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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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Cadets gesetzt werden; ist formidabel für seinen Dienst
und Armee, und ruhiger in seinem Lande. Die Seligkeit
ist für Gott; alles andere aber muss mein sein" 92). Und
Friedrich der Grosse in seinem "Militärischen Testament"
von 1768: "Der Krieg ist gut, wenn man ihn unternimmt,
um das Ansehen des Staates aufrechtzuerhalten. Keine Kunst
ist schöner, keine nützlicher als die Kriegskunst" 93).

Aber noch eine andere Tradition bildet sich: die des
preussischen Generalstabs. Unter dem Grossen Kurfürsten
raufte und balgte man sich noch. "So sollen vor allen
Dingen Uns als dem Haupte, die Hohen und anderen
Officirer, Reuter und Knechte, auch insgemein alle und
jede, so in unsern Diensten, und sich bey der Armee auf-
halten, getrew, hold, gehorsam und gewärtig sein" 94). Unter
Friedrich Wilhelm I. verlangt das Offiziersreglement, dass
in den Regimentslisten geführt werden soll: "ob der Officier
ein Säuffer ist, ob er guten Verstand und einen offenen
Kopff hat, oder ob er dumm ist" 95). Friedrich II. entfernt
dann die bürgerlichen Offiziere, und in den adligen Offiziers-
korps entsteht ein Junkersinn, der, nach Treitschke, "dem
Volke noch unleidlicher wurde als die ungeschlachte Roheit
früherer Zeiten". Der "Point d'honneur" wurde eingeführt.
Von einem General erfordert man, "dass er dissimule sein
und zugleich naturel scheinen soll, gelinde und strenge,
beständig misstrauisch und jederzeit tranquille, der aus
humanite seiner Soldaten schonet, zuweilen aber mit deren
Blut verschwenderisch ist" 96).

Nach dem Zusammenbruch der Armee bei Jena und
Auerstädt werden Scharnhorst, Gneisenau, Grolman und
Boyen ihre Reorganisatoren. Es beginnt die "idealistische"
Tradition des Generalstabs. "Es steht dieser Bund der
Viere", sagt der Konzipient der Dokumente, die ich hier
anführe, "in der Tat so erhaben da, dass die Geschichte
seit den Reformatoren des 16. Jahrhunderts nichts dem
Aehnliches aufzuweisen hat" 97); und das ist gewiss auch die

Cadets gesetzt werden; ist formidabel für seinen Dienst
und Armee, und ruhiger in seinem Lande. Die Seligkeit
ist für Gott; alles andere aber muss mein sein“ 92). Und
Friedrich der Grosse in seinem „Militärischen Testament“
von 1768: „Der Krieg ist gut, wenn man ihn unternimmt,
um das Ansehen des Staates aufrechtzuerhalten. Keine Kunst
ist schöner, keine nützlicher als die Kriegskunst“ 93).

Aber noch eine andere Tradition bildet sich: die des
preussischen Generalstabs. Unter dem Grossen Kurfürsten
raufte und balgte man sich noch. „So sollen vor allen
Dingen Uns als dem Haupte, die Hohen und anderen
Officirer, Reuter und Knechte, auch insgemein alle und
jede, so in unsern Diensten, und sich bey der Armee auf-
halten, getrew, hold, gehorsam und gewärtig sein“ 94). Unter
Friedrich Wilhelm I. verlangt das Offiziersreglement, dass
in den Regimentslisten geführt werden soll: „ob der Officier
ein Säuffer ist, ob er guten Verstand und einen offenen
Kopff hat, oder ob er dumm ist“ 95). Friedrich II. entfernt
dann die bürgerlichen Offiziere, und in den adligen Offiziers-
korps entsteht ein Junkersinn, der, nach Treitschke, „dem
Volke noch unleidlicher wurde als die ungeschlachte Roheit
früherer Zeiten“. Der „Point d'honneur“ wurde eingeführt.
Von einem General erfordert man, „dass er dissimulé sein
und zugleich naturel scheinen soll, gelinde und strenge,
beständig misstrauisch und jederzeit tranquille, der aus
humanité seiner Soldaten schonet, zuweilen aber mit deren
Blut verschwenderisch ist“ 96).

Nach dem Zusammenbruch der Armee bei Jena und
Auerstädt werden Scharnhorst, Gneisenau, Grolman und
Boyen ihre Reorganisatoren. Es beginnt die „idealistische“
Tradition des Generalstabs. „Es steht dieser Bund der
Viere“, sagt der Konzipient der Dokumente, die ich hier
anführe, „in der Tat so erhaben da, dass die Geschichte
seit den Reformatoren des 16. Jahrhunderts nichts dem
Aehnliches aufzuweisen hat“ 97); und das ist gewiss auch die

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[88/0096] Cadets gesetzt werden; ist formidabel für seinen Dienst und Armee, und ruhiger in seinem Lande. Die Seligkeit ist für Gott; alles andere aber muss mein sein“ ⁹²⁾ . Und Friedrich der Grosse in seinem „Militärischen Testament“ von 1768: „Der Krieg ist gut, wenn man ihn unternimmt, um das Ansehen des Staates aufrechtzuerhalten. Keine Kunst ist schöner, keine nützlicher als die Kriegskunst“ ⁹³⁾ . Aber noch eine andere Tradition bildet sich: die des preussischen Generalstabs. Unter dem Grossen Kurfürsten raufte und balgte man sich noch. „So sollen vor allen Dingen Uns als dem Haupte, die Hohen und anderen Officirer, Reuter und Knechte, auch insgemein alle und jede, so in unsern Diensten, und sich bey der Armee auf- halten, getrew, hold, gehorsam und gewärtig sein“ ⁹⁴⁾ . Unter Friedrich Wilhelm I. verlangt das Offiziersreglement, dass in den Regimentslisten geführt werden soll: „ob der Officier ein Säuffer ist, ob er guten Verstand und einen offenen Kopff hat, oder ob er dumm ist“ ⁹⁵⁾ . Friedrich II. entfernt dann die bürgerlichen Offiziere, und in den adligen Offiziers- korps entsteht ein Junkersinn, der, nach Treitschke, „dem Volke noch unleidlicher wurde als die ungeschlachte Roheit früherer Zeiten“. Der „Point d'honneur“ wurde eingeführt. Von einem General erfordert man, „dass er dissimulé sein und zugleich naturel scheinen soll, gelinde und strenge, beständig misstrauisch und jederzeit tranquille, der aus humanité seiner Soldaten schonet, zuweilen aber mit deren Blut verschwenderisch ist“ ⁹⁶⁾ . Nach dem Zusammenbruch der Armee bei Jena und Auerstädt werden Scharnhorst, Gneisenau, Grolman und Boyen ihre Reorganisatoren. Es beginnt die „idealistische“ Tradition des Generalstabs. „Es steht dieser Bund der Viere“, sagt der Konzipient der Dokumente, die ich hier anführe, „in der Tat so erhaben da, dass die Geschichte seit den Reformatoren des 16. Jahrhunderts nichts dem Aehnliches aufzuweisen hat“ ⁹⁷⁾ ; und das ist gewiss auch die

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/96>, abgerufen am 27.11.2024.