte, so wollte er mit seiner
Auffassung des Positiven und Historischen „als notwendiger
Ausflüsse der jederzeitigen historischen Geistesbegriffe“ doch
nur erweisen, „dass die Hegel'sche Philosophie noch weit mehr
recht hatte, als Hegel selbst wusste, und dass der spekulative Be-
griff noch weitere Gebiete und noch viel intensiver beherrscht, als
Hegel selbst erkannt hatte“ (Vorwort zum „System der erworbenen
Rechte“). Wie viel freier zeigt sich dieser Erstickung des Natur-
rechts gegenüber die Rechtsphilosophie etwa des Jesuiten Victor
Cathrein und anderer katholischer Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts,
die weit davon entfernt, das Ideal darzustellen, aber auch ohne
den Anspruch, revolutionär zu sein, der positivistischen Ver-
flachung entgegenarbeiteten. (Vergl. Victor Cathrein S. I., „Die
Grundlagen des Völkerrechts“, Ergänzungshefte zu den „Stimmen
der Zeit“, Kulturfragen, Heft 5.)
¹⁸⁾ Mehring, Bd. III, S. 288.
¹⁹⁾ Ebendort, Bd. IV, S. 63. Erst auf dem „Gothaer Eini-
gungskongress“ (22.-27. Mai 1875) fand die Verschmelzung der
beiden Fraktionen zur sozialdemokratischen Partei statt. Die
Konfusion des Gothaer Programms zeigt sich übrigens darin,
dass es zugleich eine revolutionäre Forderung erhob (den „vollen
Arbeitsertrag“), und eine bürgerliche Reform verlangte („durch-
greifende Arbeiterschutzgesetzgebung“), also den bestehenden
Staat anerkannte. Die grossen Ideenkämpfe der I. Internationale
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Schulz, Dienstleister (Muttersprachler): Bereitstellung der Texttranskription nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-02-17T09:20:45Z)
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-02-17T09:20:45Z)
Weitere Informationen:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |